Es gibt noch immer dieses Ankerbild von der schweizerischen Demokratie. Das zeigt einen tüchtigen Citoyen, kann auch eine Frau sein, der zunächst auf der Gemeindestufe seinen Einstieg in die Politik findet, dann Gemeinderat wird und später kantonaler und danach gar eidg. Parlamentarier.
Schliesslich kann es sein, dass man es in die Regierung schafft, vielleicht gar in den Bundesrat.
Das ist eine Mär.
Die Realität sieht heutzutage völlig anders aus. Da wäre zum einen die Lokalpolitik. Wer sich nur ein wenig dafür interessiert weiss, wie ungemein schwierig geworden ist, Freiwillige für die verschiedensten Kommissionen zu finden.
Freiwillige, die etwas von der Sache verstehen.
Es ist ungemein schwierig geworden, Gemeinderatsposten zu besetzen. Wer will sich denn schon der Dauerkritik seiner Mitbürger aussetzen.
Und dazu noch in einem System, welches das Mittelmass bevorzugt.
Leute, die etwas von Finanzen verstehen, weil das ihr täglich Brot ist, wären manchmal durchaus bereit, als Gemeinderat für die Finanzen der Wohngemeinde Verantwortung zu übernehmen.
Doch man wird in eine Blackbox gewählt. Was bedeutet, dass man am Schluss beim Tiefbau landet und einer, der es nicht kann, aber schon länger im Gemeinderat sitzt, die Finanzen übernimmt.
Warum soll man also zur Wahl antreten, zumal, wie es die Regel ist, man überhaupt keine weiteren politischen Ambitionen hat?
Eine Stufe höher, im Landrat, dieselbe Personalnot. Zwar lassen sich die Listen schon noch füllen. Aber schon ab dem zweiten Platz muss man den Leuten versichern, da mitzumachen hätte für sie keine weiteren Folgen.
Das Problem: Wer hat schon noch Zeit (und als Selbstständigerwerbender das Geld), seine Berufs- und Freizeit im Landrat/Grosser Rat und in Kommissionen zu verbringen? Und dazu noch all die Vorlagen, die man zumeist noch selbst initiiert hat, sorgfältig zu studieren.
Das wäre schon auf kantonaler Ebene ein 50-%-Job.
So kommt es, dass die SVP-Fraktion nach dem Ausscheiden von Herrn de Courten fast nur noch aus Rentnern besteht, die Partei zwar in die Regierung zurückdrängt, aber gar keine ernst zu nehmenden Anwärter unter 55 hat.
Die aktuelle Baselbieter Politik – rin in die FHNW raus in die FHNW – sagt einiges über die Qualität des neuen Parlaments aus.
Und wenn man sich die Regierungsarbeit betrachtet – nicht nur die Finanzen, sondern beispielsweise die Spitalpolitik des Herrn Zwick – so muss man von einem eigentlichen Personalnotstand in der Politik sprechen.
Eine Möglichkeit, diesen Personalnotstand zu beheben, wäre beispielsweise das Zusammengehen mit dem Stadtkanton. Ein andere die Gemeindefusion, um grössere Einheiten zu schaffen. Beides, um den Anwärterpool für politische Ämter zu vergrösseren.
Vicinus meint
Baselbieter Gemeinden bekunden zunehmend Mühe bei der Besetzung ihrer Behörden, Doch Jammern bringt nichts. Der Stellenwert der Gemeinden wächst mit ihrer Fähigkeit, die öffentlichen Dienstleistungen wirksam und kostenbewusst zu erbringen, und zwar unabhängig von ihrer Grösse. Die Lösung kann deshalb nur heissen: Mehr Kooperation bei der Erfüllung von Gemeindeaufgaben. Fakt ist, dass die Zahl der Zweckverbände und gemeinsamen Körperschaften im Kanton Basel-Landschaft geringer ist als in andern Kantonen. Das müsste nicht sein, denn die Gesetzgebung würde kreative Lösungen zulassen. Zukunft haben gemeinsame Beschaffungen, gemeindeübergreifende Institutionen und – last but not least – gemeinsame Behörden. Für solche liessen sIch Leute finden, denn das Potential wird grösser, die Aufgaben, etwa im Feuerwehr-, Zivilschutz-, Umwelt- und Sozialhilfebereich herausfordernder. Kirchturmpolitik ist ebenso passé wie Zentralisierung. Die Zukunft liegt in gemeinschaftlichen und regionalen Lösungen.
demoscoop meint
Dazu hier die Faust aufs Auge: „Liestal/Läufelfingen. Mit 55 gegen 22 Stimmen hat der Landrat die Petition «Vier gebissene Hunde sind genug» (BaZ vom Dienstag) überwiesen. Der Regierungsrat erhält damit den Auftrag, «die ihm adäquat erscheinenden Schritte zu unternehmen» gegen einen Hund, der in der Vergangenheit dokumentierterweise drei Artgenossen gebissen hatte und damit den Anlass zur genannten Petition gab.“
Alles klar?
Liberopoulos meint
Sehr guter Kommentar der mir aus dem Herzen spricht. Ich, 33, seit 3 Jahren Einwohnerrat (FDP) bin froh, wenn endlich diese Legislatur fertig ist und ich meinen Hut nehmen kann. Der Zeitaufwand für den Einwohnerrat ist gross, der Einfluss jedoch marginal. Werden doch die Rahmenbedingungen für die Gemeinden durch Kanton, Schulreform etc. gesetzt. Aufgrund der aktuellen klammen Finanzen nimmt dann der Handlungsspielraum noch einmal ab. Und auf die klassische Ochsentour ist mir die Lust in der FDP auf jeden Fall vergangen (Quereinsteiger lassen grüssen).