Ich verstehe die ganze Aufregung um das Gedicht von Herrn Grass nicht ganz. Er ist schon seit Jahrzehnten ein führender Intellektueller der Linken.
Herr Grass kommt mit seinem sogenannten Gedicht lediglich einmal mehr seiner Vor- und Begleitdenkerrolle nach.
Der neue Antisemitismus der Linken in Form des Pro-Palästinenser-Jubels und des Israel-Bashings ist doch schon längst salonfähig geworden.
Ein Herr Vischer, Nationalrat („Israel ist ein illegaler Atomstaat“), ein Herr Müller, auch Nationalrat, („Die Hamas versteht sich als soziale Bewegung“), die Olivenölrentnerinnen an ihrem Verkaufsstand beim Bankverein („Kauft nichts aus den besetzten Gebieten.“) – die liegen argumentativ doch exakt auf der Grass-Linie.
Wer empört sich denn darüber in den Feuilletons?
Zwischen den deutschen Genossen und den schweizerischen Israelgegnern gibt es lediglich einen Unterschied, letztere garnieren ihren Antizionismus linker Prägung noch mit dieser zynischen unsere-Väter-waren-nicht-am-Holocaust-beteiligt-Attidüde.
P. Herzog meint
Das Gedicht ist wohl ein Aufschrei und ein Unverständnis, dass Deutschland Kriegsmaterial an Israel liefert, und ein Aufschrei eines alten Mannes, der von Ängsten und Sorge geplagt ist (wird man im Alter weise, oder versteht man einfach die Welt nicht mehr – wir sind wohl noch zu jung, um das zu wissen), dass das unberechenbare Verhalten Iran’s Israel provozieren wird, einen militärischen Schlag auszuführen, welcher dann im Atomkrieg endet.
Ein legititmes Anliegen, eine berechtigte Angst, welche kaum mit Antisemitismus zu tun hat. Die Angst ist aber hoffentlich etwas übertrieben und senil, und das Problem mit dem Iran wird hoffentlich bald gelöst. Wir könnten doch alle auch ruhiger schlafen.
Fred David meint
@) Max: Das Problem im Nahen Osten sind weder Israel noch die Palästinenser noch der Iran. Das Problem sind die USA. Sie sind keine stabilisierende Macht in Nahost, sondern eine ewig Unruhe schürende, wenig Verständnis und Kenntnis für die Region mitbringende Vormacht. Sie benehmen sich wie ein pyromaner Feuerwehrmann.
Ihr Hauptinteresse ist das Erdöl, und dieses Interesse könnte sich verlagern, wenn die Tiefbohrungen in Alaska jenes gewaltige Ergebnis bringen, was die Amerikaner sich davon versprechen. Vieles deutet darauf hin. Dann wird Nahost für sie rasch an Interesse verlieren. Wir werden das noch erleben.
Vor der Gründung Israels gab es in der Region kaum Antisemitismus (in dieser „Disziplin“ waren wir Europäer führend), ebenso wenig im Osmanischen Reich, das die meisten heutigen arabischen Staaten umfasste. Bis heute gibt es in der Türkei keinen Antisemitismus, in Istanbul gibt es eine bedeutende jüfische Community.
Der heutige Antisemitismus in der Region ist in Wahrheit ein Anti-Amerikanismus. Israel wird als amerikanischer Vorposten wahrgenommen und ist es faktisch auch. So lange dies so ist, wird es keine Lösung geben.
Israel besitzt zu Recht Atomwaffen zum eigenen Schutz (allerdings ohne jede internationale Kontrolle). Es kann militärisch nicht mehr angegriffen werden. Das gleiche Recht sollte man – unter scharfer internationaler Kontrolle – dem Iran zugestehen (wie gesagt: zwischen Indien und Pakistan funktioniert diese Strategie des „Gleichgewicht des Schreckens“ bestens).
Das würde auch bedeuten, dass die Amerikaner sich weitgehend zurückziehen könnten. Das würde die Lage entscheidend entspannen. Dafür könnte die Rolle Chinas in der Region wachsen, das keine Imperialen Interessen verfolgt: sozusagen als Ueberwacher und Schiedsrichter. Die Chinesen sind der Sache sehr viel näher (siehe Afghanistan) als die fernen Amerikaner, die von dieser region wirklich keine Ahnung haben.
Man muss die Nahostfrage völlig neu überdenken, sonst wird man nie zu einer Lösung kommen. Israel muss erkennen, dass die Bereitschaft in der Welt rapid nachlässt, dieses ewige Gezänk mitzumachen, denn in diesem Umfeld gedeiht der internationale Terrorismus am besten.
Es muss zu einem Ende kommen, und zwar bald!
Immerhin: Solche Ueberlegungen und Diskussionen hat der Polteri Grass angeschoben. Ist doch was!
Fred David meint
Was ich noch nachtragen wollte: Auch der Türkei muss man in der Region eine wesentlich stärkere Rolle zugestehen. Das würde stabilisiernd wirken. Eines muss man doch nun wirklich erkennen: Die Länder des Nahen Ostens wollen aus ihrer wirtschaftlichen Misere endlich heraus (gerade auch die vigilanten Palästinenser!). Sie fürchten zu Recht, von der übrigen Entwicklung abgehängt zu wenden. Das schürt Aggressionen.
Dieses Grundgefühl des Abgehängtwerdens hat die Befreiungsbewegungen in der Region entscheidend beflügelt. Dort liegen die Chancen. Und übrigens: Das können rasch aufstrebende, riesige Märkte werden, die auch für Europa interessant sind. Die gegenseitigen Interessen müssen miteinander verwoben werden: Darin liegt die Lösung.
Lukas meint
Günter Grass sollte sich zu solchen Themen lieber nicht äussern. So behauptete er jahrzehntelang, während dem 2. Weltkrieg nur Flakhelfer gewesen zu sein. Dabei trat er 1944 der Waffen-SS bei. Erst als 2006 durch eine Öffnung der Archive sein Geheimnis gelüftet zu werden drohte, bekannte er sich, mit der Publizierung seiner Autobiographie „Häuten einer Zwiebel“ zu seiner Vergangenheit. Anscheinend konnte er sich vorher nicht mehr so recht daran erinnern…Dabei hatte doch Günter Grass den Politiker Kurt Georg Kiesinger jahrelang für dessen Nazi-Vergangenheit kritisiert. Ein Uni Dozent sagte in seiner Vorlesung dazu: „Dass er die Grösse die er von anderen erwartete selber nicht hatte!“
Hätte Günther Grass wirklich den Nobelpreis und weitere Auszeichnungen bekommen, wenn er sich schon früher zu seiner SS Vergangenheit bekannt hätte?
Die von Ihnen genannten Schweizer Politiker sind für mich auch fragwürdige Personen. Besonders wenn sie einerseits Slogans wie „Ich kaufe nie Israelische Produkte“ verbreiten und andererseits sich im Bundeshaus mit Hamas Vertretern treffen. Günter Grass taugt für mich wegen der Verleugnung seiner Vergangenheit nicht als moralische Instanz. Das die Presse ihn wegen seiner Israel Kritik in die Mangel nimmt, ist für mich deshalb mehr als verständlich und ich hoffe jetzt auch für Sie….
Andrea Müller meint
Manfred, kannst Du mir erklären, was genau antisemitisch ist an Grass‘ neustem Stück?
M.M. meint
Antisemitisch ist die Grundthese von Grass, die auf den Punkt gebracht lautet: Der Jude ist unser aller Unheil.
Politisch korrekt: delete „Jude“ paste „Israel“.
Und wenn der Pöbel sagt, „dass darf man wohl noch sagen dürfen“, meint Herr Grass „was gesagt werden muss.“
Fred David meint
Das ist doch kein Antisemitismus. Grass behauptet, dass Israel eine Atommacht ohne internationale Kontrolle ist.
Das Land hat die entsprechenden Verträge als einzige Atommacht ausser Nordkorea nie unterzeichnet. Das sind Tatsachen, die gern verschwiegen werden, Grass holt sie hervor. Na und?
Auch für Nordkorea sind übrigens die Atomwaffen der einzige Grund, um nicht angegriffen zu werden. Sollen die Nordkoreaner etwa China , Südkorea oder die USA bombardieren? Das ist doch alles Quatsch!
Dass Israel einen atomaren Erstschlag plane, wie Grass meint, halte ich allerdings auch für masslos übertrieben.
In andern Regionen setzte man auf das „Gleichgewicht des Schreckens“ – mit Erfolg: Indien und Pakistan als ewigen Rivalen erlaubte man den Besitz von Atomwaffen.
Iran könnte man das durchaus auch zugestehen, aber nur unter internationaler Kontrolle, um sicherzustellen, dass die Waffen nicht in Terroristenhände gelangen. Diese Kontrolle müsste dann auch Israel akzeptieren.
Das könnte sogar zur Stabilisierung der Region beitragen. Die Iraner,auch die Maulhelden, wissen doch genau,dass ein Atomangriff auf Israel die sofortige Selbstvernichtung zur Folge hätte.
Wenn der Iran eigene A-Waffen besitzt, kann er nicht angegriffen werden. Das ist der einzige Grund für Irans Atomprogramm – und das ist nachvollziehbar.
Auf die Angriffsoption wollen aber weder Israel noch die USA verzichten, um ihre Machtposition in der Region aufrecht zu erhalten. Das darf man doch sagen, ohne gleich als Antisemit diffamiert zu werden.
Man muss es ja nicht gleich als Lyrik – die ja in Wahrheit keine ist – um den Globus schicken. Das ist schon ein bisschen grössenwahnsinnig.
max meint
Ich versuche es Ihnen mal zu erklären. Kein Politiker Israels hat je irgendwelche feuchte Träume geäussert, den Iran von den Seiten der Geschichte zu tilgen. Israel hat nie mit einem atomaren Erstschlag gedroht. Israel hat noch nie einen Krieg begonnen. Israel war noch nie auf territorialen Gewinn aus. Und doch ist für Grass Israel die „Bedrohung für den Weltfrieden“?
Was muss denn gesagt werden, über Sri Lanka? Was muss denn gesagt werden über Darfur? Was muss denn gesagt werden über Ost-Timor? Was muss denn gesagt werden über Tschetschenien? Wenn das ja schon „die letzte Tinte“ war? Hat Grass da etwas vergessen? Schon wieder? Oder ist es ihm nicht so wichtig? Oder ist er vielleicht etwas (wie viele von uns) fixiert auf Israel? Wieso wird „Siedlungsbau“ in Ostjerusalem kritisiert, ohne dazu zu sagen, dass bis 1967 Juden in Ostjerusalem immer lebten, dass Jordanien nach der Besetzung Ostjerusalem judenfrei gemacht hat? Haben Sie das bei all den „Kritikern“ schon mal gehört?
Grass scheint es ebenfalls entfallen zu sein, dass der Iran(die „Maulhelden“) seit Jahr und Tag Israel angreift. Der Iran braucht sich dafür nicht die Hände schmutzig zu machen, dafür hat er die Hisbollah und die Hamas. Aber selbstverständlich ist es der Jude, der den Weltfrieden gefährdet.
Dass im Machtbereich der vom Iran finanzierten und gesteuerten Hamas kein Jude leben darf (nicht kein Israeli) hat Grass wahrscheinlich auch einfach vergessen. Blöd nur, dass er keine 60 Jahre mehr hat, bis er sich wieder erinnern könnte.
Und dann so ein „Gedicht“? Dass es literarisch aus dem letzten Loch pfeift, mag ja noch angehen. Ein weniger selbstgerechter Egomane hätte dem Gelalle wenigstens einfach Artikel gesagt. Und er hätte vielleicht erkannt, dass das nicht gesagt werden musste. Weil es von Antisemiten bereits tausendfach schon gesagt worden ist.
Urs P. Haller meint
Danke, werter Max. Voll auf den Punkt gebracht!
C.P. meint
Die Aufgeregtheit über die Schreibe von Grass, insbesondere in der Schweiz ist m.E. Bigotterie.
Köppel schreibt „was gesagt werden muss“ der Pöbel meint „dass man das wohl noch sagen und zeigen dürfe“: Die Roma kommen! Alle Roma sind Verbrecher.
Keine Empörung in der Schweiz. Rechtspopulistischer(extremer) Schrott gehört bei uns offenbar bereits zur geistigen Grundausstattung.
Da sind wir doch froh, gibts einen Grass über den wir uns zu recht und ganz rechtens mitempören dürfen. Fremdschämen sozusagen. Aber richtig.