Wahrscheinlich ist es so, dass die meisten Politiker in Bern kein Englisch verstehen.
Also die Brexit-Diskussionen in England nicht direkt mitverfolgen können, sondern sich mit einer Zusammenfassung des Gröbsten in den Schweizer Medien begnügen müssen.
Jedenfalls drängt sich dieser Verdacht auf, wenn man die hiesigen Diskussionen ums Rahmenabkommen verfolgt.
Liege ich mit meiner Vermutung falsch, dann handelt es sich um Ignoranz, Selbstüberschätzung oder einfach nur Dummheit, wie in Bern das Rahmenabkommen diskutiert wird.
Und wie man sich Reihum alle paar Tage aufs neue empört, über Brüssel.
Dabei ist die Sache so klar wie das Wasser eines Bergsees bei Zermatt: Die EU will keinen Schweizer Sonderweg mehr, sondern das Nichtmiglied Schritt für Schritt in Richtung „Norwegen“, d.h., EWR, bewegen.
Was mit anderen Worten heisst, dass man als Preis für den Zugang zum Binnenmarkt und andere Privilegien (z.B. Teilnahme an Forschungsprogrammen) die dynamische Weiterentwicklung der EU – des Binnenmarkts – mitmachen muss. Und deshalb bei den bestehenden Bilateralen die Weiterentwicklung von Gesetzen und Normen automatisch übernimmt.
Ohne Mitsprache und mit eingeschränkte Volksrechten.
Niemand zwingt die Schweiz, sich „unter das Joch“ der EU zu beugen.
Weshalb sie drei Optionen hat: Sie tritt der EU bei, sie stimmt dem Rahmenabkommen zu oder sie sagt Nein und verabschiedet sich aus dem Binnenmarkt.
Es gibt Illusionisten in England (wie auch in der Schweiz), die meinen, WTO sei mit der grössten aller Handelsfreiheiten gleichzusetzen.
Und überhaupt, wer brauche schon den Zugang zum grössten Binnenmarkt, wenn ihm der Rest der Welt zu Füssen liegt.
Wer die Brexit-Diskussion mitverfolgt, weiss, dass wenn die EU sagt, es gäbe keine Nachverhandlungen (nach fünf Jahren des Verhandelns mit der Schweiz) mehr, dann ist dem so.
Warum sollte die EU ausgerechnet der Schweiz zugestehen, was sie beim Brexit auch dem neuen Premier verweigern wird?
Was Brüssel den Schweizer Politikern (so wie dem neuen britischen Premier) geben kann, sind ein paar politische Absichtserklärungen im Anhang. Die sind jedoch nicht rechtsverbindlich.
Der politische Nutzen für beide Seiten liegt lediglich darin, dass man das als Verhandlungserfolg verkaufen kann, weil sich erst eine nächste Politikergeneration ernsthaft mit den Anhängen beschäftigen muss.
Das Problem der Briten und der Schweizer ist dasselbe: Sie haben eine Heidenangst davor, sich (endlich) festlegen zu müssen.
Jetzt und für immer.
Die Inselbriten und die Alpenschweizer meinen, wenn man Zeit schindet, d.h, die Dinge in der Schwebe hält, aber ernsthaft, werden sich die politischen Umstände innerhalb der EU derart derart verändern, dass man dann doch noch kriegt, was man haben möchte.
Wobei man allerdings nicht genau weiss, was das denn sein soll.
Möglich, dass dieser glückliche Umstand im Jahr 2105 kurzzeitig eintreffen könnte.
Bis dahin sollte man eher davon ausgehen, dass die EU aufgrund der geopolitischen Dynamik stärker zusammenwachsen wird als noch vor vier, fünf Jahren gedacht (und spekuliert).
Die Zeit arbeitet für die EU.
Bundesrat Ueli Maurer heute im Parlament zur Abschaffung der Inhaberaktien in der Schweiz (auf massiven Druck „des Auslands“): «Wenn wir an die WM wollen, spielen wir nach den Regeln der Fifa.»
Eben.