Helmut Hubacher hat sich letzten Samstag in seiner Kolumne gegen den Vorwurf gewehrt, bei seinen politischen Enkeln aller Parteien in Bundesbern handle es sich «vorwiegend um Idioten». Diese pauschale Stammtischqualifikation führt tatsächlich zu nichts, ausser zu billigem Applaus.
Obwohl ich mir bewusst bin, dass das Gedächtnis ungefähr das Unzuverlässigste ist, was einem so als Mensch begleitet, muss ich trotzdem feststellen: Früher war es nicht besser aber schon ein wenig anders.
Natürlich gab es auch damals, als Helmut Hubacher eine der führenden politischen Köpfe des Landes war, etliche Politiker, darunter auch Frauen, die nicht unbedingt auf seiner Flughöhe politisiert haben. Hinterbänkler halt. Trotzdem behaupte ich, dass im Schnitt mehr politische Kompetenz anzutreffen war als heute.
Dies liegt zum einen an der Wirtschaft. Zur parlamentarischen Hochzeit von Helmut Hubacher war es selbstverständlich, dass grosse Firmen wie Ciba-Geigy nicht nur die Milizmilitärs sondern auch Milizpolitiker unter ihren Mitarbeitern tatkräftig unterstützten. Es war selbstverständlich, dass Mitarbeiter der Chemischen im Landrat und im Grossen Rat sassen. Und ebenso selbstverständlich hatten Konzerne Mitarbeiter in den eidgenössischen Räten sitzen, oftmals die Chefs.
Die Öffentlichkeit hat das akzeptiert.
Erinnert sei beispielsweise an den Baselbieter Felix Auer, dem Ciba-Geigy eine massgeschneiderte Stabsstelle «Volkswirtschaft» eingerichtet hatte. Der FDP-Nationalrat war ein ausgepufftes Animal politique, der die Strippen zog, als Otto Stich und nicht Lilian Uchtenhagen in den Bundesrat gewählt wurde.
Wenn ich da an Auers Nachfolgerin Daniela Schneeberger denke und SVP-Frau Sandra Sollberger an René Rhinow messe, dann setze ich vor weiteren Bemerkungen jetzt einfach einen Punkt.
Was die städtischen Vertreter anbelangt, so kann man Beat Jans das Kaliber von einem wie Andreas Gerwig zugestehen. Aber Helmut Hubacher wird wohl nicht anders können als mir zuzustimmen, dass zwischen einem Alexander Euler und der BastA!-Frau Sibel Arslan nicht nur intellektuell Welten liegen. Und was hat schon ein Sebastian Frehner gegen einen Walter Allgöwer zu melden.
Womit wir beim nächsten Punkt wären, dem Parteipersonal.
Ein fordernder Job erlaubt heute kein forderndes politisches Mandat mehr. Das gilt auch für Frauen. Und die Zeiten sind vorbei, als die Gattin ihrem politisierenden Mann «den Rücken freihielt». Job, Familie und Freizeit sind wichtiger als ein Parteiamt.
Weil das alles nicht mehr unter einen Hut gebracht werden kann, hat Balz Stückelberger seinen Verzicht aufs FDP-Parteipräsidium erklärt.
Anders als zu Hubachers Zeiten, als die Grundvoraussetzung für ein politisches Amt die Fähigkeit war, in politischen Zusammenhängen zu denken, ist heute ein Regierungsamt eine Alternative auf dem Jobmarkt.
Eine Partei ist Mittel zum Zweck.
Ausser ein paar Tausend Stimmen braucht es nichts, um den 300 000-Franken-Job zu ergattern. Keinerlei Führungserfahrung (Sabine Pegoraro, Elisabeth Ackermann), kein langjähriges politisches Engagement (Monica Gschwind, Thomas Weber).
Lieber Herr Hubacher, man kann es drehen und wenden, wie man will – die Leistungslücke zwischen einem Baschi Dürr und Karl Schnyder ist derart gross, dass man tatsächlich versucht ist, sich ziemlich ungehalten über diese neue Politikergeneration zu äussern.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 24. Mai 2017