„Die Schweizer Politik ist nicht langweilig, sondern stabil.“ hielt kürzlich Claude Longchamp, pensionierter Grossmeister aller Umfragen, auf X fest.
Er hat insofern recht, als die Schweizer sich von Wahlen nichts anderes versprechen, als Stabilität.
Weil sie meinen, der tieferliegende Sinn von Demokratie sei ewige Stabilität.
Nur keine Veränderung, bloss keine Experimente, bloss kein Streit um Positionen.
Doch was ist, wenn „Stabilität“ – der gemeinsame Nenner aller Parteien – bloss politischer Neusprech für „Stillstand“ ist?
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Merke: Stillstand ist dann, wenn man nicht mehr handelt, sondern getrieben wird.
Von „Umständen“.
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Gut 55 Prozent der Stimmberechtigten, so die stabilen Wahlwerte der letzten Jahrzehnte, halten es mit Bartleby dem Schreiber, wenn sie den Wahlzettel ausfüllen sollen: „Ich würde vorziehen, das nicht zu tun“.
Auch an dieser Konstanten des schweizerischen Politikbetriebs wird sich diesen Oktober nichts ändern.
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Wenn ich von mir auf alle anderen schliesse, dann wird die 23er-Beteiligung gar unter derjenigen von 2019 (55.1%) liegen und auf Ergebnis von 1995 zusteuern, auf 42.2%.
Warum?
Weil es unter dem Strich um nichts geht.
Ausser eben um Stabilität.
Zwei Sitze zusätzlich für die einen, zwei weniger für die anderen – das ist in der Schweiz ein „Wahlerfolg“.
Zehntelprozentpunkte machen hierzulande Sieger.
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Man könnte aus diesen Sätzen schliessen, ich dächte, es müsse mal ein Ruck durchs Land. Lasst mal eine Partei so richtig gewinnen oder verändert die Zusammensetzung des Bundesrats.
Oder tut sonst was Verrücktes.
Gott bewahre.
Das politische Bern (und das Volk) wäre einer wie-auch-immer-Veränderung der bestehenden Verhältnisse nicht gewachsen.
Das gäbe ein derartiges Durcheinander im Lande, dass nicht nur wir, sondern auch die ganze Welt irritiert wäre.
Deshalb ist es so: Wer wählen geht, hält die Schweizer Demokratie an Laufen. Wer es hingegen vorzieht, „das nicht zu tun“, sorgt für stabile Verhältnisse.