Es gibt Tage, da lohnt es sich kaum, die Zeitung zu lesen. Weil nichts drinsteht, was man eh nicht schon weiss.
Heute jedoch bringt die BaZ eine Reportage über den Theaterbesuch von Herrn Spiess, SVP-Präsident im Kanton Baselland und Schuhverkäufer in Gelterkinden.
Wir könnten jetzt genüsslich über ihn herziehen.
Zum Beispiel in dem wir diese Passage zitieren, wo geschildert wird, welche Eindrücke Herr Spiess von seinem Gang zur Schauspieltoilette zurückgebracht hat, die er unmittelbar vor Aufführungsbeginn noch kurz aufsuchen musste, aus Nervosität wohl.
Die Infrastruktur auf der Toilette «ist des Guten zu viel, fast wie in einer Stube».
Nein, wir wollen uns auch nicht bei den Vorurteilen aufhalten, die man einem Herrn Spiess entgegenbringen kann, der sich vor der Aufführung dreht und windet:
Das ist meine Freizeit! Ich will nicht immer schwere Kost – das Leben ist schon schwer genug. Ich habe am liebsten Komödien. Im Theater möchte ich mich unterhalten, lachen, konsumieren.
Dazu gehört etwa „Ewigi Liäbi“, ein Musical, das er kürzlich in Bern gesehen habe, („das Theater Basel müsse halt mal eine «Kundenbefragung» machen, herausfinden, was genau die Leute sehen wollten“).
Nein, das ist es nicht, was diese Reportage lesenswert macht. Sondern das, was Herr Spiess sagte, als der Vorhang gefallen war:
Er hegte dieses Mal keine Fluchtgedanken, das Stück war auch gar nicht so «elitär» wie befürchtet, sondern zu seiner Überraschung «sehr nah, eigentlich wie im Heimattheater». Die Leistung der Schauspieler sei «gewaltig» gewesen, ist sogar das Allererste, was Spiess gleich nach dem Stück sagt. «Es war gut, fesselnd, und es gibt zu denken – das muss ich jetzt wegstecken.» Und: «Über einen solchen Abend kann man sich freuen.»
Der Theaterbesuch war für ihn gar derart anregend, dass er anderntags dem Reporter der BaZ noch eine E-Mail mit einer kritischen Anmerkung zum Inhalt des Stücks geschickt hat.
Herr Spiess hat im heimischen Gelterkinden wohl eine etwas unruhige Nacht verbracht.
Markus Saurer meint
Ich kenne weder das Umfeld dieses Beitrags noch Herrn Spiess. Trotzdem, Herr M.M., das scheint mir nun doch ein elitäres Spiessrutenlaufen, von dem mir fast übel wird. Genauso wie von diesem Einbildungs-Bildungsbürgertum, das die subventionierte Kultur konsumiert.
Corinne Sutter meint
Grundsätzlich wäre es doch möglich, sich zu informieren, bevor man sich vernehmen lässt, lieber Herr Saurer. Inhaltliche Argumente wären spannender als die Darlegung Ihrer körperlichen Befindlichkeit.
h.s. meint
Die Argumenten gegen eine Subventionserhöhung (oder eine 5. Ferienwoche für Beambten, 6,9 Mio für Ruine Pfeffingen, 0,25 Mio pro Jahr für Weiterbildung) sind sehr einfach:
So lange diese Regierung weigert zu sagen wo Sie 6%, wo 9%, wo 12% und wo 25% einzusparen gibt es gar keine neue langfristige Ausgabenverpflichtungen mehr. Es geht gar nicht um die Frage, ob Theater wichtig oder unwichtig ist. Bei ein strukturelles Loch von 250-350 Mio möchten wir eine Prioritätenliste, bevor geld gesprochen wird. Aber Ballmer c.s. wissen sehr gut: Ab 31.3.2011 wird die Bevölkerung gegen jede neue usgabe nein sagen. Daher muss es jetzt sein.
gotte meint
suuuuper! die beambten! die schbielen dog selbst das gröste deaader!
M.M. meint
h.s. ist Niederländer. Deshalb seine eigenwilliges „Beambten“. Wir halten es hier so: Wenn’s verstanden wird, ist es okay.
h.s. meint
beamte, hab es begriffen.
h.s. meint
Sehr geehrte Gotte,
Ich frage bei jeder Ausgabe immer nur: Wie wird es finanziert. Im Wissen, dass Baselland am Vorabend eine sehr grösse Sparrunde steht (die wahrscheinlich mehrere Jahre andauern wird), möchte ich keine langfristige Verpflichtungen, ohne Priorisierung. Die Bevölkerung von Baselland wächst kaum, gewinnträchtige Unternehmen ziehen eher weg (Straumann) als zu. Daher ist Wachstum an die Einnahmenseite ausser durch Steuererhöhungen kaum zu erwarten. Die Kosten steigen aber unaufhaltsam und sehr schnell. Eine Haltung, dass Gutes nicht beneint werden darf, sorgt sowohl für Turnhallen in 371-Einwohner Gemeinden als auch für eine Erhöhung der Theatersubvention (oder eine 5. Ferienwoche). Dafür fehlt uns Geld. Es geht gar nicht gegen Theater, Turnhalle, Finanzausgleich oder Beambte. Wir brauchen ehrliche Priorisierung.
TEE meint
Fühlen Sie sich jetzt besser?
Baresi meint
Heute in der BaZ Herr Spiess, gestern im Salon Bâle Herr Hermann, kein leichter Stand zum Argumentieren, wenn es einem eigentlich gar nicht um die Sache geht.