Bei uns hielten wir es schon immer so, dass am 24. weder das Christkind noch der Weihnachtsmann die Geschenke bringt. Sondern wir schenken uns gegenseitig etwas. So halten wir das jetzt auch bei unseren Enkeln.
Ich konnte mir schon damals, als ich noch selbst ein Kind war, schlicht nicht vorstellen, wie das Christkind die neue Eisenbahnanlage durchs offene Fenster hat tragen können. Selbst als auch in unseren Breitengraden das Christkind als Geschenkonkel durch den amerikanischen Weihnachtsmann verdrängt wurde – der hat wenigstens einen Schlitten und kräftige Rentiere –, erschloss sich uns nicht der Sinn, weshalb wir unsere Kinder mit einer solch duseligen Geschichte für dumm verkaufen sollten. Zumal die Geschichte mit dem Weihnachtsmann in Konkurrenz zum Santichlaus stand. Wir hatten auch dann noch einen Santichlaus mit Schmutzli und Esel (!), als die Kinder schon ziemlich erwachsen waren.
Womit wir bei Weihnachten wären und der Frage, ob man überhaupt als Nichtchrist, nach alter Auffassung als Heide, dieses Fest feiern soll, ja feiern darf.
Wenn man die Definition von Weihnachten auf Wikipedia liest, könnte man nämlich schon zur Auffassung gelangen, da handle es sich um ein exklusives Fest für Christen: «Weihnachten, auch Weihnacht, Christfest oder Heiliger Christ genannt, ist das Fest der Geburt Jesu Christi. Festtag ist der 25. Dezember, der Christtag, auch Hochfest der Geburt des Herrn, dessen Feierlichkeiten am Vorabend, dem Heiligen Abend (auch Heiligabend, Heilige Nacht, Christnacht, Weihnachtsabend), beginnen.»
Doch beim Licht des Weihnachtsbaums betrachtet, müssen wir Heiden festhalten, dass es die Christen waren, die unser Brauchtum einst übernommen haben.
Noch bevor der Nazarener in unseren Breitengraden überhaupt bekannt war, feierten Alemannen, Germanen und Römer und viele andere am Tag der Wintersonnenwende ein Lichterfest. Weil heidnischen Ursprungs, wurden diese Sonnenwendfeste von der kirchlichen Obrigkeit über lange Zeit verboten. Vergebens. Frei nach dem Motto «If you can’t beat them, join them» wurde nach ein paar Jahren des Banns die Sonnenwendfeier in den Reigen der christlichen Feste aufgenommen. Dass Jesus zufälligerweise am 25. Dezember geboren wurde, hat sicher geholfen. Das Datum ist als kirchlicher Feiertag seit 336 neuer Zeitrechnung belegt.
Nun ist es natürlich schon so, dass für Nichtchristen die Geschichte mit dem Stern von Bethlehem und dem Jesuskind in der Krippe genauso wenig eine Rolle spielt wie der Makkabäeraufstand, der zur Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels führte, was die Juden um die Weihnachtszeit herum mit dem Lichterfest Chanukka feiern. Was uns hingegen alle vereint, ist die Vorstellung von Weihnachten als einem Fest, das man im Kreis der Familie feiert. Seit unsere Kinder eigene Familien haben, nehmen wir das mit dem 24. allerdings nicht mehr so genau. Wir treffen uns recht entspannt jeweils ein paar Tage danach.
All das gesagt, passt mir die Idee mit der Lichtfeier für die Wintersonnenwende eigentlich recht gut ins Konzept.
Denn sind die LED-Lichterketten erst mal weggeräumt, werden auch die Tage wieder länger. Und wir sehnen die ersten Frühlingstage mit viel Sonne herbei. Das mit der Hoffnung für die Welt und so war noch nie mein Ding. Den Part haben dieses Jahr Gilbert Gress und die Migros übernommen.
In diesem Sinn wünsche ich der geneigten Leserschaft von Herzen schöne Festtage.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 23. Dezember 2015
Gregor Stotz meint
Ich wünsche allen Legasthenikern rohe Freinachten
https://www.youtube.com/watch?v=pRnQYQlHG5Q
Urs P. Haller meint
Großstadt-Weihnachten
Nun senkt sich wieder auf die heim’schen Fluren
die Weihenacht! die Weihenacht!
Was die Mamas bepackt nach Hause fuhren,
wir kriegens jetzo freundlich dargebracht.
Der Asphalt glitscht. Kann Emil das gebrauchen?
Die Braut kramt schämig in dem Portemonnaie.
Sie schenkt ihm, teils zum Schmuck und teils zum Rauchen,
den Aschenbecher aus Emalch glase.
Das Christkind kommt! Wir jungen Leute lauschen
auf einen stillen heiligen Grammophon.
Das Christkind kommt und ist bereit zu tauschen
den Schlips, die Puppe und das Lexikohn.
Und sitzt der wackre Bürger bei den Seinen,
voll Karpfen, still im Stuhl, um halber zehn,
dann ist er mit sich selbst zufrieden und im reinen:
„Ach ja, son Christfest is doch ooch janz scheen!“
Und frohgelaunt spricht er vom ‚Weihnachtswetter‘,
mag es nun regnen oder mag es schnein.
Jovial und schmauchend liest er seine Morgenblätter,
die trächtig sind von süßen Plauderein.
So trifft denn nur auf eitel Gück hienieden
in dieser Residenz Christkindleins Flug?
Mein Gott, sie mimen eben Weihnachtsfrieden …
»Wir spielen alle. Wer es weiß, ist klug.«
Kurt Tucholsky (unter dem Pseudonym Theobald Tiger), erschienen in »Die Schaubühne« vom 25.12.1913
Stimmt eigentlich auch nach 100 Jahren noch, oder etwa nicht?
Lukas Zingg meint
Meines Wissens kommt der 25. Dezember vom Mithraskult. Der Mithras hatte nämlich am 25. Dezember Geburtstag (https://de.wikipedia.org/wiki/Mithraismus_und_Christentum), während die Sonnenwende schon am 21./22. Dezember ist. Ob sie sich als „Heide“ mehr mit dem Mithraskult als mit dem Christentum identifizieren können, wage ich indes zu bezweifeln.