Herrn Engelberger, Basels neuem Gesundheitsdirektor, wird nachgesagt, der CVP-Mann sei eine Fotokopie seines Vorgängers Carlo Conti. Wie dieser ist er politisch geschmeidig, rhetorisch agil, höflich-unverbindlich nach allen Seiten. Und dossiersicher. Doch da ist dieser Unterschied: Drängte es den späten Conti zur Schauspielkunst, ist der frühe Engelberger ein Rampenlichtverweigerer. Er wirkt bescheiden, hört zu und formuliert wohlgesetzte Sätze, ohne allzu konkret zu werden. Basels neuer Gesundheitsdirektor ist ein Politiker, wie man ihn sich hierzulande wünscht.
Keine Fotokopie, eine Blaupause.
Nüchtern betrachtet: Herr Engelberger braucht zwei Jahre, bis er weiss, wie das System mit all seinen vielschichtigen Interdependenzen funktioniert. Überdies stehen 2016 Wahlen an, wo der CVP-Regierungsrat sich ein nächstes Mal dem Votum der Wähler stellen muss. Was so viel bedeutet, als dass der Mann erst ab 2017 gestaltend ins System eingreifen kann.
Ich bin ein Optimist. Deshalb stelle ich mir vor, dass hier ein Regierungsrat heranreifen könnte, der sich der für die Region Basel existenziellen Herausforderung stellen wird: der Zukunft der Humanmedizin. Zwar ist Herr Engelberger auch noch der oberste «Gesundheitsschützer» des Kantons, aber politisch entscheidend für die Region ist seine Rolle als Verantwortlicher für die planerisch-strategische Ausrichtung des Universitätsspitals und damit der medizinischen Forschung und Lehre. Zusammen mit den beiden global führenden Life-Sciences-Unternehmen herrscht in Basel ein interdisziplinäres Forschungsumfeld, das den Vergleich mit Boston oder Shanghai nicht scheuen muss.
Und trotzdem ist dieser Forschungsplatz bedroht. Nicht so sehr von der Konkurrenz im Ausland, sondern durch die im Inland. Genf, Lausanne, Bern und Zürich heissen die Gegner. Und die Privatklinik Hirslanden, welche nicht mit Exzellenz, sondern mit Luxus den Baslern die Herzchirurgie streitig macht. Minus zwölf Prozent in diesem Jahr – das geht ans Eingemachte.
Will Basel, will die Region mithalten, muss man auf zwei Feldern zulegen: bei der Strategie und in der Politik.
Klar doch, Carlo Conti hat auch die nationale Bühne hervorragend bespielt. Doch war das Ergebnis seiner unzähligen Medienauftritte unter dem Strich zumindest diskutabel. Auf der lokalen Bühne gefiel er sich in den letzten Amtsjahren darin, wortreiche Versprechungen abzuliefern, von denen er wusste, dass er sie nie wird einhalten müssen. Weil die Baselbieter nicht im Traum daran dachten, nach seiner Flöte zu tanzen. Doch ohne Patienten aus dem Baselbiet, aus dem benachbarten Ausland, droht dem Unispital der Niedergang.
Wer an der Spitze mithalten will, braucht ein Einzugsgebiet von mindestens einer Million Einwohnern.
Die politische Konstellation für die praktische Umsetzung gemeinsamer Interessen war noch selten so günstig. Die Fusionsfrage ist geklärt und mit Lukas Engelberger in der Stadt und Thomas Weber auf dem Land sind zwei unaufgeregte Charaktere im Amt. Und beiden bleiben noch genügend Regierungsjahre, um gemeinsam dicke Bretter zu bohren. Sollten sie die Chance packen, könnten sie in ein paar Jahren ihren Nachfolgern ein Jahrhundertwerk übergeben.
Die beiden sollten nächstes Frühjahr zu einer gemeinsamen Bergtour aufbrechen. Weil die Chemie, wie wir in Basel wissen, matchentscheidend ist.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 19. November 2014.
Meury Christoph meint
«Wer an der Spitze mithalten will, braucht ein Einzugsgebiet von mindestens einer Million Einwohnern.» Diese Vorgabe gilt vermutlich nicht nur bei der Gesundheitsvorsorge und Spitalplanung, sondern generell als Denkdimension zur Entwicklung unserer Region. Wir neigen dazu Basel-Stadt und die Agglomeration immer zu klein zu denken. Basel als beschauliches Provinzstädtchen mit 196’141 Einwohnerinnen und Einwohnern. Entsprechend konzipieren wir die Verkehrsflüsse, die Stadt- und Agglomerationsentwicklung, die Wohnbaupolitik, die Wirtschaftsförderung, usw.
Auch wenn wir es im Alltag nicht wahrhaben wollen, wir wohnen bereits in einer Grossregion mit rund 500’000 Einwohnerinnen und Einwohnern.