Leute, machen wir uns nichts vor: Kaum jemand wird die 1889 Seiten des neuen Vertragswerks zwischen der Schweiz und der EU lesen – und die meisten, die abstimmen könnten, werden nicht einmal eine Zusammenfassung verstehen.
Das beginnt schon mit einem grundlegenden Missverständnis: Selbst in der Politik scheint unklar zu sein, worum es überhaupt geht. Diskutieren wir einen erweiterten Handelsvertrag? Oder ist es – subtiler, aber entscheidender – ein Integrationsvertrag, der den Weg in den EU-Binnenmarkt ebnet?
Die Antwort ist eindeutig: Es geht um Letzteres – das Abkommen schafft, wie von der Schweiz gewünscht, eine sektorielle Anbindung der Schweiz an den EU-Binnenmarkt mit dynamischer Rechtsübernahme und geregelter Streitbeilegung.
Und genau daraus folgt – im Gegensatz zu einem Handelsabkommen – die Pflicht zur dynamischen Rechtsübernahme: Die Schweiz muss künftige EU-Regeln übernehmen, zwar mit einem Beteiligungsrecht aber ohne mitentscheiden zu können.
Was ein Ja oder Nein zum Vertragswerk mit der EU für die Zukunft der Schweiz bedeutet, weiss niemand.
Alles, was dazu behauptet wird, ist Spekulation – bestenfalls plausibel, meist aber schlicht ins Blaue geraten. Aus einem einfachen Grund: Zukunft lässt sich nicht vorhersagen.
Von niemandem. Punkt.
Da das allen bewusst ist, die derzeit lautstark Stimmung machen, setzen sie auf das, was am einfachsten zu steuern ist: Emotionen.
Die lassen sich bekanntlich besser lenken als Argumente. Oder, weniger höflich gesagt: leichter manipulieren.
Weil wir die 1889 Seiten auch nicht lesen werden, machen wir das, was derzeit die allermeisten Politiker und mit wenigen Ausnahmen Journalisten tun: Stellen wir ChatGPT die beiden grundsätzlichen Fragen:
1. Welche Vorteile hat der Vertrag für die Schweiz?
Die am 16. Juni 2025 von der EU veröffentlichten neuen bilateralen Verträge mit der Schweiz bringen für die Schweiz mehrere potenzielle Vorteile mit sich. Hier eine Zusammenfassung der zentralen positiven Aspekte:
1. Sicherung des EU-Marktzugangs
• Stabilisierung und Weiterentwicklung der bestehenden Bilateralen: Der Vertrag sichert die Teilnahme der Schweiz am EU-Binnenmarkt in zentralen Bereichen wie Freizügigkeit, technischen Handelshemmnissen, Luftverkehr, Landverkehr, Landwirtschaft.
• Rechtssicherheit für Unternehmen: Die dynamische Rechtsübernahme garantiert, dass Schweizer Firmen weiterhin ungehinderten Zugang zum EU-Markt haben und nicht von regulatorischer Divergenz betroffen sind.2. Teilnahme an EU-Programmen
• Forschung & Bildung: Der Vertrag ebnet den Weg für eine rasche Wiederassoziierung an Horizon Europe, Erasmus+ und andere EU-Programme.
• Industrie- und Innovationsförderung: Schweizer Unternehmen und Hochschulen können wieder gleichberechtigt an EU-Forschungsprojekten teilnehmen.3. Streitbeilegung
• Gemeinsamer Schiedsmechanismus: Ein neuer Mechanismus zur Streitbeilegung erhöht die Rechtssicherheit, da Differenzen auf neutralem Weg beigelegt werden sollen – ohne direkte Unterordnung unter den Europäischen Gerichtshof, aber unter dessen indirekter Auslegungshoheit.4. Arbeitnehmerfreizügigkeit mit Flankenschutz
• Die Schweiz konnte zentrale Elemente ihres Lohnschutzsystems bewahren, was als innenpolitischer Erfolg gewertet wird (z. B. Weiterbestehen der Kontrollsysteme).5. Beteiligung am Strombinnenmarkt
• Energieversorgung: Der Vertrag ermöglicht Fortschritte bei einem Stromabkommen, das für die Versorgungssicherheit und Netzstabilität der Schweiz essenziell ist.
2. Und welche Nachteile hat das Abkommen?
Die neuen bilateralen Verträge bringen für die Schweiz auch einige Nachteile oder zumindest umstrittene Punkte mit sich. Hier sind die wichtigsten:
1. Dynamische Rechtsübernahme
Souveränitätsverlust: Die Schweiz verpflichtet sich, relevante EU-Rechtsentwicklungen fortlaufend zu übernehmen. Kritiker sehen darin einen schleichenden Verlust der demokratischen Selbstbestimmung.
Direkte Demokratie unter Druck: Volksentscheide könnten ausgehebelt werden, wenn sie im Widerspruch zu übernommenem EU-Recht stehen – etwa bei künftigen Initiativen zur Migration oder Arbeitsmarktregulierung.2. Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
Einseitige Auslegungshoheit: Bei Streitigkeiten über EU-Recht darf letztlich der EuGH interpretieren, was dieses Recht bedeutet – auch wenn der Entscheid formell vom Schiedsgericht gefällt wird.
De-facto-Oberaufsicht der EU: Kritiker sehen darin eine asymmetrische Machtverteilung.3. Lohnschutz – nur teilweise gesichert
Abstriche bei Flankierenden Massnahmen: Zwar bleiben gewisse Kontrollmechanismen erhalten, aber Fristen und Vorschriften müssen gelockert werden, was Gewerkschaften und Linke als Aushöhlung des Lohnschutzes kritisieren.4. Regulierungsdruck
Wenig Spielraum für eigene Lösungen: Künftig wird es für die Schweiz schwieriger, eigenständige (oft als „massgeschneidert“ bezeichnete) Lösungen außerhalb des EU-Rechtsrahmens zu entwickeln.
Kosten für Umsetzung: Anpassungen an EU-Vorgaben können zusätzlichen administrativen und finanziellen Aufwand für Behörden und Unternehmen bedeuten.5. Politische Polarisierung
Innenpolitisch heikel: Die Verträge dürften bei einer Volksabstimmung auf erheblichen Widerstand stossen – vor allem von SVP, Gewerkschaften und EU-skeptischen Kreisen. Gefahr einer zweiten „EWR-Abstimmung“: Erinnerungen an die Ablehnung 1992 könnten wachgerufen werden.
Und zuletzt noch: Welche Prognose kann man, Stand Juni 2025, über den Ausgang der Volksabstimmung machen?
Prognose (unsicher, aber tendenziell realistisch):
• Ja-Lager: Wirtschaft, Hochschulen, Mitteparteien (FDP, Mitte, GLP), Teile der SP.
• Nein-Lager: SVP, Gewerkschaften (wegen Lohnschutz), Teile der Linken und EU-Skeptiker.
Ausschlaggebend wird:
• Wie gut die Vorteile kommuniziert und die Souveränitätsbedenken entkräftet werden können.
• Ob es gelingt, die direkte Demokratie symbolisch und faktisch zu schützen.
Erfolgschance: 50–60 % Ja-Anteil bei geschickter Kampagne und klarer Kommunikation der Vorteile.
Scheitern möglich, wenn das Thema „Unterordnung unter EU-Recht“ emotional dominiert.
Daniel Flury meint
Lasst mich raten: Wer die 1889 Seiten nie liest, das sind die, die seit 1889 immer nein zu allem sagen.
Und bis jetzt gut davon gelebt haben. Wer das Rätsel löst, der bekommt von mir einen Pin. Ratet mal, wer damit mitverdient?
M.M. meint
Adolf?
Daniel Flury meint
Ogi? Nein.