Eigentlich habe ich dieses Zweiseiteninterview mit Roger de Weck gar nicht lesen wollen. Ich meine, wer hat schon Montagfrüh Lust, einen solch langen Text zu lesen, wenn man schon von vornherein weiss, dass der SRG-Chef nicht viel Neues zur Erhellung der Lage beisteuern wird.
Doch ich muss zugeben, je weiter ich mich durch das Interview arbeitete – bei Spiegelei, selbst gebackenem Brot und Kaffee aus der French Press –, desto mehr entzückten mich de Weck’schen Sätze wie diese: «Das Medienhaus SRG gehört letztlich den Bürgerinnen und Bürgern …» und «Service public ist eidgenössische Solidarität …» oder «Die Schweiz ist ein Projekt, ein Projekt des Miteinanders von vier Kulturen und Mentalitäten …» oder gar dieser: «Wir brauchen einen aufgeklärten Patriotismus der Institutionen.» Je wärmer mir ums Herz wurde, desto kälter wurden Spiegelei und Kaffee.
Weshalb ich eine kurze Lesepause einlegen musste.
Während ich so mit Messer und Gabel an meinem Spiegelei herumhantierte, tauchte dieses Bild, diese unvorstellbare Szene auf: Roger de Weck kommt nach einem sitzungsreichen Arbeitstag ziemlich schlaff nach Hause, schnappt sich ein Bier aus dem Kühlschrank, klappt den Karton mit der eben gelieferten Pizza (con Rucola) auf und fläzt sich so ausgestattet aufs bequeme Sofa, um sich einen vergnüglichen Fernsehabend zu machen. Und er ärgert sich, weil sich die letzte Sitzung so lange hinzog, dass er «Mini Beiz, dini Beiz» schon wieder verpasst hat. Aber für die «Tagesschau» hat es noch gereicht. Doch das Highlight ist für ihn, wie jeden Dienstagabend, der «Kassensturz».
Von der Sendung hat er in den letzten fünf Jahren genau deren vier verpasst.
Doch Roger de Weck wohnt ja nicht in der Agglo, gehört deswegen nicht zu jenen 40 Prozent, welche die Serie «Der Bestatter» zu einem Quotenhit gemacht haben. So wie ich Herrn de Weck einschätze, findet er wie ich das meiste, was das Schweizer Fernsehen ins Haus liefert, ziemlich ärgerlichen Schrott.
Was er so nie sagen würde.
Nun könnte es mir, im Gegensatz zu ihm, ziemlich egal sein, was die so senden, läge da nicht diese nationale Haushaltssteuer für den Radio- und Fernsehkonsum zur Abstimmung auf dem Tisch, der Anlass für dieses zweiseitige Interview.
Die Frage, mit der man mich herausfordert, ist nicht die nach dem Systemwechsel, sondern weshalb ich überhaupt für das SRG-Programm eine im Grunde genommen systemwidrige eidgenössische Steuer bezahlen muss.
Es handelt sich nicht um ein Abo oder eine Gebühr, sondern um eine eidgenössische Steuer «ohne direkte Leistung vom Bund», wie das Bundesgericht eben festgestellt hat.
Somit zählen nicht die Fantasiegebilde des SRG-Direktors, sondern die Fakten eines Normalos, und die lauten: 90 Prozent des gesendeten Programms liegen völlig ausserhalb meiner Interessen. Die Musik, die gerade eben im Hintergrund läuft, kommt von einem Internetsender aus den USA. Nachrichten und Hintergrundanalysen werden mir 24/7 aufs Handy geliefert. Für Serienabende habe ich Netflix abonniert.
Herr de Weck weiss, dass die von ihm geschilderte Fernsehwelt der Vergangenheit angehört. Er weiss, dass lineares Fernsehen, das immerhin 50 Jahre Bestand hatte, nur noch als Minderheitenprogramm eine Zukunft hat. Und er weiss, dass seine Sender nur mit einer Bundessteuer derart üppig ausgestattet überleben werden.
Selbst ohne Publikum.
Alex Schneider meint
Entwicklung der SRG-Gebühreneinnahmen und Service public
1987-1990 betrugen die SRG-Gebühren Fr. 279.60, 2015 sind es Fr. 462.40, also plus 65,4 Prozent. Der Index der Konsumentenpreise stieg von 1987 bis 2015 aber nur um 45,3 Prozent. Zudem hat die Bevölkerungszahl von 1987 bis 2014 um 1,67 Mio oder 25 Prozent zugenommen. Die Gebühreneinnahmen der SRG betrugen 2013 1,2 Mia CHF. Damit konnte im Laufe der Jahre eine grosse Programmausweitung stattfinden, obwohl die zusätzlichen Nutzer keine zusätzlichen Kosten für die SRG verursachten! Es ist erstaunlich, dass sich Politikerinnen und Politiker erst jetzt gegen diese enorme Steigerung der Gebühreneinnahmen der SRG und der damit verbundenen Ausweitung des Service public wenden.
Exil-Basler meint
– Die ganze Vorlage ist nach dem Bundesgerichtentscheid obsolet.
– Die Bundesverfassung schützt die Informationsfreiheit (Art. 16).
– SRF vertschuttet seine Inhalte freiwillig und ohne Druck von Aussen im Internet.
– Die bisherige Zwangsabgabe und die geplante „Mediensteuer“ sind illegal.
– Wenn SRF Geld will: PayTv & Paywall. Dann ist es aber natürlich vorbei mit der Politikerselbstdarstellungsplattform SRF.
Kurz: Jede Rechnung, die in Zukunft Geld für SRF einfordert, wird von mir juristisch angefochten.