Wir gratulieren den Sozialdemokraten.
Unwillig.
Weil sie im Gegensatz zu den Bürgerlichen in den neuen politischen Verhältnissen des Landkantons Tritt gefasst haben. Und weil sie «im bürgerlichen Kanton Baselland» (Selbsteinschätzung) Abstimmungen gewinnen können, wie sie am Wochenende eindrucksvoll bewiesen haben.
Frau Schweizer, die Frau, die in absehbarer Zeit Frau Oberholzer Leutenegger im Nationalrat ablösen wird, ist in wenigen Wochen zur Oppositionsführerin gereift.
Die Angst der Bürgerlichen vor der eigenen Courage ist schon vor Wochen von der Personalkommission in Sachen Lohnsenkung beim Staatspersonal blossgelegt worden: Nur mit einem Stichentscheid konnte der Kommissionspräsident eine Blamage verhindern und die Sparmassnahme durchsetzen.
Neun der vierzehn Kommissionsmitglieder sind Bürgerliche.
Der Gipfel des bürgerlichen Lavierens wurde jedoch letzte Woche erreicht: Vier SP-Postulate für «preisgünstige» Wohnungen, darunter die geradezu absurde Forderung nach einem Impulsprogramm für billige Wohnungen für junge Leute, fanden im bürgerlich dominierten Landrat komfortable Mehrheiten.
Bleibt deshalb die Frage, wann die Bürgerlichen endlich kapieren, dass der Wahlkampf vorbei ist, dass sie auf Umsetzungsmodus umschalten müssen. Wir möchten jetzt und nicht irgendwann sehen, wie sie das verwirklichen, was sie während der langen Monate der Unverbindlichkeit verkündet haben: ein griffiges Staatskostenmanagement, den Abbau der Bürokratie, Dezimierung des strukturellen Defizits, eine Wirtschaftsoffensive, weniger Bildungsausgaben bei steigender Qualität, eine nachhaltige Spitalpolitik.
Seit dem 1. Juli herrschen im Landkanton klare Verhältnisse. Nichts Linkes, so der grosse Wahljubel, wird fortan den Lauf der Dinge stören. Jetzt, im November, scheint es so, dass die glorreiche bürgerliche Zeit partout nicht anbrechen will. Da wird von der Büza-Regierung rumgezaudert, als leide sie unter einem linken Phantomschmerz. Statt «rasch mehrheitsfähige Lösungen zu präsentieren», wie sie im Wahlkampf angekündigt hat, gibt eine kleinlaut gewordene Madame Bildungsdirektorin die Losung «Marschhalt» aus. Und steht auch «dafür entschlossen ein» (Wahlkampfsprech).
Auch Finanzminister Lauber übertreibt es nicht mit dem Nachdenken.
Das von der bürgerlichen Regierung im Juli vorgestellte Sparpaket ist weitgehend Makulatur. Sparen bei U-Abo – wird an der Urne entschieden. Abbau beim ÖV – die Gemeinden wehren sich. Sparen bei der Uni – wird im Grossen Rat entschieden. Spitalpolitik – wird mit Bruderholz-Initiative attackiert. Sparen beim Personal – wird vor Gericht entschieden. Herr Weber ist abgetaucht und Frau Pegoraro seit Sonntag für den Rest ihrer Regierungszeit «a lame duck».
Die Uhr tickt.
Den Bürgerlichen bleibt noch gut ein Jahr, um die Notwendigkeit der bürgerlichen Dominanz in Regierung und Parlament unter Beweis zu stellen. Wenn sie nicht endlich in die Gänge kommen – die Regierung mit einer offensiven Kommunikation und die bürgerlichen Fraktionen mit erkennbaren politischen Ideen – dann ist es so klar wie Arlesheimer Brunnenwasser, dass nach einer nächsten Vakanz die SP wieder in der Regierung sitzt.
PS: Die mit 74 Prozent Nein-Stimmen gescheiterte Initiative für «Familienergänzende Kinderbetreuung im Frühbereich» stammte aus der Küche der FDP. Frau Parteipräsidentin Frey war am Sonntag unüberhörbar sprachlos.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 11. November 2015
Redbüll meint
wird wieder mal zeit zu bemerken, dass geschinzel und gemeury die anwendung des leitsatzes, getretener quark wird breit und nicht stark, berücksichtigen sollte.
Blacky meint
Lieber M.M.
Es war doch früher schon so, dass einige SP-ler — nein, nicht klüger — weniger dumm waren als die „Bürgerlichen“ (sogar in Arlesheim). Übrigens: ich freue mich auf den Dies Academicus, weil sie aus Hölschte nicht dabei ist.
Marc Schinzel meint
Ist diese ganz besondere Art persönlicher Vorfreude ein Kind des akademisch toleranten, humanistischen Geistes, wie sie die Alma Mater Basiliensis seit Jahrhunderten pflegt?
Marc Schinzel meint
Ich will dem männlichen Geist nicht Unrecht tun: … wie i h n die Alma Mater …
Grummel meint
Warum so veschnupft? Die «Bürgerlichen» tun, was sie immer taten: Ihren Fähigkeiten entsprechend «Vollgas» geben.
Da kommt miir der «Cablecom»-Spot in den Sinn: Aussen «Muscle-Car», innen «Döschwoo».
Aber deswegen gleich die «Wiederauferstehung der Sozialdemokratie» an die Wand zum malen? Man kann wirklich alles übertreiben.
Marc Schinzel meint
Ich sehe es – nicht erstaunlich- etwas anders. Volksabstimmungen und Gerichtsentscheide gehören zu unserem System. Mit diesen Korrektiven lebt jede Regierung, ob links oder rechts. Das ist auch gut so. Die neue BL-Regierung und der neu zusammengesetzte Landrat haben ihre Arbeit vor nicht allzu langer Zeit (de iure 1. Juli, de facto Mitte August dieses Jahres) aufgenommen. Einzelne Sparmassnahmen wurden bereits verabschiedet (Lohnreduktion). Weitere werden folgen. Die Regierung ist in Sachen UNI auch nicht grad untätig gewesen und hat mit BS die 80-Millionen-Vereinbarung ausgehandelt. Eine sinnvolle regionale Gesundheitspolitik, darin sind wir uns wohl einig, braucht eine solide Vorbereitung und lässt sich nun einmal nicht übers Kreuz brechen. Auch hier sind vielversprechende Konzepte angedacht. Ich habe lieber RR, von denen ich eine Zeit lang nichts höre, weil sie off the records ihre Arbeit machen als solche, die mit grossem Medientamtam einen Schnellschuss nach dem anderen in die Welt setzen.
M.M. meint
Das Kerngeschäft eines Politikers ist Kommunikation. Wem es nicht gelingt, wie beispielsweise Ihrer Regierungsrätin, die Menschen zu überzeugen, betreibt ein nutzloses politisches Geschäft. Überzeugende Kommunikation hat nichts mit Medientamtam zu tun. Aber Sie haben insofern recht: Die im Sommer verkündete Sparpaket war ein Schnellschuss.
Meury Christoph meint
Solange die rein bürgerliche Regierung mit der Sparkeule rumfuchteln konnte und die Drohungen flächendeckend Angst und Schrecken verbreiteten, war das Regierungskollektiv stark. Jetzt müssten aber Taten folgen und dies nicht zu knapp und nicht nur in Form von Sparpaketen. Die Damen und Herren müssten Konzepte & Projekte auflegen, welche auch neue Einnahmen generieren und die Finanzen in absehbarer Zeit tatsächlich wieder ins Lot bringen würden. Handfestes. Wo bleiben die Resultate der Wirtschafts- und Standortförderung? Spitalpolitik? Aber nein, RR Monica Gschwind hat stellvertretend die bürgerliche Parole vorgegeben: «Marschhalt». Die Regierung hat beschlossen kollektiv die Probleme auszusitzen und wartet auf weitere Manna-Wunder und gedanklichen Support aus Basel. Ganz kleinlaut sind die Herren Isaac Reber und Thomas Weber geworden. Da versteckt sich einer hinter dem anderen. RR Pegoraro redet sich um Kopf und Kragen und RR Anton Lauber sieht imaginäre Silberstreifen am Horizont & hat sich ganz dem Prinzip Hoffnung verschrieben. Ist das der neue bürgerliche Aufbruch? Ist das die bürgerliche Zukunft?
Henry-de-Bâle meint
Jaja, Meury.
Genial, wie Sie MMs Gedanken den tumben Lesern verständlich machen.
Nacherzählungen. Waren in der Primarschule eine Tugend.
Werden irgendwann zum Laster. Und damit lästig.
Also: Herzlichen Dank für Ihre Worthülsen!
Schaumschläger allüberall. Nicht nur in der Politik…
Meury Christoph meint
Ihr Votum in Ehren, aber dadurch wird die Welt auch nicht besser.
Als Oberlehrer haben sie sicher Vorschläge der Marke ‚Eigenbau‘. Ich bin ganz Ohr.