In einem der Posts hat sich eine Diskussion über den Einfluss der linken Medien und die Kaufkraft der SVP entwickelt. Es wurde hier und wird immer wieder an anderen Orten darüber lamentiert, dass linke Journalisten das Volk aufhetzen, dass es eine Gleichschaltung der Medien gäbe.
Ohne Zweifel ist es schon so, dass die Position der meisten Journalisten links ist. Doch dies hat weniger damit zu tun, dass sich in den Redaktionen besonders viele alt 68er tummeln. Vielmehr ist es so, dass die überwiegende Mehrheit der Intellektuellen von Haus aus „links“ steht, wobei man dieses „links“ in den meisten Fällen nicht mit einem Parteibuch in Verbindung bringen muss.
Vielmehr ist der Standpunkt des Betrachters ausschlaggebend. Wer scharf rechts politisiert, für den ist differenziertes Argumentieren bereits sehr links von rechts.
Die Frage ist also nicht die, weshalb es so viele linke Journalisten gibt. Die Frage ist vielmehr, weshalb gibt es auffallend weniger rechte Intellektuelle, die in die Redaktionen drängen?
Spontan kommt mir nur Jeanne Hersch als „rechte“ Intellektuelle mit Format in den Sinn.
In den USA war dies kürzlich an einer wissenschaftlichen Tagung ein Thema.
Discrimination is always high on the agenda at the Society for Personality and Social Psychology’s conference, where psychologists discuss their research on racial prejudice, homophobia, sexism, stereotype threat and unconscious bias against minorities.
An den Universitäten des Landes gäbe es eine neue, bisher überhaupt nicht beachtete „Outgroup“: rechte Intellektuelle. Dies sei insofern bemerkenswert, als sich 40 Prozent der Amerikaner als konservativ bezeichnen und lediglich 20 Prozent als liberal, was links bedeutet. Man müsse sich überlegen, ob nicht Studenten mit einer konservativen Grundhaltung an den Universitäten ähnlich wie andere Minderheiten speziell gefördert werden müssten.
Die bejammerte Tatsache, dass es mehr „Linke“ bei den Medien gibt, als „Rechte“, hat also weniger etwas mit einer bewussten Personalpolitik in den Verlagen zu tun (deren Manager ohne Zweifel rechts stehen), sondern mit dem offensichtlich nicht vorhandenen Personal.
Ausser Herrn Köppel und Herrn Somm gibt es in der Deutschschweiz keine rechts stehenden Kommentatoren. Die Begründung, da werde ein Heer von Rechtsdenkern in den Redaktionen bewusst am Schreiben gehindert, ist ein Witz.
Rechte Publizisten sind/wären ohne Zweifel eine denkanregende Bereicherung.
PS: Auf die Kaufkraft der SVP komme ich später zurück.
Constantin Seibt meint
Nice question, Mr Messmer!
Ich fürchte, die rechten Intellektuellen (nehmen wir, um keine komplexen Qualitätsdebatten zu führen, eine einfache Definition dafür: ein Intellektueller als jemand, dem für seine Kommentare Geld bezahlt wird – wenn auch üblicherweise nicht viel) sind nur unter einer einfachen Bedingung zu haben: Dass nach 140 Jahren einmal die Linke ein paar Jahrzehnte dieses Land regieren würde.
Denn die Sache ist relativ simpel: Die Mehrheitsmeinung oder die Meinung der Macht zu bestätigen, braucht nicht viel Kraft. Dagegen zu reden oder zu schreiben, braucht schon mehr Eleganz, damit man ungestraft (und nach Möglichkeit auch noch bezahlt) davonkommt.
Denken braucht als Rohstoff Unabhängigkeit. Und Unabhängigkeit ist ein rares Gut in den Biotopen der Rechten – etwa Konzernen, Militär, katholische Kirche oder der SVP. Da gilt öfter nur die Meinung der Nummer 1, die sich gelegentlich noch ein paar Hofnarren hält, aber vor allem eine Hierarchie.
Das sieht man auch an den – oben gelobten – rechten Intellektuellen Köppel und Somm. Es braucht schon überdurchschnittliche rhetorische Begabung, um auf den Knien halbwegs elegant zu singen. Aber beide sind schon etwas müde geworden – und mit ihrer Müdigkeit ist ihre Christoph-Verehrung gestiegen. (So wie alte Leute oft aus Resignation ein Gottvertrauen entwickeln.) Die Spieluhr-Melodien der Propaganda sind für beide Herren auf die Dauer schonender als die Dinge selbst zu durchdenken.
Lebendige rechte Köpfe treffen schon jung auf viele mächtige Leute, die ihnen auf die Schulter schlagen. Und einen Job geben. Wo sie dann in der Hierarchie kleben bleiben: eine mögliche Dissidenz würde sie viel Geld kosten. Also leben sie ihre Klugheit privat aus.
Und werden dann nach der Pensionierung radikaler. Oder nach der Selbstständigkeit. Und schreiben einen Blog. :-)¨
Währenddem Linke im angenehmen Bewusstsein leben, dass eine Konversion nach rechts das Einkommen wesentlich steigen lassen würde, da an rechten Köpfen Mangel herrscht. (Wenn es auch schnell den Verstand kosten würde – etwa bei einem Beitritt in die FDP – oder im Fall der SVP dazu auch noch die Freiheit.
max meint
Ach gottchen, Herr Messmer, in den Redaktionen tummeln sich also alles Intellektuelle. Ein reines Mengenproblem. Es gibt halt nicht genug rechte Intellektuelle. Supierklärung. Uebrigens auch eine interessante Selbtseinschätzung. So schlicht und bescheiden.
Wie wird man denn so zum Intellektuellen in einer Redaktion? Ist das wie das mit dem Huhn und dem Ei? Was war zuerst?
Was macht z.B. den grossen Frank August zum Intellektuellen? Oder was den guten Herrn Weck? Vielleicht der scharfe Blick in den Sternstunden? Oder seine von Ueberraschungen und neuen Ideen nur so strotzenden Kommentare?
Oder, wenn wir die Medienszene verlassen, Kurt Imhof, unser Experte für alles vom Fusspilz bis zum Raketenstart? Was ist es genau, das ihn zum Intellektuellen adelt?
Intellektuelle sind schlicht Leute, die von anderen so bezeichnet werden. Und die grossen Bezeichner sind die Journalisten. Die selber, wie sogar Sie eingestehen, in ihrer übergrossen Mehrheit links sind. Das, lieber Herr Messmer, beantwortet die Frage nach dem Huhn und dem Ei.
Mittelmass meint
„Wer scharf rechts politisiert, für den ist differenziertes Argumentieren bereits sehr links von rechts.“
Das nenne ich Relativismus!
Vielleicht ist ja auch die Mitte nach links und die Linke noch mehr nach links, sodass die ehemalige Rechte extrem rechts erscheint.
Meine Prinzipien haben sich nicht gross gewandelt, aber die Medien und Politiker sind – von mir aus gesehen – nach links gewandert. Stück für Stück, langsam, ein Argument nach dem Anderen, so wie dieser Artikel hier.
Am Schluss ist eben alles relativ.
Wissen Sie was das Gegenteil von links ist? Nein, nicht rechts, sondern frei!
TEE meint
Eine originelle Erklärung zur Diskussion (der Fokus liegt hier in der Beziehung Intellektuelle – Kapitalismus) stammt von Robert Nozick. Die Intellektuellen (oder die Wortschmiede) schätzen Ihre Fähigkeiten zur Welterklärung als höchste und beste ein, treffen aber in der Realität bzw. dem realen Leben auf Misserfolg (in Geld und Ansehen bei der breiten Masse gemessen) – dort gewinnen die ‚Zahlenschmiede‘: „The intellectual wants the whole society to be a school writ large, to be like the environment where he did so well and was so well appreciated…“
http://www.orthodoxytoday.org/articles/NozickCapitalism.php
h.s. meint
Ich kann mit die Einteilung Links/Rechts gar nichts anfangen. Es gibt viele Gegensätze. Journalisten müssen ein bestimmtes Profil haben um diesen Beruf zu wählen. So gibt es relativ wenig Naturwissenschaftler, Ingenieure, Steuerrechtler oder Aerzte die anschliessend Journalist werden. Die Folge ist, dass ein Journalist trotz harte Arbeit diese Kenntnisse fehlen. Nehme man noch dazu, dass Zeitungen und Sender in grossstädtische Gebiete angesiedelt sind, dann folgt damit auch wieder eine einseitige Wahrnehmung. Reden tun Journalisten viel mit „Entscheidungsträger“, Lobbyisten“, „Verbandsverantwortlichen“ und sehr wenig mit Heidi von der Alp oder Max Buezer. Und journalisten reflektieren in ihren Zeitung die durch Sie wahrgenommen Realität. Grossstädtische, kulturell aktiv, eher technisch weniger unterlegt, eher elitäre Wahrnehmungen. Nur da wo Sie im reale Leben Probleme haben (billige Wohnung suchen im Herzen von Zürich) erfühlen sie den Welt der anderen. Abseits von Pressekonferenzen, Apero’s, Generalversammlungen. Journalisten lernen sich nicht in Sachen einzumischen nur zu berichten, nicht zu werten nur zu berichten. Daher kriegen Sie ein Laissez-Fair Haltung, werden Wertneutral und neigen salop ausgedruckt zum Linksliberale.
Markus Saurer meint
Interessanter Beitrag. Lieber als links oder rechts würde ich in etatistisch und nicht-etatistisch unterscheiden. Die NZZ Wirtschaftsredaktion (aber nur sie, nicht die ganze NZZ – und schon gar nicht die NZZaS)verfügt über ein paar hervorragende Journalisten. Und international gibt es ein paar ausgezeichnete Blogs für liberale, nicht-etatistische Geister: CATO, Mises Institute, American Entreprise Institute, Stockholm Network u.a. Vielleicht gelingt es Gerhard Schwarz, Avenir Suisse etwas mehr wie diese Blogs an die Aktualitäten heranzuführen.
Thommen 61 meint
Es ist witzig, wie man über links und rechts diskutieren kann, ohne die jeweiligen Inhalte zu benennen. Wenn es darauf hinausläuft: „Mehr (individuelle) Freiheit und weniger Staat, dann frag ich mich, wie das soziale Leben funktionieren soll, in dem immer der Stärkere überlebt und die Schwächeren zugunde gehen sollen. Gerade der – von Bürgerlichen – gegründete – Staat etablierte übergeordnete Regeln, an die sich Alle im sozialen „Wettbewerb“ halten müssen.
Nur im Wirtschaftswettbewerb sollen weiterhin die übergeordneten Regeln abgebaut werden, was die Gesellschaft von rechts her „unterminiert“. Stichworte: Standortflexibilität, Arbeitsflexibilität, finanzielle Krisen. All dies trägt nicht zum Grundvertrauen für die Famiilie und Gesellschaft bei!
Wer rechts politisiert, kann aus diesen Gründen unmöglich für traditionelle Familienwerte werben, weil er diese „wirtschaftlich auflösen“ tut! Die Schuldigen müssen dann Linke sein, die Homosexualität enttabuisieren und die global wandernden Arbeitskräfte schützen…
Was die Flexibilität von Regeln für Alle bedeutet, erleben wir heute im Finanzsystem. Aber das gehört wohl zum „menschlichen Kollateralschaden, wie die Kriege von gestern.
gotte meint
ein höchst spannender beitrag! ich habe seinerzeits, als köppel chefredaktor der weltwoche wurde, mit grosser freude die weltwoche gelesen. ich fand es – als grün-sympathisantin – sehr erfrischend, dass eine zeitung versprach, eine pointiert andere sicht zu vertreten. die freude dauerte aber wirklich nicht lange. die machart der weltwoche-beiträge war bald zu absehbar: man konstruiert eine vermeintliche mainstream-meinung und inszeniert sich als vermeintliche tabubrecher, die „endlich“ aussprechen, was „das volk“ wirklich bewegt. nein, so geht das nicht. als langjährige nzz-leserin frage ich mich zudem, wie man ernsthaft behaupten kann, dass der journalismus in der schweiz „links“ sei. es hat sehr, sehr viel mit dem niedergang des freisinns zu tun, dass sich bürgerlich denkende jorunalisten unwidersprochen von der svp in eine linke ecke stellen lassen dürfen. es ist so, wie mm sagt: wer heute differenziert argumentiert, wer heute die liberalen grundwerte hochhält (bürgerliche freiheitsrechte!!), der muss sich tatsächlich als links und nett schimpfen lassen. wer heute das traditionelle bild der schweiz hochhält, das so wenig mit der svp-folklore zu tun hat wie ein araberhengst mit einem esel, muss sich als unschweizerischer vaterlandsloser geselle bezeichnen lassen. vielleicht hat die tatsache, dass es wenig pointierte rechte denker gibt, auch damit zu tun, dass man in den rechten kreisen dem denken mit naserümpfen begegnet. das intellektuellen-bashing hat bei den rechtsparteien tradition – man kultiviert sich als bodenständig, einfach, volksverwurzelt und sieht in der provinzialität sogar eine auszeichnung. dass es auch anders ginge, zeigten die rechtsbürgerlichen intellektuellen der weimarer zeit. aus ihnen wurden aber entweder stramme nazis (carl schmitt) oder sie wurden von den nazis selbst als zu wenig völkisch abgelehnt (thomas mann).