Gestern beim Bier: Die beiden Jungs meinten, dem Basler Wahlkampf mangle es an Sexappeal.
Beide werden Frau Keller wählen.
Sagen sie.
Nicht etwa, schoben sie sofort nach, weil sie jung und aufgestellt sei, was ja ein erfreulicher Kontrast zu Frau Ackermann darstelle.
Nein, sie würden sie wählen, weil die Frau von der GLP ausser Zweifel die nötige Qualifikation fürs Regierungsamt mitbringe.
Die Jungs haben recht, dem Basler Wahlkampf fehlt es an Sexappeal, an politischem Sexappeal.
Vergessen wir also, was ich bisher geschrieben habe und was die Medien so geschrieben haben.
Schauen wir uns die Ausgangslage für die Oktoberwahl deshalb aus einer anderen Perspektive an.
Dann sieht das so aus, wie noch nie zuvor: 54 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts im Kanton Basel-Stadt – fünf Jahre früher als auf eidgenössischer Ebene – haben es die Basler Wähler*innen in der Hand, eine Frauenmehrheit in die Regierung zu wählen.
Das Resultat könnte also am 25. Oktober so lauten: Gewählt sind: Elisabeth Ackermann, Grüne; Esther Keller, GLP; Stepanie Eymann, LDP; Tanja Soland, SP; Conradin Cramer, LDP; Beat Jans, SP; Kaspar Sutter, SP.
Die derzeitige (Macho)-Konstellation ist darauf angelegt, genau das zu verhindern.
Denn die (bürgerlichen) Parteien reden den Wähler*innen schon seit Wochen ein, bei dieser Wahl gehe es in erster Linie um das Regierungspräsidium.
Für den Rest ist das Fell des Bären bereits verteilt.
Damit ist die Welt (der Männer) in Ordung: Drei Frauen balgen sich um jenen Regierungsjob, den keiner der Jungs haben möchte.
Die sollen es doch untereinander richten, die Frauen.
Wenn’s halt nicht klappt und Ackermann bleibt, so what.
Wenn wir den Blickwinkel verschieben, dann sehen wir zunächst einmal zwei Frauen, nämlich Esther Keller und Stephanie Eymann, die sehr wohl das Zeugs haben, Regierungsrätinnen zu sein.
In Departementen, in denen zwei Männer meinen, sie seien unersetzlich.
Da wäre beispielsweise Baschi Dürr, Vorsteher des Justiz- und Sicherheitsdepartements. Er konnte sich in den letzten Wochen dank dem Scheinkampf der drei Frauen ums Präsidium wegducken.
Nur nicht unliebsam auffallen.
Wenn man sich Stephanie Eymann nicht ins Präsidium wünscht, sondern dorthin wählt, wo sie aufgrund ihrer Erfahrung als Staatsanwältin und Polizeioffizierin hingehört, nämlich ins Dürrsche Departement, dann haben wir doch eine völlig andere Ausgangslage:
Es bewerben sich eine Frau und ein Mann auf Augenhöhe ums Amt.
Wenn die Frau genau so qualifiziert ist wie der Mann, dann kann man im Jahr 2020 gar nicht anders, als die Führungsposition mit der Frau zu besetzen.
Will das jemand ernsthaft bestreiten?
Ebenso verhält es sich mit der Grünliberalen Esther Keller. Auch bei ihr muss man sich von der Vorstellung lösen, sie solle Regierungspräsidentin werden.
Da ist sie, wie Frau Eymann, aufgrund der links-grünen Konstellation ohne Wahlchancen.
Doch als direkte Konkurrentin von Lukas Engelberger sieht die Sache völlig anders aus.
Da ist zum einen die CVP, die in den letzten Nationalratswahlen senkrecht abgestürzt ist. Die CVP, eine Partei, die in einem Selbstfindungsprozess mit sich ringt und meint, mit dem Allerweltslabel „Die Mitte“ urbane Wählerinnen gewinnen zu können.
Und da sind auf der anderen Seite die Grünliberalen, eine Trendpartei, die zur Überraschung der etablierten Bürgerlichen auf Anhieb einen Nationalratssitz gewinnen konnten.
Mit einer Frau.
Wenn wir also davon ausgehen, dass die CVP auf tiefem Niveau stagniert und die Grünliberalen zulegen werden, dann ist die Vorstellung, Esther Keller könnte Herrn Engelberger im Gesundheitsdepartement ablösen, alles andere als absurd.
Weil überdies gilt: Weder Baschi Dürr noch Lukas Engelberger würden eine Lücke hinterlassen.
Das beste Beispiel wie das in der Politik läuft, ist Tanja Soland (SP), die Nachfolgerin von Eva Herzog im Finanzdepartement. Wobei man die beiden wohl nicht mehr im gleichen Satz erwähnen sollte.
Frau Soland brauchte kaum Zeit, ihre Vorgängerin vergessen zu machen.
Womit ich eingestehen muss, dass ich mich in Frau Soland getäuscht habe.
Sie zieht ihr Ding durch.
Seriös, ruhig, kompetent. Eine No-Bullshit-Regierungsrätin, die sich kurz vor den Wahlen mit den Bürgerlichen anlegt, weil sie keine Steuerkürzungen will und gleich noch mit ihren Genossen und anderen Linken, weil die Finanzierung von Gratiskrippen derzeit nicht drinliege.
Und trotzdem oder gerade deswegen wird Frau Soland mit einem hervorragenden Resultat im Amt bestätigt werden.
Es gibt allerdings eine ziemlich hohe Hürde für eine Frauenmehrheit in der Basler Regierung: Die linken Frauen, die alles tun, nur kaum je bürgerliche Frauen wählen.
Doch dieses Mal könnten die linken Frauen (und Männer) völlig ohne Risiko Frau Keller und Frau Eymann wählen. Die vier linken Sitz in der Regierung sind auf Nummer sicher.
Ebenso auf Nummer sicher ist, dass die SP in den nächsten zwölf Jahren mit zwei Männern und einer Frau in der Regierung vertreten sein werden.
Also. Auf geht’s.
Wenn die Anliegen vom Frauenstreik und der #MeeToo-Kampagne im politischen Alltag ankommen sollen, dann haben es jetzt die Wähler*innen von Basel-Stadt 54 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts in der Hand, nochmals Geschichte zu schreiben.
Marcus Denoth meint
Linke Frauen wählen keine bürgerlichen Frauen. Daher: Schöne Idee, tolle Symbolik aber unrealistich, weil für linke Frauen sind nur dann Frauen und Frauenmehrheiten gut, wenn sie politisch klar links stehen. Mit Gendersternchen.
Dabei könnten wir in Basel Geschichte schreiben!
gotte meint
hervorragende analyse der ausgangslage. habe gestern baschis statement zum basler dyybli gehört am regionaljournal. und mich etwas fremdgeschämt.
Anonymous vom Rhy meint
Bliblablu. Was zählt ist der 25.10. Und da wird das Resultat so oder so topsolid.
Roland Stark meint
Mit diesem Resultat könnte ich gut leben.
Henry Berger meint
Frau Soland legt sich betr. Steuersatz nicht mit den Bürgerlichen an – das Steuergesetz schreibt genau vor, wann die im Basler Steuerkompromiss vereinbarten Senkungen vorgenommen werden. Infolge zu geringen Wachstum des BIP fällt die Senkung aus. Das Wissen auch die Bürgerlichen und daher der laue Gegenwind!
Niggi Ullrich meint
M.M. hat nicht nur dieses neue SzenarIo fulminant und eloquent „inszeniert“, sondern er firmiert auch für andere nicht minder originelle oder virulente Entwürfe Alles zur richtigen Zeit! Let‘s see. Der 25.10. kommt bestimmt.
Phil Bösiger meint
Ich fühle mich geehrt. Seit Wochen ziehe ich mit genau dieser Vision durch die Lande und werde allenthalben von lokalen, klugen Politgrössen dafür belächelt.
Wenn natürlich nun ein scharfer Szenenbeobachter wie M.M. meine Ansicht teilt, dann wird aus einer Vision plötzlich ein vorstellbares Szenario….
Phil Bösiger meint
Nachtrag: Nach der Nichtwahl von Baschi Dürr darf dann auf den Zeitpunkt der Uebernahme der FDP durch die FDP (pardon, offiziell natürlich Fusion) gewettet werden…..
Phil Bösiger meint
Tschuldigung, Uebernahme der FDP durch die LDP, natürlich.