Am 7. Februar haben wir den nachfolgenden Beitrag „Abschied von der SVP“ veröffentlicht. Mit den Wahlen vom Sonntag hat er inhaltlich nicht an Aktualität eingebüsst. Vielmehr: wir hatten recht mit unserer Einschätzung:
Ich kenne einige Führungskräfte, die in den Wahlen der letzten Jahre – wie ich – SVP gewählt haben. Das waren – wie ich – Wähler, die als bürgerlich denkende Unternehmer und Führungskräfte “natürlicherweise” der FDP nahe standen oder gar der Partei angehörten.
Denn als die FDP auch in Wirtschaftsfragen nach links schwenkte und damit der SVP das Feld überliess (die überdies mit einer geschickten Filzkampagne, welche die Freisinnigen in tiefe Selbstzweifel stürzte), lag die Wahl der SVP auf der Hand.
Gewählt wurden jedoch nicht dieser oder jener Kandidat der Partei, sondern lediglich ein Mann und sein Programm: Christoph Blocher.
Die nationalen Wahlen, ja selbst kantonale wurden zur Grundsatzfrage über die künftige politische Gewichtung. Herr Blocher bekundete keine Mühe damit, sich als Vertreter der Wirtschaft darzustellen.
Herr Ospel applaudierte. Das war vor der Finanzkrise.
Mit anderen Worten: Wer genau in den kantonalen Parlamenten für die SVP einen Stuhl eroberte, war keine Überlegung wert. Selbst bei den Nationalratswahlen spielte die Persönlichkeit der einzelnen Kandidaten keine Rolle. Sie interessierte schlichtweg nicht.
Die SVP zog aus ihrem Erfolg in vielen Kantonen die falschen Schlüsse.
So meinte sie beispielsweise im Kanton Baselland in einem Anfall von dreister Überheblichkeit, sie könne auch mit “der Unfähigkeit in Person” den einzigen Ständeratssitz erobern oder glaubte in anderen Kantonen, allein mit forschem Auftreten in die jeweilige Regierung zu gelangen.
Ein Irrtum. Die SVP ist Blocher. Blocher ist das Programm. Das Programm ist das, was interessiert.
Wenn ich mich umhöre, dann findet ein Umdenken statt. Zum einen ist der einstige Glanz des Herrn Blocher am verblassen. Übrig bleibt ein Mann, der in seiner Tonspur hängen geblieben ist; Number Nine, Number Nine, Number Nine, Number Nine (berümteste Endlosschlaufe der Popmusik).
Zum anderen rückt das Interesse an der Qualifikation des Personals bei einer Partei, welche 30 oder gar 40 Prozent Wähleranteil anstrebt, nun stärker ins Zentrum. Und man stellt fest: nur ganz wenige in der SVP verfügen über die Qualiäten eines Peter Spuhler.
Im Kanton Basel-Landschaft beispielsweise stehen ein paar sehr schwierige parlamentarische Diskussionen bevor, wo, anders als in Abstimmungskämpfen, Sachverstand kein Hindernis darstellt.
Jeder Unternehmer weiss, dass bei einem stürmischen Wachstum das Rekrutieren von qualifiziertem Personal ab einem bestimmten Punkt der Unternehmensentwicklung zum zentralen Problem wird.
Was die SVP nicht tun kann, jedoch jedes Unternehmen tut: Man rekrutiert die fehlenden Spezialisten im Ausland. Und das ist ein Stichwort, das ins Gewicht fällt. Kürzlich hat mir ein Unternehmer erklärt, er habe jegliche Unterstützung für die SVP eingestellt, weil er inzwischen einige Ausländer im Kader habe.
Man darf also gespannt sein, ob es der SVP gelingt, die vereinigte Unzufriedenheit tatsächlich zu mobilisieren. Zumal das Prekariat die Wahlurnen meidet.
Trotz Umfragehoch: Ich sage voraus, dass die SVP ihren Siegeszug nicht wird fortsetzen können. Sie wird weder im Kanton Basel-Landschaft noch in den nationalen Wahlen 30 % erreichen.
mehrlinks meint
… Der zuerst arme nun reich und mächtig gewordene Nachkomme eines eingewanderten, schwäbischen, pietistischen Predigers wird sein Denkmal bekommen, am besten als hemdsärmliger Holzfäller (à la Hodler) oder, auch nicht schlecht, als Hühnerfutter streuender Aetti (à la Anker) … das wird doch gut in die uns umgebenden europäischen „ökonomischen Trümmerlandschaften“ passen …
Liberopoulos meint
Journalisten tendieren zur Personifizierung. SVP ist hauptsächlich Blocher. Zu einem kleinen Teil sind es auch Themen wie Umgang mit Ausländer, Einwanderung, Scheininvalide oder kriminelle Ausländer. Diese Themen haben mitlerweile vordergründig auch andere Parteien aufgenommen und präsentieren Scheinlösungen. Die Themen können die anderen Parteien übernehmen, den Blocher nicht. Und der bringt trotz überschrittenem Zenit immer noch 26 % Wählerstimmen. Ist immer noch eindrücklich, wie auch seine stündigen freien Reden. Das schaffen in der Schweiz nur politische Ausnahmekönner. Mal schauen, was nach Blocher kommt.
Gotte meint
es scheint (videtur), als wäre der schein (lucet) der „schein-“ kombinationen (videtur) inwzischen verblasst (lucet): der kaiser ist füdliblutt. mm und sapienti schon immer sat.