Manchmal ist das schon eine Krux mit dieser Demokratie. Besonders in Zeiten, wo einem auf Schritt und Tritt das Gefühl umlungert, die Dinge seien ins Rutschen gekommen. Unaufhaltsam. Und keiner habe einen freien Blick auf den Horizont, um dem Rest der Mannschaft zu sagen, wos langgeht.
So kommt es denn, dass jeder und jede überall mitschnorrt.
Im festen Glauben, dass der Lauf der Dinge irgendwie aufgehalten werden kann. Zum Beispiel das Ende des Bruderholzspitals. Ein heiteres Stück.
Prolog. SVP-Nationalrat Roland Borer provoziert im Februar 2011 mit der Aussage: «Kantonale Spitalplanung war schon immer überflüssig.»
Die Handlung. Januar 2013: Herr Rudin, der Direktor des privaten Bethesda-Spitals sagt: «Die Geburtshilfe ist ein Verdrängungsmarkt.» Dann greift er zum Spaten und feiert mit Marco Streller die Grundsteinlegung für eine neue Geburtsklinik. Sieben Tage später sagt Grossratspräsident Daniel Goepfert in seiner Abschiedsrede, angesichts der Finanzsituation der beiden Kantone müsse man heilige Kühe wie das Bruderholzspital notschlachten. Juli 2013: Die Führungsriege der renommierten Orthopädie-Abteilung verlässt geschlossen das Bruderholzspital.
Nicht nur Patienten, auch Ärzte suchen das Spital ihrer Wünsche selbst aus.
August 2013: Die Spitze des Kantonsspitals Baselland wehrt sich gegen den Vorwurf, man wolle das Bruderholzspital schwächen. Das Gegenteil sei richtig und stellt an einer Medienkonferenz Betriebskonzepte für Rehabilitation, Akutgeriatrie sowie eine Frauenklinik vor. Dezember 2013: Die alte Leitung des Kantonsspitals präsentiert den Neubau für die Frauen- und Geburtsabteilung. Soll schlappe 23 Millionen Franken kosten.
Mai 2014: Die neue Leitung teilt mit, dass sich der Neubau der Frauenklinik auf dem Bruderholz um mindestens ein halbes Jahr verzögere.
Juni 2015: Die beiden Basel prüfen die Gründung einer gemeinsamen Spitalgruppe; das Bruderholzspital soll durch eine Tagesklinik ersetzt werden.
Juli 2015: Das Kantonsspital Baselland gibt bekannt, dass die geplante Frauenklinik nicht gebaut und die Geburtsabteilung geschlossen wird. Die Geburtsabteilung werde ins private Bethesda-Spital verlegt.
Mai 2016: Die Baselbieter Regierung heisst die Bruderholz-Initiative gut, im Klartext eine Neubau-Initiative. Ein pensionierter Arzt, zwei SVP-Politiker, eine Krankenschwester und eine Physiotherapeutin wollen das Bruderholzspital retten. Denn ohne Bruderholz drohe den Baselbietern der medizinische Notstand.
Letzte Woche: Ein Vorstandsmitglied der FDP wird – anonym (!) – zu den laufenden Fusionsverhandlungen so zitiert: «Das Universitätsspital Basel zieht das Kantonsspital Baselland über den Tisch.»
Epilog: Von zu Hause aus bin ich zu Fuss in vier Minuten im Spital Arlesheim. Die wollen ihr Angebot ausbauen. Das nächstgelegene Spital erreiche ich, auch zu Fuss, in acht Minuten – das Spital Dornach. Die wollen ihr Angebot ausbauen. Ich kann aber auch mit dem Auto in knapp zehn Minuten ins Bruderholzspital fahren. Oder auf halbem Weg in der Birshofklinik haltmachen. Die baut ihr Angebot aus. Wenn ich universitäre Spitzenmedizin benötige, lasse ich mich in die Uniklinik Basel fahren.
Doch damit nicht genug: Im Fall der Fälle kann ich auf professionelle Hilfe in weiteren vierzehn Kliniken, Spitälern und Hospize zählen. Bezahlt vom Kanton und der Krankenkasse.
Der Titel des Stücks: Spitalirrsinn.
Meury Christoph meint
Die Politcracks im Kanton sind zwischenzeitlich voll und ganz mit der Sanierung der Tramschienen in Allschwil, mit der Abschaffung des 1. Mai und mit der Abzocke durch unangekündigte Radars beschäftigen. Man muss scheinbar vorrangig die Probleme dort anpacken, wo man Aufmerksamkeit & Stimmen generieren kann.
Für die strukturellen Probleme im Spitalwesen ist nachwievor niemand zuständig und verantwortlich. Kein virulentes Thema für die Parteien.
RR Thomas Weber (SVP) zuständiger Chef der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion scheint, nach einer Anfangseuphorie, irgendwie weggedöst zu sein. Seine Partei hat hier bereits seit geraumer Zeit Forfait gegeben.
Für die SVP und ihren Chefideologen Oskar Kämpfer ist die Thematik zu kompliziert und dem Volch vermutlich mit zwei Sätzen nicht vermittelbar.
RR Thomas Weber zur Erinnerung: Die Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion (VGD) befasst sich mit der Gesundheitsplanung im Kanton Basel-Landschaft, aber auch mit Standortförderung, Arbeitsmarkt, Landwirtschaft, Jagd und Fischerei, Wald, kantonalem Labor und amtlicher Vermessung. Die VGD hat die Oberaufsicht über die kantonalen Spitäler und die Psychiatrie inne. Der VGD sind ausserdem zwei Schlichtungsstellen zugeordnet.
Klaus Kirchmayr meint
Ob das Wort Irrsinn hier reicht?? Vergessen wir nicht dass noch 2008 ganz breiteste Kreise in BL für 800 Millionen ein neues Bruderholzspital bauen wollten und dass der Kanton dafür 20 Planungsmillionen in den Sand setzte. Oder dass heute der Kanton 200 Millionen Franken mehr für seine Spitäler aus der Staatskasse bezahlt als noch vor 8 Jahren. Von dem was die Versicherten via Krankenkassenprämien bezahlen ganz zu schweigen…. Das Wort Irrsinn wird diesem bald zehnjährigem Trauerspiel nur ungenügend gerecht. Und ich wage mal die Prognose, dass wir das Ende hier noch lange nicht gesehen haben (die Bruderholzinitiative gibt da nur einen Vorgeschmack)….