Um vorauszuschicken, um was es hier überhaupt geht: Ich schreibe, weil das für mich die einzige Möglichkeit ist, um den täglichen Irrsinn zu verarbeiten.
Eine Art Selbsttherapie. Mehr ist das nicht.
Das gesagt, kommen wir zum „Rohstoffvertrag“, den die USA bzw. Trump mit der Ukraine abschliessen werden und der in den letzten Tagen in europäischen Medien und Politikern von daselbst für helle Aufregung gesorgt hat.
Die Rede war von „plumper Erpressung“ und von einem „Knebelvertrag“ und Scholz nannte das Ansinnen der USA „sehr egoistisch, sehr selbstbezogen“.
Doch es gilt (mein therapeutischer Ansatz): Always look at the bright side of life.
Seit gestern liegt die letzte Version des Papiers im Wortlaut vor – eine exzellente Arbeit der ukrainischen Unterhändler.
Das fängt schon beim Titel an, wo es nicht mehr um Rohstoffe geht, sondern um den Wiederaufbau des Landes.
BILATERAL AGREEMENT ESTABLISHING TERMS AND CONDITIONS FOR A RECONSTRUCTION INVESTMENT FUND
Das Abkommen ist im Wesentlichen ein Rahmenvertrag, der keine spezifisch einklagbaren Verpflichtungen enthält. Stattdessen verweist es auf zukünftige Vereinbarungen, in denen konkrete Zusagen erst noch festgelegt werden müssen.
Zunächst: Statt um moralischen Beistand, geht es jetzt um die Verteidigung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen.
The Government of the United States of America supports Ukraine’s efforts to obtain security guarantees needed to establish lasting peace. Participants will seek to identify any necessary steps to protect mutual investments, as defined in the Fund Agreement.
Folgende Punkte scheinen mir wichtig:
- Die USA bieten langfristiges finanzielles Engagement und nicht nur kurzfristige Hilfszahlungen; die USA helfen dabei, westliche Investoren anzulocken, was die wirtschaftliche Erholung der Ukraine beschleunigen könnte.
- Die Rohstoffgelder fliessen in einen Fonds für den Wiederaufbau und zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Landes.
- Die USA unterstützen die Ukraine bei der Erlangung langfristiger Sicherheitsgarantien.
- Der Fonds soll zur wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit der Ukraine beitragen und langfristige Investitionen schützen.
- Das Abkommen stellt sicher, dass Russland und prorussische Akteure nicht finanziell vom Wiederaufbau profitieren.
Interessant ist noch ein letzter Punkt – der Bezug auf das Budapesterabkommen von 1994. Damals hatte die Ukraine auf die aus dem Nachlass der Sowjetunion im Land verbliebenen 1’900 Atomsprengköpfe, plus Interkontinentalraketen und strategische Bomber verzichtet. Im Gegenzug hatte Russland zugesichert, die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren und auf wirtschaftlichen Zwang und militärische Drohungen zu verzichten.
Diese Vorausleistungen werden nun ebenfalls gewürdigt:
WHEREAS the United States of America and Ukraine recognize the contribution that Ukraine has made to strengthening international peace and security by voluntarily abandoning the world’s third largest arsenal of nuclear weapons;
Nochmals: Die ukrainischen Unterhändler haben in den letzten Wochen und Tagen exzellente Arbeit geleistet.
Sie haben grundlegende Prinzipien in die Präambel aufgenommen, die von der Trump-Administration bisher in Frage gestellt wurden.
Und in den weiteren „Friedensverhandlungen“ mit Putin nicht einfach ignoriert werden können.
Zudem ist das Grundlagenpapier bewusst vage gehalten, um verbindliche Verpflichtungen zu vermeiden, während es gleichzeitig spezifisch genug bleibt, um seinen Zweck zu definieren. Sollte die USA den Rahmen der festgelegten Grundsätze verlassen, verliert das Dokument jegliche praktische Relevanz.
PS: Knebelvertrag und Ausnützen einer Notlage: Grossbritannien hat seine Schulden (Lend-Lease) für die Hilfe der USA im Zweiten Weltkrieg erst im Jahr 2006 mit einer letzten Zahlung getilgt und, hört, hört, im gleichen Jahr hat dies auch Russland mit einer Restzahlung an die USA getan.