Gut, es herrscht Sommerpause.
Weshalb man versteht, dass der Basler Wahlkampf sprichwörtlich auf den Hund gekommen ist, nur noch auf Facebook dahinplätschert, unbeachtet von allen, die wie ich keinen Account besitzen. Weshalb man der analogen Papier-BaZ schampar dankbar ist, dass sie uns über die digitalen Eskapaden unserer Politiker auf dem Laufenden hält.
Wir würden sonst die peinlichsten Ferienmomente unserer postpubertären Politikerelite glatt verpassen.
Und die Bürgerlichen pennen.
Schlagzeilen liefern die SVP und deren Präsident. Doch bei genauerem Hingucken entpuppt sich die versprochene Enthüllungsstory als billiger Politklatsch. Man muss doch Herrn Frehner zugutehalten, dass er der perfekte Repräsentant des städtischen Ablegers der Schweizerischen Volkspartei ist.
Weil er wie kein anderer die Kurzformel all ihrer Eigenschaften verkörpert: inhaltsschwach, linientreu und horizontbeschränkt.
Doch ausgerechnet bei der SVP hat sich am 11. Mai der bislang einzige politisch wirklich interessante – weil für das bürgerliche Lager folgenreiche – Vorfall abgespielt: der Wechsel von Herrn Rusterholtz zur BDP. Diese ist jetzt – nach erfolglosen Anläufen – mit einem Abgeordneten im Grossen Rat vertreten.
Nun könnte man achselzuckend sagen: na, und wenn schon. Doch da ist noch die EVP, die nach einem dramatischen Absturz auch nur noch mit einer Vertreterin im Rat sitzt. Weil jedoch BDP und EVP für die Herbstwahlen eine Listenverbindung beschlossen haben, kann der Rusterholtz-Wechsel Folgen für die bürgerlichen Fraktionen haben: Sie könnten Sitze verlieren, und zwar alle. Diese Listenverbindung der beiden Mitteparteien hat das Potenzial, in wichtigen Wahlkreisen die Vier-Prozent-Hürde zu knacken.
Was bis zu fünf zusätzliche Sitze bedeuten kann.
Und die Bürgerlichen pennen.
Ich habe in letzter Zeit verschiedentlich mit Anhängern und auch Mandatsträgern der SP über die aktuelle politische Lage in Basel-Stadt diskutiert. Bemerkenswert: Keiner und keine von denen ist von ihren Sozis in der Regierung besonders angetan. Die Genossen und die Genossin in der Regierung seien satt, überheblich, agierten ideenlos und abgehoben. An den beiden SP-Regierungsräten und der Finanzdirektorin wird rumgekrittelt, als handle es sich um Bürgerliche.
Merke: Wenn die eigenen Anhänger an ihrem Führungspersonal zu zweifeln beginnen, und nicht wenige gar der Meinung sind, man müsste die eigenen Leute bei den nächsten Wahlen, damit sie endlich aufwachen, abstrafen, dann muss sich eine solche Partei gegen mögliche Stimmenverluste wappnen. Das ist ein Grundsatz für Wahlkämpfer.
Und die Bürgerlichen pennen.
Was wäre also der Weckruf für die bürgerliche Wählerschaft? Die Bürgerlichen müssen, wenn sie glaubhaft auf einer Mehrheit in der Regierung bestehen, kompromisslos Anspruch auf den Dreh- und Angelpunkt der kantonalen Politik erheben, das Finanzdepartement. Conradin Cramer, der adrette LDP-Kandidat, muss einen Frontalangriff auf Regierungsrätin Eva Herzog starten.
Die Steuereinahmen verstellen den Blick: Die Frau wird weit über ihren Wert gehandelt.
Cramer, der als gewählt gilt, ist der Einzige im bürgerlichen Lager, der mit einem profilierten Wahlkampf punkten kann; die bürgerliche Wählerschaft wird einen kämpferischen Cramer vorbehaltlos unterstützen. Doch so wie es aussieht, will auch er lieber im Schlafwagen zum 290 000-Franken-Job kommen. Unverbindlich und nett.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 20. Juli 2016
Meury Christoph meint
Sie verkennen die Lage und die Qualifikationen von Conradin Cramer. Der LDP-Kandidat ist zu weich und zu harmlos, als dass er sich als angehender Finanzminister profilieren könnte. Zudem müssten die Bürgerlichen dann ja ein Finanzprogramm entwickeln, das sich gewaschen hat. Sie müssten RR Eva Herzog mit Argumenten ausstechen. Wollen sie mehr Einnahmen generieren? Oder einfach besser sparen? Zudem will das Fussvolk im Verlaufe des Wahlgeplänkels gelegentlich wissen, was die kommende Unternehmenssteuerreform – USM III – real wirklich kostet. Die euphorischen BefürworterInnen & verantwortlichen PolitikerInnen schweigen sich über die Kosten vornehm aus. Klitzeklein wissen sie nur, was die Folgen wären: Die Wirtschaft würde abwandern, Arbeitsplätze gestrichen, etc. Das übliche Brimborium eben. In diesem Sinne möchte ich auch von Conradin Cramer wissen, wieso wir eine weitere Unternehmenssteuerreform brauchen? Mit welcher Notwendigkeit? Was kostet uns SteuerzahlerInnen eine solche Reform? Wie werden die millionenschweren Steuerverluste kompensiert? Mit welchen Sparpaketen darf das gemeine Fussvolk in der Folge rechnen?
Naja, dann lassen wir dies mit dem geplanten Frontalangriff doch lieber sein und widmen uns den potentiellen Hunde-Hotspots, oder sonstigem wahltaktischem Unsinn.
Heiner Schäublin meint
Reichlich bemüht (diese Kolumne), denn die Kernfrage bleibt unbeantwortet: Wozu?
Wozu soll ein bürgerlicher Apparatschik einen sozialdemokratischen Apparatschik ablösen? Was würde besser (ausser dem Einfluss für die eigenen Seilschaften)?
Ach ja (hab‘ ich übersehen): Die Mandate.
Arleser meint
Listenverbindung? – Sind ausgeschlossen.
§ 44 Wahlgesetz des Kantons Basel-Stadt.
M.M. meint
Es gibt keine Listenverbindung aber eine gemeinsame Liste von EVP und BDP.