Ich gebe es zu: Wir heizen mit Gas. Was ja inzwischen sowas von des Teufels ist.
Weil Gasheizer nicht mehr nur das Klima versauen, sondern jetzt auch noch Putins Krieg in der Ukraine finanzieren.
Nur ist es halt so, dass es in unserem Fall – faktengestützt – keine Alternative gibt.
Immerhin kochen wir mit Strom.
Seit unser Anbieter nur noch Ökosaft liefert, sind wir zumindest kulinarisch (und individualverkehrsmässig) auf der richtigen Seite.
Dennoch.
Es ist schon seit Jahrzehnten völlig unbestritten, dass die Energieabhängigkeit Europas und der Schweiz einen politischen Preis hat.
Wobei der aussenpolitische Preis in der Schweizer Wohlfühloase ebenso lang den gierigen Amerikanern angehängt werden konnte, die bekanntlich immer mal wieder im Mittleren Osten eine Revolution oder einen Krieg ums Öl anzettelten.
Schande den US-amerikanischen Kapitalistenschweine!
So geläutert, füllten die Wohlstndsschweizer reinen Gewissens den Öltank im Keller und den Benzintank ihrer Karre.
Und jetzt also das Russengas, das man blöderweise nicht mehr den Amis anhängen kann.
Der deutsche Wirtschaftsminister reist (auch für uns) in die Golfstaaten und sucht nach Ersatz.
Auch in Katar.
Bitte, liefert uns Gas, wir tschutten im Dezember dann auch ohne einen Mucks zu sagen, von wegen Menschenrechte und so!
Wir nehmen auch das Frackeng-Gas der Amerikaner – Hauptsache weg von Putin.
Aussenpolitischen Verwerfungen sind verkraftbar, wie die lange Geschichte unserer Ölabhängigkeit zeigt.
Die Gefahr für uns alle lauert im Inland.
Wobei man als Europäer unter Inland die europäischen Staatengemeinschaft versteht.
Die Geschichte der europäischen Radikalen (links und rechts), die noch um einiges älter ist, als die mit der Ölsache, zeigt, dass soziale Unruhen der Treibsand für politische Systeme sind.
Ob Autokratie oder Demokratie spielt keine Rolle.
Die Wahlen von Frankreich haben gezeigt, wie inflationsgebeutelte Citoyens, denen auch sonst von Zahltag zu Zahltag nichts zum Verlieren übrig bleibt, radikalen Parolen folgen.
Das ist nicht Ausdruck von politischer Verblendung, sondern ist pure Verzweiflung, weil die Hoffnung weg ist, nach dieser Durststrecke werde es dann wieder obsi gehen.
Die Gilet jaunes-Bewegung hielten Frankreich einen ganzen Winter lang in Geiselhaft, weil Macron die Energiewende mit einer höheren Besteuerung fossiler Kraftstoffe finanzieren wollte.
Vor allem den billigen Diesel.
Sagen wir es also so: Die Forderung, subito weg vom Russengas, von den Fossilen überhaupt, scheint wieder so ein Marie Antoinette-Moment zu sein („Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.“):
Warum müssen sie denn mit Gas heizen und Dieselautos fahren, wenn es doch für alle Wind und Sonne gibt?
Vergessen wir mal die technischen Herausforderungen: Wer meint, der Abschied von den fossilen Brennstoffen könne ohne – möglicherweise dramatische – politische Verwerfungen über die europäische Bühne gehen, lebt im Wolkenkuckucksheim aka Schweiz.
gotte meint
die historische marie antoinette rief das einer hungerleidenden bevölkerung zu, die im elend lebte und das wort „chauffage“ ebensowenig buchstabieren konnte wie das wort „brioche“. eine heutige marie antoinette spricht vor kreuzfahrenden, suv-besitzenden, fliegenden, mehrfach katastrophenversicherten multiprofiteuren, die davor angst haben, dass die heizung im winter in der stube unter 20 grad fällt und man im cosy home nicht mehr im tischi rumspazieren kann. das ist ja das krasse – würde die schweiz nur schon die schamlose verschwendung *ETWAS* zurückfahren, wäre schon viel gewonnen. aber ja, nicht mal das wird ohne verwerfung gehen (stichwort „abzocke der landbevölkerung“ bei 12 rp (!) teurerem benzin: jetzt sind wir über 2 stutz und wer nicht im osterstau steckt, fliegt nach malle).
Peter Bellakovics meint
danke für die einordnung in den schweizerischen kontext und korrekten massstab! 🙂
Harry Stromer meint
Natürlich gäbe es Gas-Alternative:
Luft-Wärmepumpe (ohne Bohren) , machen jetzt „alle“ ( ca. 40’000.- )
Einfach so zur Info.
M.M. meint
Klar haben wir das fachmännisch abklären lassen. Ergebnis: Grundstück ist zu klein.
(Dachfläche übrigens auch, Haus Minergiesstandard.)
HM meint
Nicht so einfach. Hier im Kt. Zürich für ein Vierfamilienhaus Mindestanstand 12 Meter wegen Lärmschutz.
M.M. meint
Das war auch bei uns der Grund gegen Wärmepumpe – Lärm=>zu wenig Abstand zu den Nachbarn.