Es ist ja durchaus aufschlussreich, wenn man dieser Tage mit SVP-Exponenten redet. Sie scheinen in einer anderen Welt zu leben. Zumindest in einer anderen als die Journalisten, mit denen ich in den letzten Wochen lesend und diskutierend Kontakt hatte.
Die SVP-Anhänger geben sich siegesgewiss.
Also nicht gerade dergestalt, dass Herr Weber schon im ersten Durchgang in die Regierung einziehen werde. Sie sind jedoch zumindest der Überzeugung, dass das strategische Ziel dieses Wahlkampfs, nämlich Herrn Nussbaumer in einen zweiten Wahlgang zu zwingen, in die Nähe des Möglichen gerückt ist.
Wir haben anfangs Januar diese Strategie vorgezeichnet: Es geht jetzt nur darum, Herrn Nussbaumer in den zweiten Wahlgang zu zwingen
Um das zu schaffen, braucht Herr Weber ein Resultat, das über dem Harten-Kern-Quotienten von 34 Prozent liegt. Man geht in eigenen Wahrscheinlichkeitsrechnungen davon aus, dass er die 40er-Grenze knacken wird.
Steigbügelhalter für den zweiten Wahlgang wäre dann der grün-liberale Einzelkämpfer Schafroth,(der nach seiner absehbarer Niederlage in der politischen Versenkung verschwinden wird), dem man einen Stimmenanteil von 10% zutraut.
Die SVP-Strategen und in deren Schlepptau die von der Wirtschaftskammer gesteuerte Parteispitze der FDP wünschen sich deshalb nichts sehnlicher, als dass der Grünliberale einen schönen Achtungserfolg erzielt.
Denn ein solcher Achtungserfolg bedeutet, dass Herr Nussbaumer in den zweiten Wahlgang gezwungen wird, weil er im ersten Durchgang keine 50% plus eine Stimme erreicht.
Sollten wir am 3. März dieses Resultat vorliegen haben, dann ist in der Tat alles möglich, ein Sieg von Herrn Weber im zweiten Durchgang greifbar.
Denn Herr Nussbaumer wird dann, wie wir im Januar geschrieben haben, als Verlierer in die nächste Runde steigen müssen.
Diese Rolle kann er nicht.
PS: Interessant sind die aktuellen Sandkastenspiele in SVP-Zirkeln. Eine der Spielanlagen: Nach einem Wahlsieg Webers könnte die SVP 2015 mit einem zweiten Kandidaten ins Rennen steigen. Die Stossrichtung: Zusammen mit der FDP und der mittegeschwächten CVP den Grünen Isaac Reber aus der Regierung zu hebeln. Denn um diesen Sitz wird in zwei Jahren auch ein SP-Gespann kämpfen.
Origenes meint
Ich habe eine Frage an Herrn Messmer: Bei den kantonalen Wahlen gehen meistens 60% bis 70% der Wahlberechtigten nicht wählen, bei den eidgenössischen Wahlen etwa 50% bis 60%. Kalkulieren Sie diese Nichtwähler in Ihre Prognosen ein? Kann es z.B. nicht auch sein, dass sich wegen der Abzockerinitiative (und Lex Vasella) plötzlich zahlreiche bisherige Nichtwähler an die Urne begeben? Klar, die können natürlich auch nur einen Wahlzettel ausfüllen und die restlichen leer lassen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie trotzdem auch für die anderen Themen stimmen, ist gegeben.
M.M. meint
Ohne Abzocker und andere Themen, also nur diese Wahl, wären wir unter 40 % gelegen. Denn das war ein flauer Wahlkampf.
Aber jetzt liegt eine Beteiligung so um die 50% durchaus drin. Ich denke, dass eine hohe Wahlbeteiligung dieses Mal eher dem linken Kandidaten nützt.
Origenes meint
Danke für Ihre Antwort. Falls wir am 3.März schweizweit auf um die 50% (oder hoffentlich darüber) Wahlbeteiligung kommen, dann wäre das höchst erfreulich, egal wie das Resultat sein wird. Mir ist aufgefallen, dass viele wichtige Abstimmungen der Vergangenheit meistens von weniger als 50% der Wahlberechtigten entschieden wurden (Ausnahmen u.a. EWR 1992- und Armeeabschaffung 1989). Für mich ist es schwer nachvollziehbar, warum so viele Menschen keinen Gebrauch von ihrem Stimmrecht machen, denn die Entscheide beeinflussen ja meistens auch ihr persönliches Leben und Umfeld. Wie auch immer, ich habe kein Rezept dagegen, aber ich habe meine liebe Mühe mit Abstimmungen, die von einer Minderheit entschieden werden, egal ob diese Minderheit mal auf der rechten oder linken Seite ist. Auch wenn es nicht zu diesem Artikel gehört – aber wo sehen Sie die Gründe für die hohe Wahlabstinenz?
M.M. meint
Vielleicht sind die, die nicht gehen, einfach ehrlicher, weil sie mit ihrem Fernbleiben sagen: ich verstehe einfach nicht, über was genau ich abstimmen soll.
Eigentlich geht es mir oftmals so, entscheide mich dann für den Blindflug. Wie oft haben wir es erlebt, dass es dann anders rausgekommen ist, als uns im Bundesbüchlein gesagt wurde.
Man kann natürlich auch das Denken an die Partei delegieren. Das ist wohl der bequemste Weg.
Unsere Kinder haben übrigens im Wahlbüro der Gemeinde Zettel ausgezählt. Der Jüngste ist aktuell Präsident eines solchen in Arlese.
Rainmaker meint
Wäre noch spannend zu wissen, wie Sie auf den Harten-Kern-Quotienten von 34% gekommen sind und wie der Quotient bei Herrn Nussbaumer aussieht.
M.M. meint
Harter Kern bei Weber folgt den letzten Wahlen, man addiert also über den Daumen gepeilt den Wähleranteil der SVP, der CVP (im Kern konservativer als die Parteileitung) plus rechter Flügel der FDP.
Die Linke (SP und Grüne) bringt es aus eigener Kraft ebenfalls auf 32 bis 34 Prozent. Dann kann man jetzt noch die EVP mit gut 5% dazu rechnen, plus die Linke der FDP und der CVP („Isaac Reber-WählerInnen), dann liegt meiner Einschätzung nach Nussbaumer schon in der Ausgangslage deutlich über 40%.
Dann hat Herr Nussbaumer noch Rückenwind dank den eidg. und kantonalen Abstimmungen: Die Abzockerinitiative und der Familienartikel wird die Mobilisierung des linken Lagers beflügeln und von mir aus auch die Schlösserinitiative.
Ich kann mir zudem vorstellen, dass in BL die Vasella-Millionen einen jetzt-erst-recht-Nussbaumer-Impuls auslösen. Bis tief in die Mitte hinein.
Interessant dürfte dieses Mal die Zahl der leer eingelegten und die mit zum Beispiel mit Manfred Messmer eingelegten Wahlzettel sein.
Letztes Mal waren es, wenn ich mich richtig erinnere, solche 20’000 Wahlzettel, mit denen die Wähler ihren Unmut mit den Kandidaten ausdrückten.