Es gibt nicht allzu oft Abstimmungen in der Schweiz, die eine Epochenwende einläuten. Die Abstimmung über den Theaterkredit im Kanton Basel-Landschaft ist so eine Abstimmung. Zwar geht es nur um 4 Mio. Franken im Jahr – gemessen an den 2,7 Mia. Steuereinnahmen ein Klacks.
Doch die Finanzen sind nur die sichtbare Spitze des Eisbergs.
Der massive Rest unter der Oberfläche besteht aus dem gesammelten Frust und den Selbstzweifeln der Landpolitiker aus den letzten Jahrzehnten.
Es ist dieses Minderwertigkeitsgefühl gegenüber der Stadt, auch bei der besten Vereinbarung immer Zweiter gemacht zu haben. Bewirtschaftet wird dieses Gefühlslage, die sich im oberen Kantonsteil besonders gut nähren lässt, von der SVP. Was der nationalen Vordenkern der Partei Brüssel und der mögliche Beitritt zur EU ist, ist den Bonsai-Blochern im Landkanton Basel und ein Zusammengehen der beiden Halbkantone.
Die Zentrale erklärt 1291 zum Dreh- und Angelpunkt des Parteiprogramms, der Ableger in Gelterkinden 1833.
Das ist praktisch. Denn damit kann man die drei Gedanken, mit denen die SVP ihre Wahlkämpfe bestreitet, Brüssel, Ausländer, hartes Durchgreifen, mit dem bekannten „ersetzen durch“-Befehl in Word bestreiten. Beispiel aus der in alle Haushalte verschickte Wahlzeitung:
Baselland ist kein Selbstbedienungsladen für Basel-Stadt. Bei Staatsverträgen und anderen Abkommen brauchen wir in Baselland fähige Leute mit besserem Verhandlungsgeschick.
Basel, Ausländer hartes Durchgreifen – so einfach ist das. Wer das nicht schnallt, ist kein guter Schweizer – äh, Baselbieter.
Nun ist die SVP das eine. Ihr kann man zugutehalten, dass sie ihren Trip durchzieht. Ohne Rücksicht auf Verluste, weil die Ableger in den Dörfern besoffen sind vom Erfolg. Endlich ist man auch mal wer, schliesslich hat Blocher auf seiner Seite.
Das andere ist die FDP.
Seit sich die Parteispitze, angefeuert von Jungstar Herrmann und niedergebrüllt von Terminator Ceccarelli, in die Schlacht ums Theater geworfen hat, tobt in der Partei ein Kulturkampf. Mit gerade mal zwei Stimmen Mehrheit in der Delegiertenversammlung meinen sich die beiden legitimieren zu können.
Die beiden wollen einfach nicht einsehen, dass sie mit dem strammen Gleichschritt mit der Dreithemenpartei SVP in dieser und anderer Fragen an den Grundwerten der Liberalen kratzen und damit am Selbstverständnis der FDP. Dieser Satz im Referendumsbogen der FDP wird noch lange nachhallen:
Was dieses Theater aufführt, gefällt den Wenigsten. Nur gerade 3% der Baselbieter Bevölkerung besuchen das Basler Theater regelmässig. Nun sollen also 97% Nicht-Theaterbesucher die 3% Theaterbesucher neu doppelt so hoch mit ihren Steuergeldern subventionieren.
Wir haben es schon einmal geschrieben: Wie auch immer das Resultat dieser Abstimmung heute Nachmittag kurz nach 14.00 Uhr lauten wird, die FDP ist die grosse Verliererin. Die Zeichen stehen in den Sektionen im unteren Kantonsteil auf Sturm.
Sollte der Theaterkredit abgelehnt werden, wird es zu ein paar spektakulären Parteiaustritten kommen. Viele andere werden sich still und leise von FDP verabschieden. Wird der Theaterkredit jedoch gutgeheissen, dann haben Herr Herrmann und Herr Ceccarelli einmal mehr aufs falsche Pferd gesetzt – und müssten als Konsequenz abtreten.
Beide Varianten sind mit Blick auf die kommenden Wahlen schlecht, zumal die Parteizentrale in Liestal mit der unsäglichen Theaterdiskussion in den Auftaktwochen des Wahlkampfes vor allem der SVP zugearbeitet hat.
Die vertane Zeit ist kaum mehr aufzuholen. Es wird der FDP nicht mehr gelingen, ihren Wählern/innen ein eigenständiges Profil zu präsentieren,
Denn es ist so wie bei der Geschichte vom Hasen und vom Igel: Bei welchem Thema sich die FDP auch abmüht – Steuern, Schule, Sicherheit – die SVP hat das Feld schon längst besetzt.
Die Abstimmung über den Theaterkredit läutet eine Epochenwende im Verhältnis zum Kanton Basel-Stadt ein. Denn zur Disposition stehen bei einer Ablehnung auch andere Vereinbarungen und Verträge zwischen Stadt und Land.
Etwas amüsiert könnte man die Frage stellen, ob der Weg der bilateralen Verhandlungen zwischen Basel-Stadt und Basel-Landschaft wohl vorbei ist.
Die Abstimmung stellt aber auch im Landkanton selbst eine Epochenwende dar: Noch nie wurde der Graben zwischen oberem und unterem Kantonsteil derart sichtbar.
Thommen 61 meint
Ein sehr schöner Vergleich! Dem kann ich als „traditioneller Landschäftler“ nur zustimmen! Doch wird jetzt wohl auch die etablierte Kultur in Basel ein Thema werden…
NU meint
Ich mag der Gesamtanalyse nicht widersprechen! Die FDP ist – wie auch immer – nicht meine Partei. Die Theaterabstimmung ging nicht im Oberbaselbiet verloren sondern in Reinach, Aesch, Muttenz, Birsfelden…also dort, wo die SVP in den letzten Jahren am meisten Stimmen gewonnen hat. Den neuen Graben haben Politiker und Parteipräsidenten aus dem Unterbaselbiet zu verantworten.
Hp. Weibel meint
Man kann und muss nicht aber alles dramatisieren und von einer Epochenwende sprechen, nur weil erwartete Subventionen in einer schwierigen Finanzlage nicht gesprochen wurden. Was heute viele noch nicht realisiert haben, ist dass die CVP schon längst ins linke Lager abgedriftet und jede mögliche oder unmögliche Ausgabe, welche von den Linken locker getätigt wird, unterstützt. Aber auch „den anderen geht gelegentlich das Geld aus“. Und zwischendurch die Geduld. Auch Solidarität soll nicht überstrapaziert werden. Weder nach oben (Finanzausgleich) noch nach unten (gemeinschaftliche Geschäfte mit Basel-Stadt).
NU meint
Die ewige Mär von der linken Mehrheit in diesem Land hat was Groteskes und wird nicht glaubhafter, nur weil sie als ceterum censeo wiederholt wird. Dieses Land hat auf allen Ebenen und in den meisten Chargen z.T. satte bürgerliche Mehrheiten. Der Krieg findet zwischen rechts und liberal statt.
Beispiel? Die katastrophale Strassenbau- und Spitalpolitik ist ein veritables „Produkt“ der sog. bürgerlichen Mehrheit.
M.M. meint
Lieber Hanspeter,
du befindest dich in der Minderheit, als Bottminger. Es ging bei dieser Abstimmung nie um die Finanzen, sondern um Kultur.
Das zeigt das Resultat in aller Deutlichkeit.
Hp. Weibel meint
Lieber Manfred,
Du befindest Dich in der Mehrheit … in Arlesheim. Dir ging es um Kultur, mir um zusätzliche Finanzen. Nun haben wir beide gewonnen und verloren. Die Kultursubventionen fliessen wie bis anhin. Der Einzige aktuell geforderte ist Herr Delnon. Er hat immer betont, dass er eine Volksabstimmung möchte. Nun wird sich zeigen, ob er mit diesem Auftrag umgehen kann.
manuel meint
Wahre Worte von M.M.
Und: Die FDP-BL-Parteispitze ist invero ein Dreigestirn: zum Duo Herrmann / Ceccarelli gesellt sich die Vizepräsidentin Christine Pezzetta, die sich nicht zu blöd ist, den beiden Herren beim Schaufeln des Grabens in der FDP und beim Antichambrieren bei der SVP zu assistieren.
Folgerichtig verspricht sie denn auch in ihrem Landratswahlkampf ihren Wählern, „Politik über die Parteigrenze hinaus“ (nicht GrenzeN!). Unschwer zu erkennen, dass sie die Grenze zur SVP meint, die sie liebend gerne aufweichen will.
Andreas Kyriacou meint
Also auflösen: Den einen Teil zu BS schlagen und diesen endlich zu einem Vollkanton aufwerten und den Rest in einen Kanton Mittelland integrieren.