Seit dem 1. Januar gehört das schweizerische Bankgeheimnis endgültig der Vergangenheit an.
Das Tempo, das die Schweiz in dieser Sache letztes Jahr vorgelegt hat, ist für hiesige Verhältnisse bemerkenswert: Mit Dutzenden von Ländern wurde der automatische Informationsaustausch vereinbart. 2018 werden erstmals mit den Vertragspartnern Bankkundendaten ausgetauscht.
Selbstverständlich sind darunter auch alle Staaten der EU.
Der Fall des Bankgeheimnisses ist ein Schulbeispiel dafür, wie sich die Schweiz an grundlegende Reformen heranmacht: Nämlich nur auf Druck des Auslands.
Noch vor zehn Jahren haben Schweizer Politiker behauptet, das Bankgeheimnis gehöre zur DNA der Schweiz. Und wir erinnern uns an den Kampfruf von Bundesrat Merz vom März 2008: «An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch noch die Zähne ausbeissen» – eine peinliche Lachnummer.
Ein Jahr später stand das Land selbst ohne Zähne da.
Die USA hatten die Schweiz in einen Vergleich gezwungen: Die UBS zahlt ein Bussgeld von mehreren Hundert Millionen Dollar und übermittelt mit dem Segen des Bundesrates den USA die Daten von über viertausend Kunden.
Den Rest erledigten Steinbrücks Kavallerie und Bankdaten-CDs von Schweizer Bankangestellten.
Klammer: Mit grossem Interesse habe ich die über 200 Online-Kommentare zu meiner letzten Kolumne gelesen. Ich verstehe: Man sehnt sich zurück zu den guten alten Zeiten. Ich tu das nicht. Weil ich nicht weiss, wann genau die waren. Oh, vielleicht damals, als man noch nicht zum Einkaufen nach Deutschland fuhr? Klammer zu.
2015 hatte man in Arlesheim die Idee, man könnte doch eine 200-Jahr-Feier durchführen: 1815 war das Dorf und mit ihm acht weitere Birsecker-Gemeinden, die bis dahin zu Frankreich gehörten, der Eidgenossenschaft zugeschlagen worden.
Nach einer Podiumsdiskussion sah man von weiteren Veranstaltungen ab.
Die unbequeme Wahrheit: Da hatten keine stolzen, nach Demokratie und Selbstbestimmung strebenden Männer mutig ihrem Freiheitsdrang zum Durchbruch verholfen – Frauen hatten in diesem Land bekanntlich bis 1971 politisch nichts zu sagen –, sondern den Anschluss an die Eidgenossenschaft und den Kanton Basel hatten die europäischen Siegermächte im fernen Wien diktiert.
Drei Basler und drei Birsecker Vertreter sassen am Tisch – heillos zerstritten, wie bei den Eidgenossen bis heute üblich.
Sie wurden unter Androhung von militärischem Zwang zum Glück verdammt.
Die reformierten Basler mussten den Neubürgern nicht nur die Ausübung ihres katholischen Glaubens garantieren, sondern auch die in diesen Gemeinden geltenden fortschrittlichen französischen Bürgerrechte.
17 Jahre später verlor die zu politischen Reformen unfähige Stadt die Birsecker Gemeinden ans obere Baselbiet.
Was lernen wir aus diesen beiden Beispielen?
Dass man voller Zuversicht ins neue Jahr steigen kann. Weil der Druck des Auslands auf wichtige innenpolitische Themenbereiche bestehen bleibt.
Die vom Volk abgelehnte Unternehmenssteuerreform wird zügig neuformuliert, weil die USA (Steuersenkungen) und die EU (graue Liste) den Takt vorgeben. Und auch beim Rahmenabkommen mit der EU wird man nichts mehr auf die lange Bank schieben können.
Die Schweiz muss sich entscheiden. Und das ist gut so.
Man wird – das ist das Geheimnis des Erfolgsmodells Schweiz – pragmatisch wie immer das Beste für sich herausholen.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 3. Januar 2018
Alex Schneider meint
Zwischen der Aufgabe des Bankkundengeheimisses und der Preisgabe der Volkssouveränität besteht aber ein gewaltiger ethischer Unterschied. Dass uns die EU wirtschaftspolitisch erpressen kann, ist mir auch klar. Die Frage ist nur, will die EU sich an der Schweiz als erpresserisch zeigen? Machen Sie sich keine Illusionen über die Mitwirkungsmöglichkeiten in der EU. Niemand hat auf Besserwisser aus der Schweiz gewartet, eher schon auf die Schweiz als Zahlerin.
M.M. meint
Die Schweiz muss am Projekt der 500 Millionen übrigen Europäer nicht teilnehmen.
Ob es uns passt oder nicht, bei der EU handelt sich um einen stark integrierten Block, der bessere Karten hat, als ihm vielfach unterstellt wird.
Wer da mitmachen und auch profitieren will, muss a) zahlen und b) Regeln einhalten.
Der Schweiz ist es völlig freigestellt, mitzumachen oder auch nicht. Bis jetzt hat sie gesagt, sie will. Ergo muss sie sich anpassen.
Sollte sich das Volk unter der Führung der SVP für den Weg zurück ins Jahr 1972 entscheiden, dann ist das halt so. Ich denke in Europa würde man das zwar bedauern, aber so richtig kümmern würde das niemanden.
Aber was die wollen: sie sollen sich einfach mal entscheiden, die Eidgenossen. So oder so.
Die Schwäche der Schweiz ist seit der Masseneinwanderungsdiskussion, dass sie gegenüber der EU kein mehrheitsfähiges Konzept für ihre Verhandlungsposition mehr hat. Das war während den Verhandlungen über die Bilateralen anders.