Es gibt diese Diskussion um die niedrige Inflationsrate. Sie sei des Teufels und müsse bekämpft werden. Denn sie könnte in eine Deflation ausarten. In diesem Jahr können wir eine Minusteuerung erwarten, vor allem wegen der sinkenden Energiepreise.
Nun sollte man aber Deflation, welche auch Lohnsenkungen beinhaltet, nicht mit einer Minusteuerung verwechseln. Es ist doch das natürliche Verhalten des Homo oeconomicus, dass er das Objekt der Begierde so günstig, wie es der Markt hergibt, ersteht. Ich rede nicht vom Schnäppchenjägern, sondern vom heutzutage völlig normalen Einkaufsverhalten. Dem Internet sei Dank, war es doch noch nie so einfach, die Preise zu vergleichen.
Mit anderen Worten: Es gibt diese offizielle Preisentwicklung aufgrund des staatlich zusammengestellten Warenkorbes. Und es gibt die höchstpersönliche Preiskurve, ausgelöst durch Marktverhalten. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Bereich «Sehhilfe».
Eine Brille ist ja nicht ein Alltagsgegenstand, sondern man trägt sie für alle sichtbar mitten im Gesicht.
Ich habe bis vor drei, vier Jahren ziemlich viel Geld für so ein Brillengestell samt den geschliffenen Gläsern ausgegeben. Kürzlich habe ich mir eine neue gekauft für sagenhafte 161 Franken mit allem Drum und Dran. Ich habs zunächst nicht geglaubt, weil das gegenüber meiner alten Brille einer Preissenkung um den Faktor zehn entspricht.
Wobei billig nicht mehr wie früher mit Ramsch oder Auslaufmodell gleichzusetzen ist. Und wenn ich die Rabattliste des neuen Autos anschaue, dann freue ich mich über die Fantasie des Händlers.
Mit anderen Worten, das Leben in der Schweiz ist in den letzten Jahren spürbar billiger geworden. Auch wenn man nicht mit dem 8er nach Weil rausfährt. Mein persönliches Konsumverhalten ist stark im «deflationären» Bereich, was bedeutet, dass ich auch für die Dinge für den Alltagsbedarf kaum je den Preis bezahle, der auf dem Etikett steht.
Während also im täglichen Leben kaum etwas von Preissenkungen verschont geblieben ist, gibt es einen Bereich, der in der alten Preisinselmentalität verharrt: die Leistungen des Staates. Würde man die staatlichen Leistungen und was wir dafür bezahlen in einem separaten Warenkorb berechnen, dann bin ich davon überzeugt, wäre das Resultat eine Inflationsrate, die einem südamerikanischen Staat alle Ehre machen würde.
Zwar scheuen Politiker vor den Wahlen das Wort «Steuererhöhung» auch nur zu denken, doch wenn es um «Gebühren» geht, gibt es für sie kein Halten. Gebühren gelten für alle gleich, sind deshalb keine Steuern, treffen deshalb jene mit den hohen Einkommen weniger, was gut ist, denn die Einflussreichen sollte man tunlichst pfleglich behandeln. Der Fantasie der Politiker sind offensichtlich keine Grenzen gesetzt. Ob Strassen oder Abfall, ob Pass oder Trauschein, wo immer möglich, wird eine Gebühr erhoben.
Das Problem mit dem Staat ist, dass er sich völlig ausserhalb der Regeln der Marktwirtschaft bewegt. Ein Regierungsrat kann sich hinstellen und erklären, er habe keine Ahnung, wie es im Spitalbereich zu einer Preissteigerung von 30 Prozent kommt. Eine andere verkündet, man finanziere eine neue Schnellstrasse über einen Sonderfonds auch bekannt als neue Gebühr.
Was unter dem Strich bedeutet, dass man vom Staat für sein Geld längst nicht mehr den Gegenwert von früher bekommt.
Schaffen wir ihn doch einfach ab, den Staat. (Okay, ein Scherz.)
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 14. Januar 2015.
Sissachr meint
Man muss vielleicht entschuldigend für den Staat anmerken, dass gerade die Anbeter der Marktwirtschaft immer wieder verlangen, dass Gebühren kostendeckend sein sollen (ergänzen sollten sie dann noch: Und damit man JA nicht die Steuern erhöhen muss, welche ja irgendwie solidarisch auf die Leistungsfähigkeit des Staatsleistungskonsumenten ausgerichtet wäre). Beispiel gefällig? Eine 5-köpfige Familie bezahlt fünfmal die Gebühren für eine Identitätskarte. Ob sie nun ein Einkommen von 50’000 oder 500’000 Franken versteuert, sei dahingestellt. Die ID war früher glaubs so 15 Fränkli, eigentlich braucht ja jeder eine, wieso also diese Kosten nicht von den Steuern bezahlt werden, ist schleierhaft. Viele Gebühren (Wasser, Abwasser, Abfall) sind zudem in Spezialfinanzierungen „ausgelagert“, weil früher viel Schindluderei getrieben wurde damit. Abwassergebühren können nur für den Erhalt und den Ausbau der Kanalisation verwendet werden. Andererseits ist die Steuerbelastung für Einkommen in den letzten Jahren fast schweizweit gesunken, die Erbschaftssteuer wurde ausgerottet und für die Vermögenssteuer gibts Jersey.
Daniel Schneider meint
Neue Gebühren einführen, Steuern nicht senken und dann noch Steuern auf den Gebühren erheben. So kommen wir automatisch zu Steuererhöhungen, ohne dass es die meisten von uns realisieren.
Beispiele: Radio und Fernsehgebühren werden mit 2.5% MWST besteuert. Das sind rund CHF 33 Mio. für dem Bund, der sich für die Aufsicht bereits rund CHF 4 Mio von den Gebühren nimmt.
Oder ist Ihnen bewusst, dass wir alle auf den Kehrichtsackgebühren 8% MWST bezahlen! Auch diese Gebühren sind gesetzlich (Umweltschutzgesetz) vorgeschrieben. Sie waren damals als Lenkungsabgabe vorgesehen.
Meury Christoph meint
Zeitweise verschenkt der Kanton ohne Not auch mal tüchtig Geld: Die Schweizerischen Rheinhäfen erwirtschaften auf dem gesamten, 1,5 km² großen Hafen-, respektive Industrieareal (Basel, Birsfelden, Muttenz), jährlich magere 8’148’989.- CHF. Davon gehen 7’740’000.- CHF als Gewinnausschüttung, respektive Baurechtszins, an die beiden Kantone BL/BS.
Über 100 global agierende Firmen tätigen auf den drei Industriearealen täglich ihre Geschäfte. Eine gewinnorientierte Hafenbewirtschaftung könnte daher auch für die beiden Kantone ein lohnendes Geschäftsmodell mit hochwertigen Industrie- und Wirtschaftsarealen werden. Aber nicht bei den aktuell geltenden Baurechtszinsen, welche jährlich bei rund 5.- Franken pro Quadratmeter liegen. Das ist für wertvolles Industrieland ein Schnäppchenpreis.
Wir gönnen diesen Firmen ihre guten Geschäfte. Das Allgemeinwesen soll aber zukünftig von diesen Industriearealen vermehrt profitieren. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso die Kantone, respektive stellvertretend die Schweizerischen Rheinhäfen, das Land zu Dumpingpreisen zur Verfügung stellen. Eine subventionierte Industrie können wir uns definitiv nicht leisten.
Daher gilt: Man sollte das fehlende Geld nicht via Steueren und Gebühren bei Otto Normalverbraucher holen, sondern auch mal die Wirtschaft zur Kasse bitten. Geld „verschenken“ ist definitiv keine Option.