In Bolivien wurden wir von einem Guide begleitet, dessen Familie während der Banzer-Diktatur aus politischen Gründen nach Deutschland fliehen musste. Er hat dort die Schulen besucht und danach irgendwas in Frankreich studiert.
Auf alle Fälle spricht er Deutsch wie ein Deutscher, was manchmal etwas irritierend war: Ein Deutscher erklärt dir Land, Leute und Gepflogenheiten.
Er redete ziemlich viel.
Selbstverständlich redete er auch darüber, welch ein Segen Evo Morales für „mein Land“ sei. So habe dieser beispielsweise dafür gesorgt habe, dass alle Schulkinder ein Tablett im Unterricht benutzen können.
Er sei ja zunächst skeptisch gewesen, ob „ein Indianer“ schon so weit wäre, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Doch nun müsse er sagen: „Der Indianer kann es.“
Ich habe ihm zwischendurch mal gesagt, dass im deutschen Sprachraum die Bezeichnung „Indianer“ nicht mehr so in Gebrauch sei.
Er blieb bei „Indianer“.
Der Mann bewohnt mit seiner Familie ein Haus im Kolonialstil ganz unten in der Hauptstadt, dort wo der Sauerstoffgehalt deutlich höher ist als oben an den Berghängen des Kessels von La Paz. Seine Frau ist Grafikerin und beide haben europäische Vorfahren.
Als er uns zum Flughafen brachte, kam er auf das bevorstehende Referendum für eine Amtszeitverlängerung für Morales zu sprechen. Was in einen längeren Vortrag mündete.
Morales sei für ihn nach wie vor ein Hoffnungsträger.
Nun ist es so, dass ich schon seit geraumer Zeit aufgehört habe, auf unseren Reisen mit den jeweils Einheimischen über Politik zu reden.
Zum einen, weil ich mich selbst nicht mehr hören kann, wie ich die Vorzüge der schweizerischen Demokratie erkläre und zum anderen, weil sich im Web bessere Informationen über die aktuelle politische Lage im jewiligen Land finden lassen, als das, was Einheimische zu wissen glauben.
Trotzdem sagte ich ihm, dass ein Politiker niemals ein Hoffnungsträger sein könne und zweitens, dass diese Verfassungsänderung schwer nach der Etablierung einer neuen Diktatur rieche. Wobei nicht Morales allein das Problem sei, sondern seine Parteifreunde, die sich während seiner langen Regierungszeit im Beamtenapparat eingenistet haben.
„Ich würde aus Prinzip nein stimmen,“ sagte ich und schwieg dann wieder.
Nein, dass sei in Bolivien anders, meinte er, leicht erregt, sie bräuchten Stabilität und überhaupt, Frau Merkel sei auch schon zehn Jahre im Amt.
Ich denke, geneigte Leserschaft, Sie verstehen jetzt, weshalb ich im fernen Ausland keinen Bock auf politische Diskussionen mit Einheimischen habe.
Ist ja irgendwie wie zuhause.
Doch wie das Abstimmungsergebnis vom Sonntag zeigt – Herr Morales wurde abgewatscht – gibt es in Bolivien sehr viele politisch kluge Köpfe, die keine Belehrungen über die Vorzüge des schweizerischen Demokratie brauchen.
Diese Anstimmung war eine reife demokratische Leistung.