Gestern wollte ich wieder mal eine leckere Platte Sushi als leichten Lunch geniessen. Das Wetter war danach. Das Wetter – oh Gott, ich zögerte. Wetter, Wind, Japan, Atomkraft, Sushi? Kann man jetzt noch unbedenklich Sushi essen?
Ich liess es bleiben.
Der spinnt, wird jetzt der geneigte Leser zurecht denken. Doch so etwa kommt mir die Hysterie vor, die bei uns herrscht, von wegen „atomarer Wolke“, die in den nächsten Tagen aus Japan über uns hinweg ziehen wird. Die Leute kaufen Geigerzähler und Jodtabletten.
Da nützt es nichts, dass der Mann von der Behörde am Radio beteuert, die Belastung liege tausend mal tiefer als der Grenzwert.
„Radio“, „Mann“, „Behörde“, „Belastung“, „Grenzwert“ – das ist ein Mix von Begriffen, die höchste Skepsis auslöst.
Vielleicht muss man mal daran erinnern, mit welcher Strahlenbelastung meine Generation gross geworden ist. Ich gestehe, ich war selbst überrascht, als ich das bei Wikipedia gelesen habe.
Bislang wurden weltweit etwa 2000 Kernwaffentests durchgeführt (davon 1030 durch die USA, 715 durch die Sowjetunion, wobei eine Sprengkraft von etwa 34.000 Hiroshima-Bomben freigesetzt wurde. Insgesamt wurden 622 Nuklearexplosionen in der Atmosphäre durchgeführt.
1962 war mit 180 oberirdisch gezündeten Atombomben das Rekordjahr. Die letzten 22 oberirdischen Testbomben brachte 1980 China zur Explosion. Die Reststrahlung all dieser Tests lassen sich noch immer nachweisen.
Die Strahlenbelastung wurde rund um den Globus derart hoch, dass sich die Grossmächte darauf einigten, fortan nur noch unterirdische „Tests“ durchzuführen.
Vielleicht muss man auch daran erinnern, dass die Gefahr eines Atomkrieges und damit die Gefahr einer atomaren Verseuchung Europas von 1950 an bis zum Fall der Berliner Mauer eine ständige Begleiterin war. Diese Gefahr war um einiges realer und grösser als ein Unfall in einem AKW.
Meine Generation hat den ganz Strahlenmist ohne Schaden überlebt, hat auch 1962 Freilandsalat aus dem eigenen Garten gegessen und frische Kuhmilch getrunken und im Herbst Pilze und Beeren gesammelt. Gemessen an der Belastung durch die Atomtests in den 50er und 60er Jahren war Tschernobyl ein Klacks. Und Fukushima ist nicht mal ein Pups.
PS: Selbstverständlich ist auch mir klar, dass die Bevölkerung in unmittelbarer Umgebung von Tschernobyl, Fukushima und den Atomtestgeländen völlig anders betroffen war und ist, als wir in Mitteleuropa.
M.M. meint
Nein, meine Kinder sind keine Jammerlappen.
Mein Thema ist: Man sollte eine neue Sau, die durchs Dorf getrieben wird, als neue Sau erkennen und nicht als Lindwurm.
Bruder Bernhard meint
Es ist mir nicht klar, warum auf diesem Blog hier diese penetrante Verharmlosungsstrategie gefahren wird. Widerspruchsgeist? Oder die Gnade des fortgeschrittenen Alters, welche die Ängste Jüngerer offenbar lächerlich aussehen lassen?
Eine gewisse Logik in der Argumentation wäre trotzdem angebracht. Was genau soll das aussagen, dass Sie im Kalten Krieg in den 60ern eine realere Verstrahlungsgefahr überlebt hätten? Dass die heutigen Generationen allesamt Weicheier seien, Jammerlappen? Sollen doch mal nicht so tun wegen den paar AKW in und um die Schweiz?