(c)Brussels Airport / Wikipedia
Klar kann man beeindruckt sein vom Pioniergeist der Familie Piccard. Ich meine, ich habe ja schon als Kind den Grossvater ins Herz geschlossen – im Comic «Tim und Struppi». Hergé hatte seinerzeit Grossvater Auguste in Brüssel kennengelernt und den Professor aus Basel mit dem wirren Haar und dem steifen Kragen als Professor Bienlein in seinen Comics verewigt.
Man muss als Technikfreak und ausgestattet mit einem Sinn für Ästhetik «Solar Impulse», Piccards eleganten Flieger, als grossartiges Wunderwerk der Flugzeugtechnik feiern. Und man kann sich ohne Vorbehalt darüber freuen, dass es dem Schweizer Pioniergeist und Piccards Überredungskunst zu verdanken ist, dass dieses Projekt sprichwörtlich abheben konnte.
Doch damit hat es sich.
Denn gemessen am bisherigen Verlauf des Fluges war der idealistische Anspruch, den die Initianten des Solarprojekts an sich und das Vorhaben gestellt hatten, etwas hochgesteckt: «Das Ziel des Projekts ist, die Menschen für die Notwendigkeit des Energiesparens und der Nutzung und Förderung von erneuerbaren Energien zu sensibilisieren.» Weil also ein ziemlich hochfliegendes Ziel als Ansporn ausreichte, um mit Solarstrom angetrieben um die Welt zu segeln, brauchte es nicht mal einen Ansatz einer Idee für einen kommerziellen Nutzen.
Zumal von Beginn an feststand, dass sich hier keine Alternative für den Passierflug abzeichnet.
Jetzt mal ehrlich: Wen muss man noch fürs Energiesparen und «die Nutzung von erneuerbaren Energien» sensibilisieren? Die Sache ist gegessen. Ungeklärt ist lediglich die Frage, wie teuer der Umstieg wird und wer ihn bezahlen soll.
Diesbezüglich ist das Projekt des Herrn Piccard ein Lehrstück über links-grüne Politikerträume von einer besseren Solarwelt: Wir sagen, wos langgeht, und ihr bezahlt, als Steuerzahler und Stromkonsumenten oder im Falle von «Solar Impulse» Industriekonzerne mit einem Millionenbetrag aus dem Werbeetat.
«Ihr müsst Busse tun, weil ihr euch an der Erde versündigt habt», lautet die Parole des zeitgenössischen Ablasshandels der Klimaretter.
Wie im richtigen Solarstromleben macht «Solar Impulse» vor allem das Wetter einen Strich durch die Flugroute. Damit die «Weltumrundung ohne Treibstoff» gelingt, müssen, unabhängig vom Wetter, tonnenweise Material plus die Bodenmannschaft mit alltagstauglichen Düsenjumbos vorausfliegen.
Und jetzt noch dieses peinliche Grounding bis nächsten April wegen überhitzten Batterien. Überhitzte Batterien!!!
Also nichts wie weg vom Bubentraum à la «Tim und Struppi», hin zur ernsthaften Nutzung derselben Technik durch die Erwachsenen.
Tesla-Gründer Musk betreibt eine der grössten Solarpanel-Fabriken der USA. Seit Neuestem kann man die Panels leasen und im Keller eine von einem anderen Musk-Unternehmen hergestellte Batterie (Powerwall) an die Wand hängen, um den eigenproduzierten Strom zu speichern, Neukunden pro Monat: 12 000.
Marc Zuckerberg (Facebook) hat letzte Woche ein unbemanntes, mit Solarstrom betriebenes Flugzeug vorgestellt. Die Drohne hat die Spannweite einer Boing 737 und kann ohne Unterbruch bis zu drei Monate in grosser Höhe kreisen. Der kommerzielle Zweck: Gebiete mit schwacher Infrastruktur sollen dank dem mit Übertragungstechnik bestückten Flieger Zugang zum Internet erhalten. Kurz: Die wollen nicht die Welt verbessern, sondern der Welt etwas technisch Besseres bringen.
Und damit Geld verdienen.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 5. August 2015
Marc Schinzel meint
Ich finde Piccards Solarflug interessant. Doch die ellenlangen Unterbrüche nehmen dem ambitionierten Ziel Weltumrundung einigen Glanz. Das Unternehmen wirkt auf mich etwas artifiziell. Rekord um jeden Preis, egal mit welchem Aufwand punkto Mittel und Zeit. Erinnert etwas an Everest-Expeditionen mit Dutzenden Sherpas, Leitern, Fixseilen und Lagern. Ein einfacher Interkontinentalflug „aus einem Guss“ wäre überzeugender gewesen.
Paule meint
Finde auch, dass man hinter die Erdumrundung von Piccard ein dickes Fragezeichen setzen kann. Der Erkenntnisnutzen scheint mir gleich Null. Es ist ein hartes Los, den letzten Abenteuern auf diesem Planeten nachjagen zu müssen.
Also mich hat der Solarflug nur am Rande interessiert. Wie es weitergeht, ist mir persönlich ziemlich egal.
Herrmann Elig meint
Ein etwas enttäuschender Beitrag. Für die Betrachtung von Marktkräften gibt es bessere Analysten und Kommentatoren, nichts neues unter der Sonne. Interessant vom Kommunikationsspezialisten wäre gewesen, wie SI2 den Diskurs und die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen. Da hätte Piccard auch aus Laiensicht Nachholbedarf (eine Webseite in Topqualität bedeutet noch nicht, dass die Nachricht auch ankommt). Dass wir alle (und damit ist bei Piccard durchaus auch der Erdball ausserhalb von Arlese gemeint) schon sensibilisiert seien finde ich eine sehr knappe und sehr gewagte Aussage. Aber für’s BaZ-Publikum reichts wohl, etwas anderes wollen die auch nicht lesen.
M.M. meint
Sie sollten Kommentator werden. Im übrigen ist ihr Beitrag ziemlicher Quatsch. Sie sollten die BaZ abonnieren.
Sullivan Frisch meint
Leider ist es kein Quatsch! Die Erdumrundung ist eine Pioneerleistung, und sie wird nächstes Jahr abgeschlossen werden. Wichtige technische Erkenntnisse aus wissenschaftlicher Sicht konnten gesamelt werden wobei das Problem mit der Batterie aufzeigt, dass vor allem das Speichern von Energie immer noch eines der grössten Probleme darstellt. Die von Musk neu lancierten Heimbatterien sind natürlich eine gute Sache und bei normaler Raumtemparatur hat man das Problem auch ziemlich im Griff aber ob die Drohne von Zuckerberg in einer solchen Höhe und den entsprechenden Bediengungen zuverlässig funktionieren wird, muss auch zuerst noch bewiesen werden!
Was das Energiesparen betrifft ist die Schweiz vielleicht vorbildlich aber daraus zu schliessen, dass das anderswo auch so ist, ist falsch. In anderen Ländern mit vielfachem Stromverbrauch ist das Thema noch lange auf den Frontseiten, bis es der Grossteil der Verbraucher ernst nimmt!
Übrigens war in der NZZ zu lesen, dass such der Wltweite Verbrauch von Kohle von 2010 bid 2014 verdoppelt hat! Daran sieht man, dass der Solarstrom immer noch nicht konkurrenzfähig genug ist, und dass weitere Entwicklungsschritte nötig sind, bis er einmal auch billig Kohle verdrängen kann! Publicity ist unterdessen nötig, um genug Forschungsgelder anzuziehen!
Grüsse aus Italien, wo die Anzahl verkehrender Autos immer noch auf hochkonjunktur Niveau verharrt!
M.M. meint
In Finnland setzen sie auf Atomkraft. Und jetzt bauen sogar die Russen noch eines dort. Igitt oder?
gotte meint
very igitt, indeed, denn meines wissens haben weder die finnen noch die russen (noch sonst wer) eine lösung für die abfälle. die sind superigitt, übrigens. auch noch in 50jahren, wenn wir tot sind und sogar noch in 50mio jahren.
Grummel meint
Yo, Zeichen setzen: Mehr bleibt aber auch nicht kleben.
Was kommt als nächstes?
Piccard auf «der Reise zum Mittelpunkt der Erde», «Implenia» hat den Stollen gebohrt und «Red Bull» hat ihn finanziert?
Heinz Koch meint
Es sieht so aus, als gäbe es eine Lösung für das Abfallproblem: einfach nach BN-800 Reaktor googeln.
gotte meint
das habe ich jetzt gemacht. die eine info sagt mir, dass man damit aus 1kg uran 1.3kg plutonium herstellen könne. die andrere info sagt mir, dass man mit dem teil die abfallproblematik lösen könne. ein perpetuum mobile aus superstrahlendem supergift – ich weiss nicht, aber unter „lösung“ verstehe ich etwas anderes.
Heinz Koch meint
Wenn das Teil funkioniert, ist dass doch der Super-Gau für die Anti-Atom-Bewegung: Atommüll wird als Brennstoff verwertet. Das Volumen wird um den Faktor 10 verkleinert, bei einer Reststrahlungsdauer von 300 Jahren.
Markus Schöpfer meint
Ja, aber das ist ein Debakel für den franz. Hersteller. Jahrelange Verzögerung, Kostenüberschreitung…
Rainmaker meint
Der Erkenntnisgewinn strebt wohl in der Tat gegen Null. Stellt Euch aber einmal vor, was für Forschungsprojekte man mit den 150 Millionen hätte finanzieren können…..