Wenn wir uns vorzustellen versuchen, wie es denn für uns sein wird, in zehn oder zwanzig Jahren, fährt unser Gehirn paradoxerweise seine Aktivität just in jener Region (präfrontaler Cortex) herunter, wo die der jeweiligen Situation angepasste Handlung gesteuert wird und in dem die emotionalen Prozesse reguliert werden. Je weiter weg die gedachte Zukunft ist, desto mehr tut unser Hirn so, als handle es sich um eine uns völlig unbekannte Person, ja sogar um eine, die einem ziemlich gleichgültig ist.
Diese wissenschaftlich untermauerte Erkenntnis erklärt wohl, weshalb derart viele Menschen sich nicht die geringsten Gedanken über ihre finanzielle Situation nach der Pensionierung machen. Und mit ihrer Ignoranz im Blindflug in eine jahrelange wirtschaftliche Notlage steuern. Weil sie vom Gefühl geleitet werden, das sei das Problem der anderen, nur von einem selbst nicht. Und sie blenden damit bis kurz vor ihrer Pensionierung aus, dass das im Moment angenehme Leben nicht von Dauer ist. Nach der Pensionierung bleiben ohne zusätzliches Sparen nur noch knapp 60 Prozent des bisherigen Einkommens.
Wer also zu seinem 65. Geburtstag die AHV-Abrechnung mit seinem Einkommen auf Franken und Rappen über alle seine bisherigen Berufsjahre zugestellt bekommt und dazu noch die Rentenbescheinigung der 2. Säule, hat einen finanziellen Urteilsspruch in Händen, der bis ans Ende seiner Tage gilt. Wer sich nicht kümmert und spätestens ab 55 radikal zu sparen beginnt, stellt spätestens dann fest, dass das Geld hinten und vorne nicht reicht. Um seinen Lebensstil beibehalten zu können, benötigt man mindestens 80 Prozent des letzten Familieneinkommens. Wer Teilzeitarbeit arbeitet, soll sich keine Illusionen machen: Es wird nie und nimmer reichen.
Wer also 50 wird, kann von jetzt an kluge und weniger kluge Anlageentscheide treffen. Der Kauf von Dingen, deren Wert bis zur Pensionierung auf null sinkt, ist kein kluger Anlageentscheid. Ab fünfzig muss man beginnen, sich bei grösseren Anschaffungen zu fragen: «Brauche ich das wirklich?» Wer in diesen 15 Jahren jedes Jahr 8000 Franken zurücklegt, spart bis zu seiner Pensionierung 120 000 Franken an. Die kann man in die Pensionskasse nachzahlen. Das entspricht bei einem Umwandlungssatz von sechs Prozent einem monatlichen Rentenplus von 600 Franken. Auf immer; man schliesst mit dieser Investition eine Wette auf seine restliche Lebenszeit ab.
Auf dem Sparkonto wären die 120 000 Franken nach gut 17 Jahren aufgebraucht. Für die Pensionskasse gilt dies nicht. Im 18., 19. und all den kommenden Jahren werden diese zusätzlichen 600 Franken weiterhin ausbezahlt. Sterbe ich vorher, dann hat die Pensionskasse gewonnen. Was einen, wenn man tot ist, wohl nicht mehr kümmert.
Während Mitarbeiter in der Privatwirtschaft mit den Zusatzzahlungen ein gewisses Risiko eingehen, sind Staatsangestellte fein raus. Gerät deren Pensionskasse wie im Landkanton (als Dauerzustand) in Schieflage, haben sie keine Rentenkürzung zu befürchten. Der Steuerzahler springt ein.
Hört also auf mit dem Gejammer über sinkende Umwandlungssätze. Fangt auf Teufel komm raus mit Sparen an. Nicht die anderen, sondern jeder Einzelne muss sich kümmern, wie er das Leben nach der Arbeit finanziert.
Übrigens: Ich kann mir nun weiss Gott nicht vorstellen, mit achtzig hinter einem Rollator herzutrotten. Das machen nur die anderen.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 19. April 2017
Hausfrau Hanna meint
Auch so,
lieber Herr Arlesheim Reloaded,
kann ‚man‘ es sehen… :
‚Spare in der Zeit nicht,
dann hast du zwar in der Not nichts,
aber du hast es wenigstens
in der Zeit gehabt.‘ Luisa Francia
Herzlichen Gruss
Hausfrau Hanna Basel