Einer meiner Lieblingsfilme ist dieser Adventszeit-Dauerbrenner «Und täglich grüsst das Murmeltier».
Die Geschichte vom TV-Wettermann Phil Connors (Bill Murray), dessen Radiowecker jeden Morgen um sechs zu dudeln beginnt – und der neue Tag so wird, wie der gestern und die Tage davor.
Weil Phil in einer Zeitschleife gefangen ist.
Kürzlich auf Telebasel.
SVP-Mann Caspar Baader redet über die neue Volksinitiative seiner Partei «zur Aufhebung der Personenfreizügigkeit». Seine Argumente: Konkurrenz am Arbeitsplatz, Wohnungsnot, überfüllte Züge; jedes Jahr Zuwanderung in der Grössenordnung von St. Gallen.
Himmel auch, schoss es mir durch den Kopf: Wir sind in einer Zeitschleife gefangen!
Seit 2011.
Damals hatte die SVP ihre Masseneinwanderungs-Initiative lanciert, und seither tönt es Jahr um Jahr: Konkurrenz am Arbeitsplatz, Wohnungsnot, überfüllte Züge; jedes Jahr Zuwanderung in der Grössenordnung von St. Gallen.
Die Engländer hätten dem Brexit zugestimmt, sagt Baader «weil die das gleiche Problem haben».
In der Tat, in Sachen Personenfreizügigkeit ist einiges in Bewegung geraten. Allerdings nicht so, wie Baader und seine Mitstreiter sich das seit Jahren wünschen.
Was wir dank Brexit vorgeführt bekommen, ist eine EU der 27, die das Grundprinzip der Personenfreizügigkeit derart hochhält, dass sie dafür sogar den Austritt von 60 Millionen Briten aus der Union hinnimmt, zu Beginn mit Bedauern, seit ein paar Wochen mit einem Achselzucken.
Was wir daraus lernen?
Es wird nichts zu verhandeln geben. Auch wenn man dem Bundesrat grosszügig eine Frist von einem Jahr für Neuverhandlungen setzen will. (Mit dem allfälligen Ratifizierungsprozess in 27 EU-Ländern und der Schweiz blieben eh nur sechs Monate Verhandlungszeit.)
Herr Baader rechnet denn auch damit, dass die mit der Personenfreizügigkeit verknüpften anderen sechs Verträge gekündigt werden. Egal, sagt er, denn diese Bilateralen seien eh nur für die EU wichtig.
Wir könnten auch ganz gut ohne.
In England wird auch so argumentiert: Die EU braucht Grossbritannien mehr als umgekehrt.
Was die Leave-Trommler in England und die Bilateralen-Aufkündiger in der Schweiz noch vereint: Sie haben keine Vorstellung davon, wie es am Tag danach konkret weitergehen soll.
Nun bin ich überzeugt, dass Herr Baader – anders als britische Politiker – nicht lügt.
Sind wohl eher alternative Fakten, seine Argumente.
Deshalb drei auf den Vertragstexten basierende Beispiele, wie man sich mit einer einzigen Kugel gleich mehrfach ins Bein schiessen kann.
Erstens: Die Kündigung des Vertrages zur «Beseitigung technischer Handelshemmnisse» bedeutet konkret, dass es für Schweizer Produkte, die in die EU exportiert werden (55 Prozent aller Exporte), wieder Handelshemmnisse geben wird.
Zweitens: Die Kündigung des Luftverkehrsabkommens bedeutet für alle Maschinen, die europäische Destinationen anfliegen, das Grounding. Weil es keine «Verkehrsrechte zwischen jedem Punkt in der Schweiz und jedem Punkt in der Gemeinschaft» mehr gibt.
Und schliesslich der härteste Brocken: Die «erworbenen Ansprüche» der 1,3 Millionen in der Schweiz lebenden EU- und Efta-Bürger bleiben auch nach der Kündigung der Personenfreizügigkeit bestehen.
Einklagbar beim Europäischen Gerichtshof.
Phil Connors hat irgendwann aus seiner Zeitschlaufe herausgefunden. Also besteht auch für uns Hoffnung.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 8. November 2017
Alex Schneider meint
Wir lassen uns weder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) richten noch von der EU erpressen. Das wiederholen wir seit 1992, und da das der Mainstream nicht zur Kenntnis nehmen will, müssen wir das auch in Zukunft immer wieder fordern.
M.M. meint
Darum ist es an der Zeit, alle Verträge mit der EU zu kündigen. Subito.