Wenn man als interessierter Zuschauer das Hearing des US-Senats-Untersuchungsausschusses live verfolgt und sieht, wie die Geschäftsführung einer Schweizer Bank vob einem amerikanischen Parlamentsausschuss gegrillt wird, man vom Chairman hört, dass die USA ihre Machtstellung nutzen sollen, um an alle Informationen heranzukommen, welche die USA wünschen, wer also live erlebt, wie sich niemand am schweizerischen Bankgeheimnis die Zähne ausbeisst, sondern dessen letzten Reste gerade geschliffen geschleift werden, dass selbst der CEO der Credit Suisse dieses am liebsten schon morgen gegen US-amerikanische Regeln ersetzt sähe.
Herr Dougan, der CEO der Credit Suisse, ist schliesslich US-Staatsbürger.
Wenn man all dies live mitverfolgen kann und dann noch nebenher die aktuelle Berichterstattung aus Strassburg mitbekommt und die letzte Meldung aus Brüssel liest, dann muss man sich schon fragen, wie bescheuert eine ganz bestimmte politische Klasse sein muss, nämlich die von und um Herrn Blocher herum, um unter dem Jubel der aktiengekauften Presse, eine zweite Kriegsfront mit der Europäischen Union zu eröffnen.
In eingebildeter Not.
Und man fragt sich, wie realitätsfremd es sich diese geistigen Bergler in diesem Land eingerichtet haben, um zu behaupten, es werde schon alles gut werden, weil – in Umkehr der heutigen Cohn-Bendit-Worte – sowohl die USA als auch die Europäische Union eines Tages auf den Knien kriechend nach Bern kommen werden.
C.P. meint
Bescheuert? Nach der Lektüre des Editorials der heutigen WW scheint mir eher „irrwitzig“ angebracht. Zu Gunsten Köppels kommt für mich als „echter“ Verfasser dieses Irrwitzes nur der „grosse-kleine-Alte“ ernsthaft in Frage?
Cornelis Bockemühl meint
Manche sagen, Singapur sei die Schweiz Asiens. Blocher&Co wollen doch das Umgekehrte: aus der Schweiz eine Art Singapur Europas machen! Mit einer kleinen und steinreichen Quasi-Regierungs-Clique (z.B. Blocher&Co: nein, dazu muss man sicher nicht im Bundesrat sitzen!), einem brav applaudierenden Volk (man muss es nur emotional richtig „lenken“!), bedient von einem Heer von Niedriglohn-Arbeitern aus den Nachbarländern – jederzeit retournierbar wenn nicht mehr benötigt.
Gewirtschaftet wird dann dadurch dass man sich passende Schlupflöcher und Sonderfälle sucht und ausnutzt. Das „Bankgeheimnis“ ist zwar jetzt leider futsch, aber da wird sich schon wieder was finden – solange man nicht allzu sehr in europäische Abkommen eingebunden ist, an die man sich dann gar auch noch halten soll: was für eine unverschämte Zumutung! Praktisch ist es auch, wenn man z.B. Arbeitnehmer, die man nicht mehr braucht, in Nachbarländer abschieben kann: das schont die Sozialwerke (und man „verkauft“ das indem man den Leuten erzählt, diese Ausländer kämen hierher nur als „Sozialschmarotzer“: Man muss ja nicht dazu sagen, wie viele es wirklich konkret so oder so sind!). Usw. Geht alles solange man sich den Nachbarn gegenüber zu nichts verpflichtet hat.
Die MEI ist ja jetzt also durch – weil die Leute glaubten, es ginge dabei um die Reduktion der „Masseneinwanderung“ (siehe: „emotional richtig lenken“). Der gewünschte Effekt beginnt sich einzustellen: das Abbröckeln sämtlicher Verträge mit der EU. Die ausländischen Arbeitskräfte werden natürlich nicht reduziert werden, denn „diejenigen, die wir brauchen, werden wir holen, die anderen nicht“ (Zitat Blocher). Und „wir“ brauchen natürlich Billig-Arbeitskräfte (kommt halt drauf an wer „wir“ ist – sicher nicht „du und ich“!)
Und was soll daran „bescheuert“ sein? Die zynische Rechnung ist doch so weit voll aufgegangen!?
Ich glaube ja auch dass der Kampf um das Zukunftsmodell der Schweiz jetzt erst beginnt:
– Entweder das „Singapur Europas“ (à la Blocher&Co, wie oben charakterisiert),
– oder ein Land das sich als Teil von Mitteleuropa versteht (und z.B. auch seine Nachbarn manchmal ein wenig ernst nimmt und nicht nur als Idioten – bestenfalls nützliche – verkaufen will).
gotte meint
und wie blöd sind wir hier in unserer region, wenn wir allen ernstes eine oberbaselbieter mentalität von einer unterbaselbieter identität unterscheiden wollen.
contefosco meint
Daniel Cohn-Bendit hat noch etwas Schlaues gesagt: Die Schweiz hat das Recht selber zu bestimmen! Und sie hat auch das Recht, die Verantwortung und die Konsequenzen dafür selber zu tragen.
Markus Saurer meint
Ich zähle mich da sehr gerne zu den Bescheuerten. Aber ich mag diesen Totalitarismus der USA und diese Selbstüberschätzung der sklerotischen EU nicht stützen. Einen Rausschmiss der Schweiz bei Horizon 2020 betrachte ich sogar als Chance. Dieses Programm umfasst Gegenstände, in denen kein vernünftiger Ökonom einen Bedarf an staatlicher Forschung erkennen würde. Schon in Lissabon hat die EU deklariert, bis 2000 (!) zur weltweit kompetitivsten Jurisdiktion zu werden. Sie ist kläglich gescheitert und wird 2020 noch kläglicher gescheitert sein.
G. Koller meint
A propos „Totalitarismus der USA“:
Der Punkt ist doch der, dass die Schweizer Banken vermögenden US-Amerikanern aktiv und, nota bene, auf amerikanischem Boden geholfen haben, die US-Steuergesetze zu umgehen und zu brechen.
Die Wiedergutmachung und Sühnung dieses Gesetzesbruches aus US-Sicht besteht darin, einerseits die amerikanischen Steuersünder nachträglich zur Kasse zu bitten und andererseits die Anstifter, nämlich die CH-Banken, zur Rechenschaft zu ziehen, dh mit Geldbussen zu bestrafen, was auf den Einzug der mit den illegal akquirierten amerikanischen Vermögen erzielten Gewinne hinausläuft.
Die CH-Banken könnten sich vielleicht nur dann auf CH-Recht, dh auf die spezielle, in der Schweiz gültige Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug berufen, wenn sie sich komplett auf eine „on-shore“-Geschäftstätigkeit beschränkt hätten und auf eine gewinnbringende Teilnahme an den internationalen Finanzmärkten verzichten würden.
Daraus folgt: Die Schweizer Regierung wird nicht darum herumkommen, verschiedene übergeordnete OR-Gesetzesbestimmungen an die internationalen Standards anzupassen und die bauernschlauen, helvetischen Spezialregelungen zu kassieren, wenn sie nicht in Kauf nehmen will, dass wichtige Wirtschaftszweige von internationalen Märkten ausgeschlossen werden, – was ja nun gerade für die CH-Banken ein ganz schlechtes Geschäft wäre.
Es geht letztlich nicht um einen „vorauseilenden Gehorsam“ der Schweiz gegenüber der USA und Europa, sondern um eine progressive und positive Teilnahme an einer Strategie des globalen Miteinanders.
lilith meint
Geschleift nicht geschliffen!
http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-abc-geschleift-geschliffen-a-315190.html