Ein früherer Journalistenkollege hat mich gefragt, was ich von der BVB-Affäre halte. Seine These:
Die BVB sind Opfer einer unmöglichen Struktur mit einer pseudo-unternehmerischen Freiheit, nicht zuletzt aber auch ein Opfer eines Stellvertreterkriegs insbesondere der BaZ gegen Regierungsrat Wessel und des Zwangs der andern lokalen Medien, auf diesen Zug aufzuspringen.
Dass die GPK nicht professionell arbeitet, ist system-immanent; „unabhängig“ kann ein politisches Organ in einer Zeit des Populismus-Populismus sowieso nicht sein.
Kann man so sehen, ist aber in Schienen gedacht.
Weil daraus folgen würde: BaZ weg, Wessels weg, neuer Direktor rein, alles gut.
Ich sehe das so: Wir erleben das Ende des Lebenszyklus eines Verkehrssystems.
Weshalb die wie bei einer Fussballmannschaft noch X-mal den Chef auswechseln können und überhaupt auch ohne Wessels – die Situation wird sich nicht mehr verbessern.
Weil in der Stadt die Zukunft dem Individualverkehr gehört.
Aber anders, als die Bürgerlichen auf der einen Seite und die Links-Grünen auf der anderen in ihren Schützengräben meinen.
Während die einen um jeden einzelnen Parkplatz kämpfen, behaupten die anderen noch immer, im Kollektivtransport auf der Schiene (und im Bus) liege die Zukunft des Nahverkehrs.
Bullshit.
Denn was vor sieben Jahren, als die BVB die grösste aller Trambestellungen seit Bestehen des Unternehmens platzierten, noch niemand auf dem Radarschirm hatte, war die Renaissance des Individualverkehrs.
Doch nicht mit jener mit Autos, nicht mal mit selbstfahrenden, sondern der mit E-Bikes unterschiedlichster Typen.
Was die Nutzer wissen: Ein E-Bike ist mehr als ein Velo mit Elektromotor.
Ein E-Bike ist ein leistungsstarkes Individualverkehrsmittel, das in der Stadt und in der Aglo in Sachen Tempo es mit jedem Auto aufnimmt und das schienengebundene Tram so alt aussehen lässt, wie es tatsächlich ist: eingeführt am 6. Mai 1895.
Verkehrssysteme kollabieren dann, wenn ihre Anhänger und Verfechter meinen, sie soweit entwickelt haben, dass sie beinahe ihren Idealvorstellungen entsprechen.
Kennen wir doch vom Autoverkehr.
Doch wie das Beispiel BVB zeigt, kann man die modernsten Trams anschaffen und den Fahrplan bis zum Gehtnichtmehr optimieren: Plötzlich wollen die Leute nicht mehr.
Woraus folgt: Die BVB in der heutigen Form ist nicht mehr zu retten, höchstens noch für ein paar Jahre über die Runde zu bringen.
Ich meine, wer braucht denn noch das Tram für den Innenstadtverkehr?
Achtung, zweite steile These: Dass das System in seine Endphase einschwenkt, kann man auch am Unzufriedenheitsbarometer der Mitarbeiter ablesen.
Die haben doch jetzt mit den Bombardier-Trams einen absolut State-of-the-art-Arbeitsplatz, einen also, von dem eine frühere Generation von Schüttelbechertramführern nicht mal träumen konnten, weil er weit jenseits ihrer damaligen Vorstellungskraft liegt.
Überdies verdienen BVB-Trämmler gutes Geld, also mehr als die Kollegen von der BLT. Sie haben jede Menge Ferien und einen sicheren Job.
Und trotzdem sind sie „Unzufrieden mit der Gesamtsituation“ (Zitatfetzen aus „Der Schuh des Manitu“).
Ergo sollte man die Befragungswerte mehr als Selbstzweifel am eigenen Tun und weniger als ein Mangel an Streicheleinheiten durch die Direktion interpretieren.
Der Tramverkehr mitten durch die Stadt – das kann nicht funktionieren. Was man selbst als Laie mit blossem Auge sieht. Es fahren zuviele Trams in einem zu kurzen Takt durchs Zentrum.
Das stresst alle: Fussgänger, Trampassagiere und das Personal.
Klammer: Warum muss der 14er zum Beispiel quer durch die Stadt? Der könnte am Aeschenplatz wenden. Klammer zu.
Das wäre doch jetzt mal ein Thema für die Bürgerlichen: Den Individualverkehr in Basel völlig neu zu denken – mit dem E-Bike und selbstfahrenden Autos im Zentrum der Überlegungen.
Die ersten Gewerbler steigen ja bereits um und bis die ersten autonomen Fahrzeuge in Basel unterwegs sind, ist nur noch eine Frage der Zeit.
Stellt euch also doch mal vor, die Tramtrassen zum Barfi, (dort wo einer auf der Traminsel lebt), zum Marktplatz, über die Rheinbrücke zum Claraplatz werden zu Bikeklines (zeitgemäss ist immer Englisch) umgestaltet.
Keine Trams mehr im Zentrum.
Für die, die nicht mehr so gut zu Fuss sind oder einen Anschluss an die Tramlinien raus aus der Stadt wollen, steigen in kleinere Elektrobusse um, autonomfahrende Elektrobusse zu den jeweiligen Haltestellen.
Es gibt Entwicklungen, die lassen sich nicht aufhalten.
Henry Berger meint
Basler Verhältnisse auf Zürich „heruntergebrochen“: Zürich-Oerlikon ist bereits in einem anderen Kanton und wird von Uster aus regiert.
Hätte sich der Grossraum Zürich dann auch so entwickelt, wie er sich heute zeigt?
isaac reber meint
das vermute ich in der tat auch – dass das e-bike verkehrsmässig einiges auf den kopf stellen wird.
paule meint
Der einzige, der die BVB retten könnte, ist Büttiker. Der könnte den Laden nach einer Fusion in Ordnung bringen. Aber dafür sind wohl die politischen Hürden zu hoch.
Franz meint
Nach dem Zoo und dem FCB die dritte heilige Kuh auf der Schlachtbank.
Das war längst fällig.
Und es gibt immer noch genug altersschwache Kühe in dieser Stadt…
Aber nur kurz zur BVB: subito jede zweite Haltestelle in Basel einstampfen.
… es fährt nicht jeder Rollator.
Henry Berger meint
Mit dem Aufheben von Haltestellen bin ich ganz bei Ihnen. Wieso macht man hier nicht mal einen Versuch und schaut, was das für Auswirkungen hätte?
Wie viele Jahre hat man sich auf den Lorbeeren des U-Abos ausgeruht? Das Tram ist grundsätzlich schon O.K. aber im Raum Basel (immerhin eine Agglomeration mit rund 800’000 Einwohnern) fehlt eine Gesamtplanung (auch hier wieder lässt die Kantonstrennung grüssen). M.E. schreit z.B. die Linie 17 ins Leimental geradezu nach einer anderen Lösung als einer Tramlinie – solche Sachen wie der „Margarethenstich“ sind doch nur etwas Kosmetik….