Diese Kandidatur ist ein Witz. Das war reflexartig die erste Reaktion auf die Ankündigung gestern, dass ein gewisser Herr Jourdan für den nächsten freien Sitz in der Baselbieter Regierung kandidieren wird.
Dieses Echo auf die gestrige Ankündigung ist in erster Linie dem Umfeld geschuldet. Zum einen den Parteien, welche Herrn Jourdan auf den Schild gehoben haben: Schon wieder dieser Superstratege Herzig von der glp, dann die Verliererlinke, die es nicht geschafft hat, einen der bekanntesten und linksprofiliertesten Kandidaten durchzuboxen, die EVP, eine Partei mit gerade mal vier Landratsmitgliedern.
Der Mann hat keine Chance.
Und das ist im Grunde genommen Schade. Denn Herr Jourdan ist ein erfahrener Politiker, ein intelligenter Kopf, ein brillanter Debattierer. Er ist ein durchsetzungsfähiger Gemeinderat und ein umgänglicher Typ, ist ein leidenschaftlicher Politiker.
Er wäre von den Parteien in der Mitte einer der wenigen gewesen, die auf einem mittebürgerlichen Fünferticket 2015 eine Wahlchance für den Reber-Sitz gehabt hätten. Doch jetzt wird der einzige regierungstaugliche Mann der EVP ohne Not verheizt.
Das ist gut für die Linke.
Die kann sich zurücklehnen und zuschauen, wie die EVP den Karren gegen die Wand fährt. Und die Grünen werden einen Jungpolitiker mit Potenzial los,
————————————————————–

————————————————————–
der auf dem hinter den Kulissen bereits diskutierten bürgerlichen Fünferticket Herrn Reber ernsthaft hätte gefährden können.
Und das erst noch gratis und franko.
Angesichts der leeren Kassen sind weder die SP noch die Grünen in der Lage, den EVP-Kandidaten finanziell zu unterstützen.
Diese im Grunde genommen völlig unnötige Kandidatur hat noch eine andere, ziemlich unschöne Folge: Weil die CVP auch kein Geld hat, treibt das taktische Manöver der EVP den CVP-Kandidaten Lauber in die Umarmung der Wirtschaftskammer.
Herr Lauber, der in den letzten Wochen eine gewisse Distanz zur Wirtschaftskammer gewahrt hat – erste finanzielle Avancen hatte er zurückgewiesen, schliesslich gibt es noch andere Wirtschaftsverbände in der Region – wird nun keinen Wahlkampf auf Sparflamme machen können.
Schliesslich muss man davon ausgehen, dass Herr Jourdan rein rechnerisch 40+ Prozent erreichen kann; der Mann wird mehr als ein Schafroth-Ergebnis einfahren.
Weil Herr Lauber bis am 9. Juni noch in diesen oder jenen Fettnapf treten wird oder aus derzeit noch nicht vorhersehbaren Gründen sein sicher geglaubter Sieg zur Wackelkandidatur werden könnte, müssen er und die CVP jetzt auf Nummer sicher gehen.
Ergo braucht auch Herr Lauber die Adresskatjuschas der Wirtschaftskammer, des Hausbesitzervereins und von anderen Unterorganisationen des Buser-Apparats. Und dazu noch jede Menge Geld für Inserate und andere Werbemittel. Die offiziell 80’000 Franken, welche die Wirtschaftskammer für Herrn Weber gesprochen hat, werden auch beim Lauber-Wahlkampf nicht ausreichen.
Doch nicht nur das links-grüne Lager lacht sich ins Fäustchen.
Seit gestern frohlocken auch die FDP und SVP: Die von der CVP mit etlichem Geschick inszenierte Mitte hat sich innert weniger Wochen selbst erledigt.
Dieses Debakel trägt zwei Namen: Sabrina Mohn und Felix Keller. Konnte man die glp-Kandidatur Schafroth noch der Zickigkeit der glp-Primadonnen zuordnen und deshalb vergessen, bedeutet nun die Attacke der EVP auf den CVP-Kandidaten das Ende eines politischen Aufbruchs.
Die Brüskierung der Fraktionspartner durch von Frau Mohn, die mit dem Argument „Kommunikationsfehler“ kaschiert wurde, haben unübersehbare Gräben aufgerissen. Persönliche Verletzungen diktieren seither die Politik der Partner.
Dass nun auch die zweite Fraktionspartnerin der CVP den Frontalangriff wagt, legen die eklatanten Führungsmängel des an einer gewissen Selbstüberschätzung leidenden Fraktionspräsidenten Felix Keller bloss.
Den zentralen Führungsleuten der Partei sind die Fäden endgültig entglitten. Im Grunde genommen müsste man die beiden in Wüste schicken.
Für die CVP steht einiges auf dem Spiel, denn im Grunde genommen schickt sie mit Herrn Lauber das letzte Aufgebot in den Wahlkampf. Nachdem Frau Schneider-Schneider nicht wollte, war da niemand mehr gewesen, den man auch noch hätte aufs Schild heben können.
Gut möglich, dass die CVP ohne Mittepartner nach dem 9. Juni schlicht und einfach implodiert.
Kein Geld, kein Führungspersonal, kein Nachwuchs, eine gespaltene Partei: das sind die Zutaten, aus denen der Untergang genährt wird.
Mögliche Ironie des politischen Schicksals: Man siegt am 9. Juni und ist am 10. weg vom Fenster.
Henry Berger meint
Dieses Posting war eigentlich als Antwort auf Ihre Erläuterungen gedacht….
Henry Berger meint
…also doch die Wahl von Herrn Lauber im ersten Wahlgang?!
M.M. meint
Ich mache keine Voraussagen mehr: Ein zweiter Wahlgang kann durchaus drinliegen.
Wäre doch lustig.
Meine einzige Hofffung: Es möge, sagen wir im Juli, nicht schon wieder einer, unter welchen Vorzeichen auch immer, aus der Regierung verabschieden. Sonst haben wir im August und September schon wieder Regierungswahlkampf. 🙂
Henry Berger meint
Lieber Herr Messmer – auch nach einem zweiten Durchlesen Ihres Beitrages bin ich etwas verwirrt: Hat Herr Jourdan Ihrer Meinung nach nun eine Chance oder nicht?
Aber eigentlich ist es ja völlig egal: 61.9% der StimmbürgerInnen im Kanton Basel-Landschaft ist es völlig egal, wer in der Regierung sitzt. Zählt man noch die Personen dazu, welche nicht wählen dürfen (da zu jung, zu ausländisch), so ist es 75.15% egal oder sie dürfen keine Meinung äussern. Herr Thomas Weber wurde schliesslich mit 20.33% der Stimmen aller Stimmberechtigten gewählt oder mit 13.26% der Stimmen aller im Kt. BL wohnhaften Personen.
Ich weiss, so funktioniert unser System und nicht an einer Wahl teilnehmen zu müssen ist auch ein Recht – andrerseits darf man sich dann nicht über einen übermässigen Einfluss der Wirtschaftskammer beklagen, wenn die zu „beinflussende“ Masse der Wähler nicht soo riesig ist…Dazu kommt noch, dass die Wählenden wohl alles anders als „repräsentativ“ sind. Ich gehe nur mal so gemäss Bauchgefühl davon aus, dass bei den „Teilnehmern“ Oberbaselbieter, Eigenheimbesitzer, ältere Personen, Kirchengänger und selbständig erwerbende überrepräsentiert sind….eine ideale Zielgruppe für Werbemassnahmen der Wirtschaftskammer.
M.M. meint
Er hätte eine Chance auf einem 5er-Ticket, aber jetzt wohl kaum. Er hat ein paar heikle Themen im Rucksack z.B. die Abtreibungsfrage -strikt dagegen – und sonst ein paar eigenartige, religiös-fundamentalistisch geprägte Ansichten. Das wird linken Frauen wohl kaum in dem Kram passen.
Herr Lauber auf der anderen Seite ist ein politisches Chamäleon, also immer mal wieder die Farbe wechselnd, ein typischer CVP-Vertreter halt. Das wird vielen rechten Männern in den ländlichen Gegenden des Kantons kaum in den Kram passen.
Das links-grüne Lager plus die beiden Mitteparteien bringen rund 40% auf die Waage.
Die stärkste Gruppe, die auch dieses Mal nicht im Regierungsrat vertreten sein wird, sind die parteiunabhängigen Nichtwähler.
gotte meint
nicht neidisch sein, lieber mm, dass nicht nur sie (wahl lauber statt weber), sondern auch andere gute ideen haben! und jourdan ist nicht nur eine sehr gute idee, sondern wäre fürs baselbiet eine sehr gute wahl!
Lars Mazzucchelli meint
Nachdem alle „Politkenner“ Nussbi nach der Bekanntgabe seiner Kandidatur praktisch schon durchgewunken haben, vertraue ich solchen Absoluten Aussagen wie „Der Mann hat keine Chance“ überhaupt nicht mehr. Straumann setzte sich gegen Klein durch, Weber gegen Nussbaumer. Immer waren die Journalisten sicher, dass das nicht eintreten könne. Ich finde es mutig von Jourdan, den Baselbietern eine Alternative zu bieten. Wollen wir Durchwinkkandidaten, nur weil wir Schiss vor einer Niederlage haben? Bei einer Gesamterneuerungswahl hätte Jourdan doch überhaupt keine Chance, gegen ein Viererticket der Bürgerlichen und einem Dreierticket der SP/Grünen. Also ist auch unter diesem Aspekt die jetzige Kandidatur richtig: Lieber eine kleine Chance wahrnehmen.
h.s. meint
Herr Mazzucchelli, M.M. schreibt: bürgerliches fünferticket. Er wäre teil einer grosse Koalition. Er tritt dann nicht alleine an.