Treffe Wachovsky auf der Mittleren Rheinbrücke.
Wachovsky sagt: Ist das nicht ein Prachtsommer dieses Jahr?
Ein alter, weisser Mann halt, denke ich.
Wachovsky sagt: Kommen Sie, gehen wir ein Bier trinken.
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Ich sage: Wachovsky, sind wir Alkoholiker, wenn wir schon um elf ein Bier trinken?
Nein, antwortet er, Rentner.
Rentner – welch glücklicher Lebensabschnitt, proste ich Wachovsky zu.
Mit bedingslosem Grundeinkommen – dem Traum der Jungen, sagt Wachovsky.
Prost.
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Es scheint, unser Überleben ist eine Provokation, sage ich.
Eine Provokation – das waren wir doch schon immer, sagt Wachovsky. Früher waren die, die sich durch unser Dasein provoziert fühlten, älter als wir. Heute sind sie jünger.
Wir sind die Sandwich-Generation, sage ich.
Die Club Sandwich-Generation, wenn schon, sagt Wachovsky.
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Wachovsky sagt: Früher taumelten die Menschen kaum informiert von Krise zu Krise, von Krieg zu Krieg.
Heute tun sie das 24/7-auf-allen-Kanälen-zugedröhnt, suche den Unterschied, antworte ich.
Wachovsky sagt: Damals war dann Katastrophe, wenn sie eintraf. Heute ist sie, wenn man sie fühlt.
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Die nächste gefühlte Katastrophe ist ja schon da, sage ich: Die Affenpocken.
Wachovsky sagt: Und noch immer kein Impfstoff in der Schweiz! Ich bin empört!
300 Fälle sind’s bis jetzt, sage ich.
Ja, das sind die Fakten, aber gefühlt ist es doch so, dass die Leute meinen, sie könnten sich morgen beim Einkauf in der Migros anstecken. Sagt Wachovsky.
Die aktuelle Katastrophenlage sieht also so aus: Die Schweiz trocknet aus, Ukraine-Krieg, Covid ohne Ende. Atomgefahr, Affenhitze und Affenpocken; die Inflation, fehlendes Servicepersonal in der Beiz, drohender Gasmangel und Stromknappheit im nächsten Winter.
Dazu noch das Schwing- und Älplerfest in Pratteln, der Zeitgeist, die Neutralität im Eimer und überhaupt die EU, sagt Wachovsky.
Und überhaupt: der Bundesrat, kommt mir noch in den Sinn.
Wir bestellen noch ein Bier. Und ein paar Oliven.
Von wegen leerem Magen und so.
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Ich sage: Schauen seit ein paar Tage die dritte Staffel des Thrillers „The Killing“ (streamen auf ARTE). Packende Serie, empfehlenswert.
Das Sahnehäubchen: die Handlung spielt im kühl-nebligen dänischen Winter!
Die Kellnerin bringt das Bier.
Wachovsky nimmt einen ersten grossen Schluck, wischt sich mit dieser sehr männlichen Handrückengeste den Schaum vom Mund und sagt: So kühl wie dieses Bier?
So kühl wie dieses Bier.
michael przewrocki meint
verkappter bestseller-autor? und eine art politpsychiater oder muss man eher psychologe sagen?