In Arlesheim spielt sich derzeit hinter den Kulissen eine Groteske ab. Grund dafür liegt darin, dass das Wohlstandsdorf gleich bei Basel sich schon seit Langem auf dem Weg zum grünen Utopia befindet, mit Gemeindekomposthaufen, Tempo 20, naturnahem Schwimmbad und Pflästersteinromantik. (Finde ich ja alles toll, keine Frage.)
Und in keinem Schulhaus W-Lan-Empfang.
Der Gemeinderat hat vor Jahren beschlossen, dass in öffentlichen Gebäuden kein Wireless Lan eingerichtet werden darf.
Denn so ein W-Lan strahlt ja und alles was strahlt, macht krank.
Im Gemeinderat wird derzeit intensiv darüber nachgedacht, wie man denn dieses W-Lan-Verbot wieder aufheben könnte. Auslöser ist das nach ein paar Briefen besorgter Schwimmbadbesucher abgeschaltete Funknetz des Bademeisters. Der Gemeinderat in neuer Zusammensetzung hat das Schwimmbad-Lan auf die Traktandenliste gesetzt.
Dies, nachdem der Gemeinderat in einer seiner ersten Sitzungen entschieden hat, dass für sein Sitzungszimmer W-Lan eingerichtet wird.
Denn, Eiderdaus: Der W-Lan-Sender des Kantons im Gerichtsgebäude vis-à-vis ist genügend stark, dass sich die neuen Gemeinderäte via Landratspasswort ins Kantonsnetz einwählen konnten.
Das gab dann den WiFi-Gegnern im Gemeinderat doch zu denken, waren sie doch, ohne es zu wissen, schon seit Jahren den schädlichen Strahlen des Kantons ausgesetzt.
(Hier darf jetzt gelacht werden. Danke.)
Das ist die Realität: Wenn ich mich in unser Home-Netz einwähle, dann zeigt mir das Dashboard meines iPad noch zwei weitere Netze an, die meiner Nachbarn.
Weil so ein politisches Gremium in jeder Frage gleich eine Grundsatzfrage erkennt, darf der Badmeister im Arlesheimer Schwimmbad seinen WiFi-Sender auch diesen Sommer wohl nicht ans Modem anschliessen, (zeitlicher Aufwand: zwei Sekunden).
Denn wenn man das Schwimmbad verseucht anschliesst, dann stellt sich doch sofort die Frage, ob man das W-Lan-Verbot für öffentliche Gebäude nicht überhaupt aufheben kann, muss.
Und die zu beantworten braucht auch in Arlese seine Zeit.
Dass diese Diskussion ich weiss nicht wie lange noch geführt wird, ist die eigentliche Groteske. Denn Arlesheim verbaut mit diesem Verbot die Zukunft ihrer Kinder.
Ich habe gestern in einem Weiterbildungskurs für eine Fricktaler Primarschule die Lehrpersonen, wie das jetzt heisst, in die neue digitale Welt eingeführt. Der für alle anregende Nachmittag endete damit, dass wir ein Programm skizziert haben, wie man die Schülerinnen und Schüler dieser Primarschule in die neue Zeit, die bereits angebrochen ist, einführen kann.
Meine Ausgangsthese: Niemand weiss, wie die Welt im Jahr 2022 aussehen wird, wenn die in diesem Jahr eingeschulten Kinder ihre neun obligatorischen Schuljahre hinter sich gebracht haben.
Niemand weiss heute, welches Wissen und Fähigkeiten dannzumal gefragt sind für Berufe, die heute nicht mal als Idee existieren. Doch eines ist gewiss: Ein mobiles Gerät für den ständigen Onlineempfang wird zu ihrem selbstverständlichen Begleiter gehören.
Darauf müssen wir unsere Kinder, Pardon – Enkel, vorbereiten.
Im Kanton Solothurn, wo ihre beiden Söhne die Kantonsschule besuchen, hat eine der Lehrerinnen gesagt, hätten sie im letzten Jahr an alle Schüler ein iPad abgegeben. Seither gebe es keine Bücher mehr. (Die Investition habe sich schon im ersten Jahr bezahlt gemacht.)
Da hatte ich bis anhin noch nicht gehört, denn ich habe die Einführung von Tablets in den Schulen erst für die nächsten drei, vier Jahre vorausgesagt.
Zurück zu Arlesheim: Selbstverständlich kann der Gemeinderat jetzt noch ein paar weitere Wochen oder gar Monate darüber diskutieren, ob nun das W-Lan-Verbot fallen soll oder nicht.
Doch ein zeitgemässer Unterricht, der die nächste Generation auf das Leben für die kommenden 20er-Jahre vorbereiten soll, ist ohne W-Lan und Tablets im Unterricht nicht mehr machbar.
Wobei es gar nicht um die Technik allein geht, sondern darum, den Kindern auch neue Werte zu vermitteln, wie: Fehler machen, ist gut (so funktioniert Silicon Valley), Teamarbeit und teilen ist gut (Dropbox), Ideen veröffentlichen ist gut (Blogs).
Ich habe gestern Nachmittag versucht, rüberzubringen, dass man sich dabei nicht auf die Gefahren konzentrieren soll, sondern auf die Chancen.
Wir wollen ja nicht, dass die Kinder der heutigen 40-Jährigen mit deren Skepsis gegenüber dem Internet und den damit verbundenen neuen Möglichkeiten – sprich den Bedrohungen und Gefährdungen – die Schule verlassen.
Dabei ist ein W-Lan einzurichten und an alle Kinder Tablets verteilen, ist nur der Anfang.
Die Kinder sollten so selbstverständlich Programmieren lernen wie Lesen und Schreiben, sagt Mitch Resnick vom MIT Media Lab’s „Lifelong Kindergarten Group“ in seinem TED-Vortrag:
Co Bo meint
Ist ja alles ganz gut und richtig – nur nicht die Grundvoraussetzung: Niemals, und zwar egal wie viele WLANs wir verbieten oder einrichten, werden wir unsere Kinder oder Enkel von irgendeiner Online-Zukunft abschneiden – das ist alles völlig irrelevant! Denn, wie Sie wohl richtig sagen, diese Zukunft kommt ganz von alleine, ohne unser Zutun. Nicht durch die Schule!
Und selbst wenn die Arlesheimer Kinder durch dieses Verbot tatsächlich ein paar Monate oder gar Jahre später mit diesen Dingen konfrontiert werden (was ich nicht glaube!) dann hätten sie davon eh nur Vorteile – weil sie die Sache dann ein klein wenig bewusster angehen. Würden – denn ich glaube wie gesagt nicht dass es überhaupt so ist!
Vielleicht ist der einzige (und ja auch nicht so schlechte) Effekt könnte noch der sein dass ein paar Schüler etwas weniger unter dem Schulbank herumsurfen – und dafür im Französisch ein wenig mehr kapieren…
Blacky meint
Doch, lieber M.M., diese bösen Strahlen machen wirklich dumm. Beweis: Der Arleser Gemeinderat ist ihnen seit einiger Zeit – wenn auch ohne sein Wissen – ausgesetzt. Und schon ist er so saudumm!
Markus Eigenmann meint
Ich kann Dich beruhigen, lieber Manfred, ganz so schlimm ist die Lage im Domdorf nicht:
– Kindergarten und Primarschule verfügen über eines der bestdotierten Informatikkonzepte im Kanton.
– Alle Klassenzimmer (und auch die Kindergärten) sind ans Internet angeschlossen und sind mit mehreren Computern ausgestattet.
– Für die Feinverteilung verfügen die Klassenzimmer über einen WLAN-Router (!!!), womit auch die Verwendung von Tablets und anderen mobilen Geräten möglich ist.
– Der künftige Einsatz von Tablets im Unterricht wird bereits heute in der Schule diskutiert.
– Einen Gemeinderatsbeschluss, der im Grundsatz die Ausrüstung von öffentlichen Gebäuden mit WLAN untersagt, kenne ich nicht. Eine entsprechende Praxis existiert ebenfalls nicht – davon kann sich z.B. jeder, der vor dem neuen Feuerwehrmagazin steht und auf sein mobiles Gerät schaut, selber überzeugen.
Du siehst, von Zukunftverbauen kann keine Rede sein. Und die Frage des WLANs im Schwimmbi stellt sich erst Mitte Mai (Saisoneröffnung) – lass Dich überraschen!
M.M. meint
Lieber Markus, das ist ein interessanter Hinweis. Denn bis anhin lautete die Begründung, dass im Schwimbi das Wifi vor einem Jahr abgedreht wurde, es gebe einen Beschluss des Gemeinderates, wonach es in öffentlichen Gebäuden ein Wifi-Verbot herrsche, vonwegen Strahlen und so. Das sei die Grundlage für den Entscheid nach den Einsprachen gewesen, weil das Schwimbi ein “öffentliches Gebäude” sei. Haben wir übrigens so auch schon beredet.
Wobei das im Schwimbi erst recht ein Witz ist, denn in Sichtweite befindet sich eine Natelantennenanlage.
Ich lasse mich also mit Freuden überraschen.
PS: Herr Eigenmann ist der fürs Schwimbi und die Schulen zuständige Gemeinderat.
Gerbi meint
Ach, interessant, es gibt ein „tolles Konzept“, das tönt irgendwie bürokratisch und abgehoben. Kann man sich mit einem Konzept ins WLAN einloggen? Die Badegäste und die Schüler sind sicher begeistert, dass es ein „tolles Konzept“ gibt. Ich glaube aber eher, dass Ihnen mit WLAN mehr gedient wäre.
Markus Eigenmann meint
@Gerbi: Wahrscheinlich ist es gar nicht so falsch, dass man sich ein paar grundsätzliche Überlegungen macht und diese auch niederschreibt, bevor man jährlich gut CHF 100’000 Steuergelder für Informatikmittel und deren Support bereitstellt. Dies nennt man dann ein Konzept. Entscheidender ist dann – da bin ich mit Ihnen einig – die Umsetzung, und die ist an Kindergarten & Primarschule Arlesheim bis anhin recht gut gelungen.
Gerbi meint
Wenn etwas absolut klar ist, dann kann man es direkt umsetzen. Da braucht es keine teuren bürokratischen Konzepte. Und die Frage, ob es WLAN braucht oder nicht, ist absolut klar. Da muss man gar nicht diskutieren und lange Konzepte ausbrüten.
Das Resultat ist nun so: 100’000 für WLAN (= heutzutage selbstverständlich) plus 20’000 für das Konzept. Der Steuerzahler zahlt nun 120’000 Fr. Wäre doch billiger ohne das Konzept??
Markus Eigenmann meint
Sie sollten Politiker werden, wir könnten umgehend die Steuern senken!
M.M. meint
Nachtrag: Eben meinen Sohn gefragt, wie es sich denn mit dem Gehrenmattschulhaus verhalte. Er hat dort kürzlich Mathe an einer Progym-Klasse unterrichtet. Antwort: Kein Wifi im Schulhaus.
Die Auskunft von wegen Wifi-Bann in öffentlichen Gebäuden stammt übrigens nicht nur vom Bademeister sondern auch vom Gemeindepräsi, Ort des Gesprächs: Schwimbi.
Markus Eigenmann meint
Das mit der Progym-Klasse wird wahrscheinlich am desolaten Zustand der Kantonsfinanzen liegen (die Sekundarschule wird in Baselland zu 100% durch den Kanton finanziert und verantwortet). Ob es für die kantonalen Schulen auch ein „tolles Konzept“ gibt, weiss ich nicht.
Zum angeblichen Wifi-Bann: Einen diesbezüglichen Gemeinderatsbeschluss konnte ich wie erwähnt bis anhin nicht ausfindig machen. Und sollte es dennoch mal einen solchen gegeben haben, zeigt die Praxis in den Gemeindebauten, dass er schon längst obsolet ist.
merlinx meint
Der Bericht über die Schwierigkeiten bei der Einführung einer zeitgemässen „Hoch-Frequenz-Kommunikation“ in den Bereichen der öffentlichen Verwaltung, Erziehung und Freizeit ernüchtert und ermutigt gleichermassen, wie sollte es anders sein, jedenfalls ist Ihre „Hebammen-Tätigkeit“ da beindruckend.
Nachts allein im dunklen Wald unterwegs zu sein, macht den Meisten Angst, das ist natürlich, aber man kann sich begleiten lassen und ein Licht mitnehmen. Nicht mehr der Blick durch die Wipfel zum Sternenhimmel gibt uns Orientierung, sondern das smartphone mit seiner Satellitverbindung …
Es ist bekannt, dass gerade besagte Gegend ein Zufluchtsort traditioneller Geisterbeschwörer ist, schon der Graf Cagliostro hat sich da rumgetrieben, vor zweihundert Jahren.
Nun, ich meine damit nicht, das der ganze Komplex an altem Wissen, die daraus abgeleiteten Rezepte, und die herkömmlichen Memotechniken für unsere Kultur ganz entbehrlich sind. Ohne Zweifel, für viele immer noch sehr anziehend, vor allem wenn sie einem „ballenbergartigen“ Setting praktiziert werden können, bestimmen sie unsern Alltag mehr als uns bewusst und lieb ist, – da nehme ich mich ab und zu nicht aus.
Das sollte aber die Erkenntnis nicht verhindern, dass in vielen Fällen durch die veränderten Lebensbedingungen die Deutungshoheit, was die richtige Wahl der Mittel betrifft, und die Autorität (oder wem’s lieber ist die Empfehlung) in ethisch-moralischer Belangen zumindest in Frage gestellt, wenn nicht sogar inakzeptabel geworden sind.
Es scheint den Leuten einfach noch nicht bewusst zu sein, dass letztendlich ihre Freiheit und Autonomie auf dem Spiel steht, und die ihrer Kinder sowieso, wenn sie den Zug verpassen, und nicht begreifen, dass eben gerade die neuen Werkzeuge zur Erhaltung dieser Werte entscheidend sein werden. Der schöne Begriff AUFKLÄRUNG ist wieder aktueller denn je.
h.s. meint
Arlesheim ist da in Baselland aber die Ausnahme. In die Klasse meiner Tochter (5. Primar) sind 2 hypermoderne Computer im Einsatz für 20 Kinder. Die haben neben ein 5.25 Zoll Diskettenlaufwerk jetzt auch ein 3.5 Zoll Diskettenlaufwerk. Ein superschnelle 486 CPU ist den Herz dieser Computerrevolution.
Firedome meint
…dann handelt es sich sicher um ausrangierte Geräte einer Privatperson oder deiner Firma. Dies weil niemand Geld für Bits und Bytes bereitgestellt hat. Ich kenne Schulen wo das so ist – heute auch mit Beamern…