Ich bin schon längst über den Punkt hinaus, wo ich noch Leute davon überzeugen will, dass Venedig gar nicht so ist, wie man gemeinhin meint.
Nein, es stinkt schon lange nicht mehr. Ja, es hat immer jede Menge Touristen. Und – Venedig ist teuer.
Wer hin will, so gehen. Wer nicht will, ist auch egal.
Ich bin vor langen Jahren per Autostop nach Venedig. Das war mein erstes Mal. Ich hatte in Mailand in der Jugendherberge einen Argentinier kennengelernt, der einen Reiseführer dabei hatte. Ich war damals einfach so unterwegs. Ohne konkretes Ziel.
Am Schluss meiner Odyssee bin ich in Israel gelandet. Von Piräus mit dem Schiff übers Meer nach Haifa. Ari Ben Kanaan. Exodus.
Im Reiseführer des Argentiniers war selbstverständlich Venedig drinnen. Er fuhr mit dem Zug und ich stellte mich an die Autobahnauffahrt. Wollte ich. Ich bin dieser vermaledeiten Stadtautobahn gut drei Stunden entlang gelaufen und habe die Auffahrt gesucht. Bis zur ersten Zahlstation Richtung Venedig.
Die gibt’s noch immer.
Bis am Abend hatte ich es dann auch geschafft. Das war zu der Zeit, als ich erstmals in meinem Leben richtigen Kaffee getrunken habe. Ich bin nicht mehr davon losgekommen.
Seit diesen zwei Tagen, die wir dort waren, bin ich ein „Venezianer“. Das ist in Anführungsstrichen gesetzt, weil es sich um diejenigen handelt, die einmal nach Venedig reisen und von da an immer wieder.
Ich kenne ein paar.
Mindestens einmal jedes Jahr sind wir für drei, vier Tage dort. Wir haben auch schon Wohnungen gemietet und blieben eine Woche. Als die Kinder noch klein waren, fuhren wir mit dem Auto für ein verlängertes Wochenende nach Venedig, um uns einfach mal zwei, drei Tage anzuschweigen.
Inzwischen ist Venedig auch eine Familiensache geworden. Im Frühjahr waren wir alle gemeinsam dort.
Vor ein paar Jahren hatten wir das Glück, dass Schnee fiel.
Wir waren noch nie zweimal im selben Hotel, was den Vorteil hat, dass der Ausgangspunkt für die ausgiebigen Stadtwanderungen immer ein anderer ist.
Irgendwann werden wir mal längere Zeit dort verbringen.
Irgendwann liegt in meinem Alter näher als damals.
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mehrlinks meint
Der letzte Satz bring den Geist überraschend zum Taumeln …
Zum ersten Mal fuhr ich im Herbst 1978 nach Venedig; am 16. Oktober, am frühen Abend, so gegen 19.00 Uhr, noch in den Gassen unterwegs, blieb ich vor einem Schaufenster mit einem laufendem Schwarz/Weiss-TV in einer Gruppe Einheimischer stehen, im Bild weisser Rauch aus einem Kamin, und hörte die Umstehenden plötzlich „Un polacco, un polacco“, ausrufen – Wojtyła war zum Pontifex gewählt worden …
Trotzdem bin ich seither immer wieder mal hingefahren, mal auf dem Hemingway-Trip (den ersten guten Risotto im Cipriani auf Torcello, dann Harry’s Bar), mal auf dem Kunsttrip (Biennale), oder nur, um faul im Sand auf dem Lido zu liegen …
Fred David meint
Sie müssen mich nicht überzeugen. Wir haben unsere Hochzeitsreise dorthin gemacht, sehr traditionell, aber wunderschön und unvergesslich. Wenn man nur wenige Dutzend Meter vom Touristenstrom zum Markusplatz abweicht, ist man in einer andern Welt. Venedig ist besonders im Winter bei lichtem Nebel schön, z.B. mit Gustav Mahler im Kopfhörer auf einer Fahrt zur Friedhofsinsel. Einmalig. Aber nix für melancholische Gemüter. Eine Aufführung im La Venice ist ein Erlebnis, auch im restaurierten Zustand. Man sollte auch mal mit dem Schiff rüberfahren nach Istrien und diese alten Städtchen besuchen, die einst zur Republik Venedig gehörten. Da weht noch ein anderes Lüftchen und man findet dort wunderschöne kleine Hotels in der Altstadt. Auch die alten Renaissance-Sommersitze der Stadtpatrizier auf dem Festland (30 Min. ab Bahnhof mit dem Schiff), echt gigantisch schön und ein wenig morbid. Gehört aber dazu.
Fred David meint
…was ich noch sagen wollte: Die Fotos sind toll!