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So­la­ris und die Po­li­tik

2. März 2016 By M.M.

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In mei­nem Bü­cher­ge­stell ste­hen un­zäh­li­ge Bü­cher, die ich nie zu En­de ge­le­sen ha­be. Weil bei Sach­bü­chern bei­spiels­wei­se die Kern­the­sen schon nach den ers­ten Dut­zend Sei­ten zu flach sind oder bei Ro­ma­nen die Hand­lun­gen und Per­so­nen lang­wei­len.

Dann gibt es noch die­se Fe­ri­en­ro­ma­ne. Die liest man in ei­nem Rutsch durch, weil sie un­ter­hal­ten und Schluss.

Und es gibt ein paar we­ni­ge Bü­cher, die ei­nem der­art be­ein­dru­cken, dass man sie ein Le­ben lang nicht mehr ver­gisst. Wo­bei die Hand­lung mit der Zeit ih­re kla­ren Kon­tu­ren ver­liert. Es ist je­doch die­ser ei­ne Ge­dan­ke, die­ses prä­gen­de Bild oder ei­ne be­klem­men­de Stim­mung, die einen für den Rest des Le­bens be­glei­ten. Bei­spiels­wei­se die­ses Bild, wenn sich Kaf­kas Gre­gor Sam­sa über Nacht in ein «un­ge­heu­res Un­ge­zie­fer» ver­wan­delt. Oder die­ses schick­sal­haf­te Vor­wärts­s­tol­pern in «Der ta­len­tier­te Mr. Ri­pley» von Pa­tri­cia Highs­mith, wo man ge­gen das En­de des Ro­mans hofft, dass Tom Ri­pley mit sei­nen Mor­den da­von­kommt. Oder die Dy­na­mik in «Man­hat­tan Trans­fer» von Dos Pas­sos, die­ses Puzz­le aus in­ein­an­der ver­strick­ten Ein­zel­schick­sa­len und zu­fäl­li­gen Be­geg­nun­gen.

Ganz wie im rich­ti­gen Le­ben.

Ein Ro­man be­legt auf mei­ner durch­aus noch er­weiter­ba­ren Lis­te den obers­ten Platz: Sta­nis­law Lems «So­la­ris», den ich An­fang der Sieb­zi­ger­jah­re ge­le­sen ha­be. Kurz zur Hand­lung: ­Men­schen ha­ben in der Um­lauf­bahn ei­nes fer­nen Pla­ne­ten ei­ne Raum­sta­ti­on ein­ge­rich­tet. Die­ser Pla­net ist ein gal­lert­ar­ti­ger Ozean, auf des­sen Ober­flä­che sich fort­wäh­rend bi­zar­re For­men ­her­aus­bil­den. Ob es sich da­bei um zu­fäl­li­ge Er­schei­nun­gen han­delt, wird be­ant­wor­tet, als sie er­ken­nen, dass es ihr Un­ter­be­wusst­sein ist, das die durch­aus re­al er­schei­nen­den «Le­be­we­sen» her­vor­bringt.

Mich hat Lems ur­sprüng­li­che Fra­ge­stel­lung, ob es Men­schen über­haupt ge­lin­gen wer­de, mit Le­bens­for­men an­de­rer Pla­ne­ten zu kom­mu­ni­zie­ren, nicht wirk­lich in­ter­es­siert. Was mich hin­ge­gen bis heu­te an die­sem Ro­man fas­zi­niert, ist die Über­tra­gung der Hand­lungs­idee in un­se­re ei­ge­ne Rea­li­tät, die Fra­ge al­so, ob es nicht un­se­re ei­ge­nen Ge­dan­ken und Vor­stel­lun­gen sind, de­nen wir im­mer wie­der be­geg­nen. Wir er­ken­nen nur das, was wir im­stan­de sind zu er­ken­nen. Ich möch­te nun aber kei­nes­wegs in eso­te­ri­sche Sphä­ren ­ab­he­ben. Schliess­lich soll auch das hier wie­der ei­ne po­li­ti­sche Ko­lum­ne wer­den.

Des­halb die Kur­ve: Am au­gen­fäl­ligs­ten wird die­ses in der ei­ge­nen Ge­dan­ken­welt her­vor­ge­brach­te und dann nach aus­sen pro­ji­zier­te «Bild von et­was» in der Po­li­tik. Po­li­ti­sche Pro­gram­me und Pa­ro­len sind meis­tens recht ei­gen­wil­li­ge In­ter­pre­ta­tio­nen der Wirk­lich­keit. Völ­lig los­ge­löst von nüch­ter­nen Fak­ten wer­den bi­zar­re Bil­der ­aus­ge­wor­fen, die als Rea­li­tät in­ter­pre­tiert wer­den. Ter­ro­ris­ten, zum Bei­spiel, ha­ben sich trotz der Tat­sa­che, dass die al­ler­meis­ten von uns nie in ih­rem Le­ben einen zu Ge­sicht be­kom­men wer­den, fest in un­se­re Vor­stel­lungs- und Ge­dan­ken­welt ein­ge­nis­tet. Die Frau mit Kopf­tuch, der jun­ge Mann mit Bart – Mus­li­me? Ter­ro­ris­ten!

Die Ana­lo­gie zum So­la­ris-Ozean, der sich als den­ken­des We­sen ent­puppt: Mit dem In­ter­net ent­wi­ckelt un­ser Pla­net selbst ein vom mensch­li­chen Den­ken un­ab­hän­gi­ges Ge­hirn. Die­ser ­Pro­zess scheint un­um­kehr­bar und des­sen von Al­go­rith­men her­vor­ge­brach­ten Ema­na­tio­nen ­wer­den die Zu­kunft der Men­schen mehr ­be­stim­men als po­li­ti­sche Pro­gram­me. Das sind so Sa­chen, die ei­nem auf ei­ner lan­gen Au­to­fahrt durch Ar­gen­ti­ni­en durch den Kopf ge­hen.

Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 2. März 2016 .

Kategorie: BaZ-Kolumne, Südamerika 2016 Stichworte: Argentinien, BaZ-Kolumne, Chile

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