Manchmal muss man zu den Anfängen zurückblenden, um die triste Gegenwart zu verstehen.
Am Freitag, dem 15. August 2014, fand im Sekretariat der FDP in Liestal eine entscheidende Sitzung statt. Drei bürgerliche Parteipräsidentenpersonen trafen sich zur Nomination der vierten Kandidatin für die Regierungswahlen. Die Ausgangslage war klar: Christine Frey, FDP, und Marc Scherrer, CVP, wollten der SVP den Vortritt lassen, obwohl die FDP im Vorfeld die Parole ausgegeben hatte, dass sie die besseren Kandidaten fürs Regierungsamt habe. Scherrer und Frey gingen mit der Gewissheit in die Besprechung, dass Oskar Kämpfer die Reinacher Landrätin Caroline Mall vorschlagen werde.
Die adrette SVP-Frau hatte bis zu diesem Freitag mit nicht weniger als vierzehn bildungspolitischen Vorstössen auf sich aufmerksam gemacht und galt deshalb als die Bildungspolitikerin der Partei. Weshalb sie exakt dem bürgerlichen Anforderungsprofil entsprach: Nach Jahrzehnten sozialdemokratischer Herrschaft sollte die Bildungsdirektion endlich in bürgerliche Hand übergehen. Zur Einstimmung auf den Wechsel bekämpfte man in den letzten beiden Amtsjahren von Urs Wüthrich-Pelloli alles, was dieser dem Parlament vorlegte.
Die Bürgerlichen versprachen nichts weniger als eine 180-Grad-Wende in der Bildungspolitik.
Die SVP-Frau wäre locker gewählt worden, wenn Oskar Kämpfer sie nicht im letzten Moment hätte fallenlassen: Zur Überraschung der beiden Präsidialkollegen portierte dieser SVP-Fraktionschef Dominik Straumann. Vor dem entscheidenden Moment verliess Frau Frey kurz das Sitzungszimmer. Marc Scherrer, nun allein mit Oskar Kämpfer, machte klar, dass seine Partei nie und nimmer Straumann unterstützen werde, weshalb er mit dieser Kandidatur nicht vor die Parteiversammlung treten werde. Hingegen sehe er keine grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber Frau Mall. Wenn Oskar diese vorschlage, werde er zustimmen, egal wie Frey entscheiden werde. Als die FDP-Präsidentin zurückkam, wurde es ernst. Doch Kämpfer hielt an Straumann fest und die beiden anderen stimmten für Gschwind.
Was diese nicht wussten: Dem abrupten Kandidatenwechsel war am Donnerstagabend ein Telefonanruf eines offensichtlich vertrauenswürdigen Informanten vorausgegangen. Danach stand die engste Parteileitung unter dem Eindruck, der Partei drohe mit Mall ein zweiter Fall Gaugler.
Damit sassen die Bürgerlichen in ihrer selbst gestellten Bildungsdirektionsfalle. Denn Frau Gschwind blieb keine Wahl: Die bildungspolitisch unbefleckte Treuhänderin für Kleingewerbler musste von diesem Freitag an mit flotten Wahlkampfsprüchen die Bildungspolitikerin mimen. Und sich vor den Karren der Vereinigung «Starke Schule Baselland» spannen lassen. Nach der Wahl trat das ein, was alle schon zuvor wussten: An der Aufgabe, die linke Bildungsdirektion nach rechts umzukrempeln, wird die Plakattaugliche aus dem Waldenburgertal grandios scheitern.
Kurz nach Amtsantritt verordnete Frau Gschwind als erste und bislang einzige politische Massnahme ihrer Bildungsdirektion einen Marschhalt. Der Entscheid gilt bis heute. Und es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sie davon bald abrücken wird.
PS: Frau Frey hatte vor dem denkwürdigen Freitag den zweiten Kandidaten, den Binninger Gemeindepräsidenten Mike Keller auflaufen lassen. Weil Frau Pegoraro befürchtet hatte, dieser könnte ihr gefährlich werden.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 13. April 2016
angrymonk meint
„Danach stand die engste Parteileitung unter dem Eindruck, der Partei drohe mit Mall ein zweiter Fall Gaugler.“
Wow, hört sich spannend an! Bliebe noch die Frage zu klären, inwiefern Caroline Mall in gauglerische Verhältnisse abgerutscht ist.
ps. Schade wegen Mike Keller!
Patrick Künzle meint
Ich erlaube mir ein wenig Schleichwerbung: Interview mit Regierungsrätin Monica Gschwind zu ihrer bisherigen Politik. http://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/baselbieter-bildungsdirektorin-lobt-ihren-marschhalt
Meury Christoph meint
Sollte sich das von M.M beschriebene Hinterzimmer-Szenario entsprechend abgespielt haben, zeigt es uns doch, wie erbärmlich inhaltlos solche Nominationen in der politischen Realität stattfinden. Da wäre eine Loswahl die redlichere Methode.
Jetzt müssen wir uns die nächsten Jahre mit dem entsprechenden bürgerlichen Kollateralschaden abfinden.
Der verordnete «Marschhalt» ist eine politische Bankrotterklärung der Sonderklasse und kann nicht einmal als strategische Neuorientierung gewertet werden.
Auch wenn die Bildungspolitik ein wichtiger Bestandteil der Gschwind-Direktion ist, sei der vollständigkeitshalber erwähnt, dass die Direktion «Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion» heisst und die Bereiche Kultur & Sport im Tätigkeitsbereich von RR Monica Gschwind zu Marginalie verkommen sind. Offensichtlich ist man in Liestal mit der neuen politischen Konstellation überfordert.