Ich bin schon seit einiger Zeit der Meinung, dass die PR tot ist. Eine Lehrstunde, die meine These unterstreicht, hat gestern den Medienschaffenden die SVP erteilt.
Auftritt der Parteispitze mit dem abgeschossenen Kandidaten. Schildern der Lage und präsentieren einer eigenen Story („Ich habe die Anwältin der Gegenpartei angerufen“). Darlegen, dass man eigentlich nicht wirklich etwas gewusst hat und sich damit mit der hintergangenen Öffentlichkeit solidarisieren.
Verlesen lassen des Rücktrittsschreibens durch den abgeschossenen Kandidaten, Kandidat verlässt die Bühne. Eingestehen, man habe Fehler gemacht, dieses Eingeständnis wortreich verwedeln. Neue Pressekonferenz mit Lösungsvorschlag ankündigen.
Fertig.
Pressekonferenz mit neuem Kandidaten, der viel Gefühl in seine Worte reinbuttert. „Ein Mensch“ muss gezeigt werden und nicht ein (Ersatz)-Kandidat.
Das ist PR nach Handbuch.
Das ist das, was ich mir dauernd vom Corporate Communications-Nachwuchs anhören muss. Nebst all den anderen dummen Sätzen, die man ihnen in Fachhochschulprogrammen beigebracht hat und die in einschlägigen „How do“-Büchern nachzulesen sind.
Das ist tot, weil das nur noch Ritual ist. Wobei anzumerken ist, dass dieses Ritual genau so von den Medienschaffenden erwartet wird. Weil es in die eigenen Produktionsabläufe passt, ins eigene Storyboard.
Public Relations und Medienwelt ergänzen sich bestens.
Diese von Herrn Baader orchestrierte blutleere Veranstaltung bringt der SVP überhaupt nichts. Die eigentliche Botschaft: Er führte eine Partei vor, die völlig aus dem Tritt geraten ist. Er demonstrierte aller Welt, dass die SVP eine Apparatschik-Partei ist, mit Parteiritualen, die heftige Flashbacks aus den letzten Tagen von Andropow und Tschernenko (wem die Namen ein Rätsel sind: hier) auslösen.
Der Schlüsselsatz, der nicht im Drehbuch stand, hat Herr Zuppiger bei seinem Abgang gesagt: „Ich bin jetzt für euch nicht mehr interessant.“ Und meinte damit seine Parteikollegen. Grandios.
Mit all den Lehrbüchern und Ausbildungsgängen ist den PR-Leuten der gesunde Menschenverstand abhandengekommen.
Sie kapieren das Ritual aber verstehen die Botschaft nicht. Die SVP hat dazu gestern sehr anschaulich eine Lehrstunde erteilt.
h.s. meint
Ich kann mich irren, aber ich meinte, dass dieses Artikel nicht über die SVP geht, sondern über standardisiert ausgebildete Leute die nur durch Einsatz von sinnentleerte Symbolen (Rituale) die bereits so oft wiederholt sind, dass jedermann (empfänger) als richtiges Mittel empfindet ohne noch über Zweck oder Zielerreichung nach zu denken. In realität ist den Symbol aber so frei jeder sinn, dass den Ziel nicht erreicht wird.
Wahrsager meint
Die elenden Sümpfe der Unaufrichtigen müssen ausgetrocknet werden. Aber schnell. Sonst gehen wir alle unter. Finanziell-Gesundheitlich. Da hilft auch kein Beruhigungsbier und Läckerli mehr
ursi meint
Die SVP hat ein Waterloo erlebt von dem sie sich hoffentlich nicht mehr erholen wird.
max meint
Liebes Ursi, wenn das ein Waterloo gewesen sein sollte, glaube ich, Napoleon hätte mit der SVP sehr gerne getauscht.
Philippe Wampfler meint
Um an den Begriff des Rituals anzuknüpfen: Die SVP braucht die Opferung Blochers durch eine neue Lichtgestalt, um voranzukommen. Die dürfte sich einfach noch nicht finden lassen…
mehrlinks meint
… und das Albisgüetli der Kultraum, wo diese heilige Gemetzel stattfinden wird … wohl kaum …
mehrlinks meint
Wir sind das amüsierte Publikum, und wenn ich Sie richtig verstehe, ist PR in diesem Fall das missglückte Theater um ein schlechtes Theater …
Wenn unter PR nur die peinliche Inszenierung einer quasi-öffentlichen Beichtveranstaltung und die reflexartige Fortsetzung von Schuldzuweisungen an die anderen verstanden wird, dann steht es schlecht um diese „ehrenwerte“ Dienstleistung namens Öffentlichkeitsarbeit.
Wir sind der Spezialität dieser Partei, das Aufpolieren des eigenen Schmuddelimages durch Dreckwerfen auf andere, längst überdrüssig geworden. (Da hilft auch keine Läckerli-Akquise nicht mehr …)
Im Übrigen wäre es Einbildung zu meinen, so etwas wie Transparenz sei bei der aktuellen Gemengelage vor der Bundesratswahl gegeben, geschweige denn erwünscht.
Nur übliche schweizerische Hinterzimmerpolitik, bloss üble Vorstellung der Kamarilla um Blocher.
… wie Figuren aus der commedia dell’arte …
Liberopoulos meint
Es ist mittlerweile auch ein Ritual, dass nach Verfehlungen irgend eines Angestellten in der Finanzbranche der CEO gehen muss. Früher bei der Chiasso-Krise war das nur der Geschäftsführer der dortigen Bank.
max meint
Was hätten Sie denn gern gehabt, Herr Messmer? Ein Live-Sepukku ?
Und wo sind denn Ihre Belege, die beweisen, dass Baader nicht die Wahrheit gesagt hat ?
Vielleicht hat jemand, bei dem diese Pressekonferenz „Flashbacks“ in die von Ihnen genannte Richtung auslösen, ein massiv grösseres Problem als die SVP.
h.s. meint
Nicht nur die P.R trifft dieses Problem. Fast alle Fachgebieten wo rituale abgearbeitet werden statt nach den Grund für die Rituale zu fragen. Was sollte diese Botschaft bedeuten. Wenn in die EU jede Woche eine Krisengipfel ist, ist es keine Krisengipfel mehr. nicht mal mehr die Krise wird wahrgenommen. Wenn BWL-Studenten als Controller alle die gleiche Masche haben weil dass in 1970 vorteile erbrachte für ds eigene Betrieb, bringt es heute nur nachteilen. Es ist den Glbalisierungsproblem. Zum Ueberleben muss den Betrieb wachsen aber alles muss gleich ablaufen ungeachtet die parameter. Dann legt mann halt den Ablaufschema fest, ohne rücksicht auf regionale oder zeitrelatierte eigenheiten. Und schon lauft mann im Messer. Die Schulen sollte wieder allgemeine Bildung an die Studenten geben und nicht die politisch Korrekte vorgekochte, vorgekaute und völlig unerklärte standard wobei die begründung für diese Standard nicht geliefert wird.