Ich bin einmal mehr froh, dass unser politisches System ein direktdemokratisches ist. Weshalb bei uns Wahlen nicht dieses Einmal-in-Vierjahren-Ereignis ist und dazwischen bleibt einem nur noch die Wutbürgerversammlung.
Denn die 50-Prozent-plus-Mehrheit der Basler Sozialdemokraten erinnert an polnische oder gar ungarische Verhältnisse. Entscheidend für politische Ämter ist der in Hinterzimmern ausgetragene parteiinterne Kampf um Posten und Pöstchen.
Ist der ausgetragen, ist die Volkswahl nur noch eine Formalität.
Weshalb das Resultat von Frau Herzog von 37’230 Stimmen nicht einer besonderen Eigenschaften der Kandidatin zuzuschreiben ist – Beat Jans hätte genau so viele Stimmen geholt -, sondern den links-grünen Gegebenheiten im Stadtkanton.
(Anita Fetz hatte vor vier Jahren ein Prozent mehr Stimmen geholt, bei einem stärkeren bürgerlichen Umfeld.)
Dasselbe gilt für Frau Soland: Jede andere wäre mit einer ähnlich hohen Stimmenzahl gewählt worden.
Man kann ihr Abschneiden (und zuvor die Wahl von Frau Ackermann) so auf den Punkt bringen: In Basel ist der umstrittene Farner-Satz „Gebt mir eine Million, und ich mache aus jedem Kartoffelsack einen Bundesrat“, Realität geworden.
Einziger Unterschied: Ein Regierungsratssitz in Basel-Stadt kostet bedeutend weniger.
Das tröstet wohl nicht darüber hinweg, dass FDP und CVP am gestrigen Sonntag implodiert sind. Was die CVP anbelangt, Schwamm drüber. Sollte die Partei von der Bildfläche verschwinden, wird sie niemand vermissen.
Die FDP hingegen sieht sich vor die absurde Situation gestellt, dass sie mit Christoph Eymann erneut einen Nationalrat stellen kann, allerdings erst jeweils dann, wenn Eymann das Bundeshaus betritt und dort als der hinterste aller Hinterbänkler in FDP-Fraktion vor sich hin dämmert.
Ihr grösster Widersacher sind jedoch nicht die Linken und die LDP, sondern der Gewerbeverband.
Dessen Malama-Nachfolger ist ein Managertyp bar jeglichen politischen Talents, der genau deshalb glaubt, tagtäglich den Politzampano geben zu müssen.
Und damit dem Freisinn die politische Agenda diktiert, die von der „Auto, Sein oder Nichtsein-Frage“ beherrscht wird.
Das Resultat dieses widersinnigen Autotheaters: die FDP schrumpft auf 5.4 Prozent.
Weshalb der beste Beitrag des Gewerbeverbandes an die bürgerlichen Parteien, vor allem für die FDP, wäre, Herr Barell würde jetzt einfach mal ein Jahr lang die Klappe halten und sich um seine verbandsinternen Geschäfte kümmern.
Im Übrigen muss es jetzt im liberalen Lager endlich eine Bereinigung geben. Denn Fakt ist: Der Gewinn der Liberalen ist der Verlust der FDP.
Eine völlig absurde Situation.
Weil die Fusion der beiden Parteien derzeit undenkbar ist, muss man halt kreative Lösungen suchen.
Als Sofortmassnahme: Die FDP lädt Christoph Eymann („unser Nationalrat“) zu Sessionsrapporten ein und unterstreicht damit die schweizerische Realität der LDP.
Mittelfristig kann sich die Partei auflösen und die Mitglieder mehr oder weniger geschlossen zur LDP übertreten. Spätestens dann können sie das tun, wenn sich in einem Jahr die Sache mit Baschi Dürr im Regierungsrat erledigt hat.
Apropos Eymann: der ist seit gestern nur noch an old white man, der einer Frau den Sitz in Bern vorenthält.
Lange wird er das wohl nicht durchhalten können, seine Nachfolgerin ist auch schon 58.
PS: Noch ein Satz zur SVP – CVP und FDP würden jubeln, sie ständen bei deren 11.5 Prozent. Merke: Verlust ist nicht gleich Verlust.
gotte meint
die analyse von mm zur desolaten situation der basler bürgerlichen ist doch gar nicht so falsch. das parkplatz-gejammer, nett sekundiert von der baZ, zieht einfach nicht beim städtischen elektorat, im gegenteil: die leute profitieren ja davon, dass die BL-SUVs nicht die stadt vollstopfen. und noch eine note zur bürgerlichen kandidatin: es geht einfach nicht, dass man in der heissen phase des wahlkampfs für 2 wochen nach singapur abfliegt. die botschaft ist klar: wählt meine inserate, ich mache inzwischen ferien. – geht nicht, sorry.
M.M. meint
Na ja, spielt das eine Rolle? Hätte sie 10’000 Stimmen mehr gemacht?
Wohl kaum, weshalb also die Ferien sausen lassen?
Philipp Waibel meint
Für einen sich selbst bewundernden Nichtwähler nicht weiter erstaunlich: die Fehlerquote in den Prognosen. Kessler versus Urgese bringt Christ und Buser versus Stückelberger bringt Schenker. Zwei Frauen statt vier Männer. Dazu das Hohelied auf die Ferrari-Frau, die statt Wahlkampf Ferien in Singapur macht. Immer ganz knapp daneben, aber Hauptsache: scharf gegen alles. Ausser gegen sich selbst. Trotzdem hat der Wahlsenf zu wenig Fleisch am Knochen. Und so wird das Gericht zu matschigem Sauerkraut. Und dann noch dies: eine 5.5%-Partei mit zwei Vertretungen in der Regierung hätte dem Politbetrieb besser getan als vier Vertretungen mit 52.4%-Wähleranteil? Fazit: Früher war nicht alles besser. Der Messmer aber schon. Schade!
M.M. meint
Ich sehe das auch so wie Sie:: wenn in Basel künftig gewählt wird, dann sollen gefälligst nur Links-Grüne antreten.
Alle anderen Parteien sollen‘s bleiben lassen.
Polnische oder ungarische Verhältnisse halt.
Ironie aus.
Maurus Ebneter meint
Verkehrspolitisch gibt es keine Unterschiede zwischen FDP und LDP. Die Freisinnigen (und übrigens auch die SVP) schneiden im Stadtkanton so schlecht ab, weil es für bürgerliche Wähler, die mit den nationalen Parteien unzufrieden sind, eine herausragende Alternative gibt: die LDP.
Gewerbedirektor Barell vertritt die Interessen der KMU übrigens ausgezeichnet: Nur weil es eine Mehrheitsmeinung ist, muss man erzwungene Rotlicht-Staus nicht gut finden. Handel und Gewerbe in der Stadt sind auf die bequeme Erreichbarkeit angewiesen. Dazu gehört auch eine ausreichende Zahl an erschwinglichen Parkplätzen in vernünftiger Gehdistanz.
Henry Berger meint
Nein, man muss erzwungene Rotlicht-Staus nicht gut finden, man möchte als Wähler aber auch nicht das Gefühl haben, dass der Gewerbeverband und die FDP eine Verkehrspolitik betreiben, welche sich die 60er Jahre zurück wünscht, d.h. wenn möglich parkieren auf dem Münster-, Markt- und Barfüsserplatz, man möchte auch nicht immer und immer wieder die gleiche und falsche Begründung für das „Lädelisterben“ in der Stadt hören (wir kaufen praktisch nichts online, berücksichtigen wenn möglich Geschäfte in Basel und schaffen dass aber auch ohne Auto, das bleibt in der Garage) – kurz, man möchte als Wähler zwar eine nicht das Auto verteufelnde Politik, aber trotzdem eben eine moderne Verkehrspolitik vernehmen.
Fabian Baumann meint
Was genau will uns dieser Kommentar sagen? Dass die BaslerInnen Stimmvieh sind, weil sie nicht so stimmen, wie MM es gerne hätte? Oder einfach einmal mehr, dass MM alles besser weiss und alles besser könnte?
(PS: Der Herzog-Fetz-Vergleich ist sinnlos, da es damals keine ernsthafte Gegenkandidatin gab.)
M.M. meint
Wenn Sie es so hören wollen: Stimmvieh, satt gemästetes.
Und ja, ich fände es besser, wenn Frau Gautschi gewählt worden wäre. Das hätte dem Politikbetrieb sehr gut getan.
Denn genauso wenig, wie ich eine 52,4 Prozent SVP-Dominanz möchte, ist mir eben diese als geballte linke Ladung der SP-Listenverbindungsmonsters PP, SP, GB, JGB, JUSOF*, JUSOM*, GB-DA, IP ein Graus.
Arlesheimreloadedfan meint
Jetzt sind Sie aber arg weinerlich,Herr Messmer.
Die Bürgerlichen waren einfach nichts wert.
Gerade die GLP hat in Basel gut gearbeitet und wurde nun auch belohnt.
Die arrogante Basler FDP kann sich mal an denen ein Beispiel nehmen.
Ihr Herr Kessler,darf seinem gelernten Beruf nachgehen,das bringt der Umwelt am meisten.
Fabian Baumann meint
Oder könnte es vielleicht auch sein, dass sich ein Grossteil der Basler Bevölkerung von Rotgrün ganz gut vertreten fühlt? Nein! Das kann nicht sein! Das darf nicht sein!
Henry Berger meint
…stimme Ihnen vollständig zu, egal welche Partei, eine zu lange dominierende Stellung fördert ungesunde Entwicklungen – CVP im Wallis, DC in Italien, mittlerweile SVP im Kanton Schwyz etc.