Ende der 80er-Jahre habe ich den Regierungsratswahlkampf von Herrn Nordmann (FDP, BL) organisiert.
Wie man weiss, ging der verloren und Herr Nordmann konnte sich in Bern verwirklichen.
Während dieses Wahlkampfs tauchte in den Kulissen eine für mich ziemlich erstaunliche Frage auf: Ist Jean-Luc Nordmann Jude?
Diskutiert wurde die Frage, ob nun Nordmann Jude sei oder nicht jeweils mit einem leicht empörten Unterton, so im Stil: Was für eine Sauerei, den Kandidaten mit einem derartigen Gerücht zu diskreditieren.
Diskreditieren weil man Jude sein könnte – hallo, in welchem Jahrzehnt leben wir denn, war meine Frage.
Die Wahlkampftruppe der FDP war jedenfalls der Meinung, man müsse etwas gegen dieses Gerücht unternehmen, weil es dem Kandiaten schaden könne.
Ich rief also Herrn Nordmann an und fragte ihn, ob er denn Jude sei, da sei eine Diskussion darüber im Gange.
Er war ziemlich überrascht.
Nein, sagte er. Sein Grossvater sei Jude gewesen und dann zum christkatholischen Glauben gewechselt. Er sei Christkatholik.
Worauf ich ziemlich spontan meinte, damit verlören wir Stimmen bei den konservativen CVP-Anhängern im Laufen- und im Leimental.
Und so ist es denn auch gewesen. (Verloren hat die FDP jene Wahl allerdings im Oberbaselbiet. Dort blieben die Anhänger der SVP zuhause.)
Gewählt wurde ein evangelischer Sozialarbeiter.
Glaubt man den Medien, dann scheint die Religion im Baselbiet auch bei diesen Regierungsratswahlen wieder eine Rolle zu spielen. Wirklich ehrlich im Umgang mit der Frage, wie hältst du’s denn mit der Religion, ist Herr Schafroth.
Er sei aus der Kirche ausgetreten, sagte er den etwas über 20 Mitglieder zählenden Parteiversammlung der Evangelischen.
Und damit war er bei denen unten durch.
Der Logik dieser Entscheidung folgend, kann man festhalten: Wäre Herr Nussbaumer nicht Mennonite Methodist sondern Jude oder gar Mohammedaner – die EVP-Mannen/Frauen hätten sich für den christlichen SVP-Mann entschieden.
Die Frage gilt auch für diese Wahlen: In welchem Jahrzehnt leben wir eigentlich?
Andrea Müller meint
Das ist der berühmte „Elefant im Wohnzimmer“. „Religion matters“, nicht nur in Brasilien, Afrika oder den USA. Auch vermehrt wieder bei uns. Nicht nur im Neo-Konservativen Baselbiet.
R.Sch'L meint
Auf seiner Website gibt E. Nussbaumer an, engagiert in der Evangelisch-Methodistischen Kirche (EMK) zu sein. >> http://www.emk-schweiz.ch/
>> http://de.wikipedia.org/wiki/Evangelisch-methodistische_Kirche
Somit haben Sie mit Ihrem Link zu den Mennoniten ein Gerücht in Umlauf gebracht.
Henry Berger meint
Sie müssen mit den Jahreszahlen etwas durcheinander gekommen sein (passiert mir mit zunehmenden Alter auch).
Das Laufental ist erst per 1.1.1994 dem Kanton BL beigetreten, somit konnte dort ein BL-RR-Kandidat dort Ende der 80er-Jahre keine Wahl verlieren
M.M. meint
Ich hab’s noch geahnt, war aber zu faul (das Alter halt), zu googeln. Aber für was hat man denn sonst seine Leser 🙂
Raphael meint
Das erstaunt mich nicht. Wenn die SP schauen welche Einstellung ein Kandidat zur Sozialpolitik und ähnlichen Themen hat, dann ist die logische Konsequenz, dass die EVP sich interessiert welche Einstellung ein Kandidat zum Christlichen Glauben hat.
Die einzige Ausnahme im Zusammenhang mit Name und Einstellung ist wohl die CVP die ja schon lange ihr C gestrichen haben möchte…
@Schewardnadse: Ich denke es ist schwierig einen direkten Zusammenhang zwischen Glaube und Tagesgeschäft zu sehen, aber die vertretenen Werte und das Verantwortungsbewusst haben bestimmt einen Einfluss, wenn auch vielleicht mehr hinter den Kulissen.
Schewardnadse meint
Die Religion hat mich bei einem Regierungsrat noch nie interessiert. Habe auch nicht das Gefühl, dass der Glaube wirklich grossen Einfluss auf das politische Tagesgeschäft hat. Oder irre ich da?