Inzwischen hat es sich rumgesprochen: Interviews in Zeitungen sind ein konstruierter Witz.
Weil die Antworten aus dem Zettelkasten stammen.
Man sagt nicht, was man denkt, sondern was der Zettelkasten an vorgebenen Antworten hergibt.
Was eigentlich egal ist, denn Inverviewte reden nicht zum Alltagszeitungsleser, sondern zum ausgewählten Kreis in der eigenen Blase.
Weshalb die Erkenntnisse, die alle anderen aus Zeitungsinterviews schöpfen können, praktisch bei Null liegen.
Nehmen wir beispielsweise dieses Interview heute in der BaZ mit Herrn Dätwyler, dem Chef der Basler Handelskammer.
Er zieht aus seinem Zettelkasten folgende Sätze, um etwas zur verfahrenen Situation mit der EU zu sagen. (Die Sätze bilden die Antwort zu einer Frage; ich habe sie gestückelt.)
„Ja, wir glauben nach wie vor an den bilateralen Weg.“
Das ist immer der erste Satz für jedes EU-Thema. Das Glaubensbekenntnis all derer, die nicht in der SVP sind.
Würde Herrn Dätwyler und den vielen anderen Anhängern seiner Glaubensgemeinschaft dieser Satz abhanden kommen, ihnen würde der Teppich unter den Füssen weggezogen.
„Die EU bleibt der wichtigste Handelspartner.“
Der Satz ist demgegenüber ein Faktum. Und ist in etwa so erhellend wie: Die Sonne geht im Osten auf.
„Dies hat in der Vergangenheit sehr gut funktioniert.“
Dieser nächstfolgende Satz hängt irgendwie in der Luft; bezieht er sich auf „wichtigste Handelspartner“, „den bilateralen Weg“ oder gar aufs Glauben?
Auf alle Fälle: Wer glaubt, versichert sich im Rückspiegel.
„Schlecht können diese Verträge deshalb nicht sein.“
Ist augenzwinkernd ironisch gemeint. Sie sind seit Neuestem jedoch insofern schlecht, als die EU sie nicht mehr fortsetzen will und eine ziemlich grosse, kapitalstarke Politikkohorte in der Schweiz nur noch bedingt.
„Wir müssen daran festhalten.“
Ein Mutmacher für Ratlose.
Woraus folgt:
„Es braucht irgendeine Form eines institutionellen Abkommens.“
Mir gefällt dieses Indefinitpronomen „irgendein“ – etwas Beliebiges aus einer vermeintlichen Auswahl zu fordern, ist der Dreh- und Angelpunkt des schweizerischen Politbetriebs.
„Darum herum kommen wir nicht.“
Das ist der einzige Satz, der die Schweizer wirklich aufschreckt, der ihnen den Schlaf raubt. Der ihren Glauben an die immerwährende Entscheidungsfreiheit der Eidgenossen zutiefst erschüttert.
„Wir sollten dies zügig vorantreiben und nicht zu lange zuwarten.“
Sagten die versammelten Eidgenossen kurz vor der Schlacht bei Sempach und richteten die Augen auf Winkelried.
Ceterum censeo: Die Tage der massgeschneiderten Bilateralen sind gezählt.