Manchmal habe ich das Gefühl, in einem Jacques Tati-Film mitzuspielen, der im Arleser Bedli gedreht wird.
Monsieur Hulot ist eine meiner Lieblingsfiguren.
Man versucht ja anfangs Saison die anderen einfach zu ignorieren. Ja es ist gar so, dass man eigentlich leicht verärgert ist, dass die überhaupt da sind. Wobei man sich bewusst ist, dass wenn man jetzt ganz alleine hier wäre, man sich fragen würde, wo die anderen denn geblieben sind.
Haben wir etwa etwas verpasst?
Wenn die Badesasison fortschreitet, stellt man fest, dass es zweierlei Besucher im Arlesheimer Bedli gibt.
Da sind zum einen diejenigen, die eine tragende Rolle spielen – Sammelbegriff: Die Arlesheimer: Die beiden Freundinnen, denen der Gesprächsstoff nie ausgeht, die elegante ältere Dame, die mit ihrem Strohhut, knallrot lackierten Fingernägeln und üppiger Sonnenbrille durchs Wasser stampft, der Mann, der alle und jeden in ein ausuferndes Gespräch verwickelt, die beiden Endfünfziger, die, so scheint es, jeden Abend um diese Zeit das Wasser bezwingen wollen, die Gruppe Tätowierter, die Stunden lang schwatzend an einem Tisch sitzt und raucht, das Rentnerehepaar, das schon frühmorgens ins Wasser steigt, der ins Alter gekommene Gigolo mit seinen langen, fast weissen Haaren, die Mutter, die an ihrem Tischchen sitzt und liest – aber eigentlich ihre Kinder überwacht, der Glatzköpfige, der vor Jahren buddistischer Mönch wurde, der selbst nach eigenem Dafürhalten gutaussehende Lokalpolitiker, die Tischreihe mit den Türken – Verwandte und Freunde des Beizers, das sportgestählte Ehepaar mit ihren fünf Kindern.
Die anderen sind lediglich Statisten – Sammelbegriff: die Reinacher – welche die Lücken füllen. Und zum Ärger der Arlesheimer öfters auch den rechten Teil des Schwimmbeckens, wo sich die Gemütlichschwimmer das Wasser teilen.
Und dann sind da noch sie und ich. Unser Auftritt ist jeden Abend so um sechs Uhr.
Wir setzen uns an einen der runden Tische, trinken, bevor wir ins Wasser steigen, eine Tasse Kaffee.
Anschliessend gehen wir die paar Stufen runter zum Pool.
Ich schwimme immer nur eine Länge, weil mir Schwimmen überhaupt nichts sagt. Dann setze ich mich an den Beckenrand und schaue den Leuten beim Schwimmen zu. Nach zehn Minuten – so sieht es meine Rolle vor – setze ich mich drüben beim Sprungturm auf einen der grossen Steinblöcke.
Damit auch mein Rücken etwas von der Sonne abbekommt.
Inzwischen hat sie ihre paar Längen zurückgelegt und wir kehren zu unserem Tischchen zurück.
Manchmal kommt zuerst das Schwimmen und dann der Kaffee.
Wir reden was, lesen was. Geniessen die abendliche Stimmung des in die Tage gekommenen Sommers.
Ansonsten passiert hier jeden Abend – nichts.
Mönchsrobbe meint
Wieder einmal ein Beitrag, der an die unaufgeblasene Deng-Zeit erinnert. Tempi ultrapassati. Nur noch dies: beim Lokalpolitiker würde ich ’selbst‘ weglassen. Sie wissen schon, das vermaledeite Eymannsyndrom (jenseits vom Gipfel, doch Selbsttäuschungsfirmware auf dem neuesten Stand). Und: Ihr Lokal-Lama, der Neo-Mönch, war einst Bademeister in Ihrem Bädli. Typisch für die Arleser, nur ein Buddha ist denen gut genug für’s Chlorieren.