Spannend: Die Gripen-Affäre mutiert zum Fall „Sonntagszeitung“ oder gar zum Fall „Medien Schweiz“.
Wirklich?
Wagt es jemand, dies zu thematisieren?
Schon unglaublich, welche Blüten der aktuelle „Journalismus“ der kommerziellen Medien vor lauter Jagd nach der verkaufsträchtigen Story treibt.
Wie tumb-dreist die unter Quotendruck stehenden Journis und ihre medialen Produkte jede professionelle Sorgfalt vernachlässigen. Der Sonntag mutiert vom Tag der Besinnung zum Tag des wöchentlichen Abrechnens.
Niemanden interessiert die Fakten, es interessiert nur noch, wie der Angeschossene reagiert.
Das VBS gehört zu den billigen Opfern: Da darf jeder Volontär mal draufhauen. Der Lob der Kollegen ist gesichert und der Applaus einer breiten Öffentlichkeit garantiert.
Auch wenn die von cleveren Einflüsterern und bezahlten Datenbeschaffern gestreute Story noch so haltlos ist und ein Übermass an Polemik den fehlenden Gehalt kompensieren muss.
Der Fall Gripen/Sonntagszeitung macht erneut deutlich, was wir leider auch immer wieder feststellen müssen: Die Politiker stecken in der Falle der kommerziellen Medien.
In ihrer Gier nach Schlagzeilen, mit ihrer „Ich-komme-am-Sonntag-in-der-Zeitung“-Sucht werfen auch sie alle Sorgfaltspflichten verantwortungslos über Bord.
Statt sich bei einer Medienanfrage, die immer nur eine Stellungnahme zu einer bereits feststehenden These des Journis ist, sich zuerst einmal sauber zu informieren, setzen sie aus der Hüfte geschossene Quotes ab.
Je kürzer und knackiger desto besser für die Zeitung.
Dabei scheinen sie nicht zu kapieren, dass ihr Sätzlein lediglich dazu dient, die unterstellte These zu untermauern.
Politiker sind für die Medien nur Stichwortstatisten.
Die Politiker müssten das verstehen, dann wären solche Machenschaften der Sonntagszeitung ein weiterer Sargnagel für die traditionellen Massenmedien.
Denn die Botschaft, die auch dieser Fall aussendet, heisst: Die kommerziellen Medien verlieren mit dem Auflagenschwund auch noch die Glaubwürdigkeit!
Die Politiker, aber auch wichtige Stakeholder und Entscheidungsträger aus anderen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft müssen verstehen lernen, dass sie sich besser auf die Direktinformation der ursprünglichen Quelle einer Information abstützen sollten.
Im Wissen um deren logischerweise voreingenommenen, aber deshalb klar berechenbaren Position. Wenn man den Absender einer Information kennt, kann man seine Info auch richtig einordnen. Ein Gatekeeper, der seine eigene (kommerzielle) Agenda verfolgt, trägt nichts zur wirklichen Information bei.
Nur: Wer thematisiert den verluderten Journalismus?
Nicht mit der schon fast rührend romantisch-verklärten Brille eines Professor Imhof und dessen überkommenen Journalismus-Ideal, sondern im Sinne eines echten Aufstands, eines empörten Protests.
Und: Wer schafft das Bewusstsein bei den wichtigsten Informationsquellen, dass sie die kommerziellen Medien vergessen müssen und dringend ihre Direktinformation ausbauen müssen?
Ich kann nur das wiederholen, was ich schon seit vier, fünf Jahren predige: Firmen und Institutionen – macht euch von den Medien unabhängig. Richtet euch euren eigenen Online-Newskanal ein.
Dann braucht es etwas Geduld. Doch in ein, zwei Jahren ist so ein Kanal etabliert.
bugsierer meint
ein gutes und aktuelles beispiel für den „eigenen online kanal“ ist die bergstimme in andermatt. heute fahren sie dort gerade eine veritable breitseite gegen herrn katastrophenfranz steinegger:
http://bergstimme.ch/?p=803&utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=in-welche-zukunft-steuert-andermatt
jamie oliver meint
Ich bin wahrlich kein Ueli Mauer oder VBS Fan, aber als ich ich die News zum ersten mal las dachte ich “ Was für ein Üble Kampagne gegen Ueli Maurer ist das denn jetzt? Hat der Fall Hildebrand nicht gereicht? Was für ein Journalismus ist denn das jetzt?“ Ein wenig Ehrenkodex währe vielleicht nicht schlecht für die Medien. Aber heute wollen halt alle investigativ, frech und aufdeckend sein. Nette Medien wie die Tageswoche sind zu langweilig für die Leute.
merlinx meint
Der Unterhaltungswert dieser online-Newskanäle dürfte gewaltig sein, weil in der Realität, dh der Mehrheit der Zielgruppe, ein buntes do-it-yourself-Durchgewurstel herrschen wird, da die Kenntnisse fehlen und ausreichend finanzielle Mittel nicht locker gemacht werden. Mir graut jetzt schon vor.
Doch damit wird ein wichtiger Bereich der Governance neu organisiert, entsprechend der informations-technologischen Umwälzung, in der wir uns befinden – und so nebenbei die Deutungshoheit zurück erlangt.
(… wäre eine reizende Herausforderung für die VGD bezüglich BL-Spitalpolitik …)
Mich interessiert auch die politische Stossrichtung der von Ihnen angemahnten Entwicklung – cui bono? Die Erhaltung der Freiheit des Unternehmers, – dann ist es sicher nicht falsch … und die Freiheit des Konsumenten-Bürgers, – hoffentlich oder wenigstens …
Und für Sicherheit, Transparenz, Wahrheit etc. ist das System verantwortlich.
(Randbemerkung: In eine Zeitungsredaktion/druckerei einzubrechen war wahrscheinlich noch nie lohnend, – aber bei Ihrem Modell kann man nur rufen: Hacker aller Länder, vereinigt euch …)
Markus Saurer meint
Interessanter Beitrag, dem man über weite Bereiche beipflichten kann. Nur scheint mir das nicht ein Problem der „kommerziellen Medien“, sondern vielmehr ein Problem des Umbruchs oder der Anpassung. Eine Gleichgewichtsstörung als Folge technologischer Erneuerungen. Von diesem Skandaljournalismus werden ja die staatlichen Medien (die an sich gar nicht nötig sind) auch erfasst. Trial and Error / schöpferische Zerstörung. Jetzt müssen wir nur für Rahmenbedingungen sorgen, die die Nötigen Veränderungen auch wirlich zulässt. Nicht wie im Büchermarkt, wo wir längst überflüssige Vertriebsstrukturen unter dem Deckmantel der Kulturförderung erhalten wollen. Wurden da nicht auch schon wieder politische Vorstösse zur Presseförderung eingereicht? – aber sicher.
Thommen_62 meint
Erinnerung an die Wortwurzel: Luder
Ein Lude = ein Spieler
Ein Luder = eine Spielerin
Worum geht es? Natürlich um Geld! 😉
Ludothek = Spiele-Angebot, meist für Kinder…