Im Grunde genommen ist die Frage nicht mehr, welcher Geldsack hat auf welcher Steueroase sein (unversteuertes oder auch legales) Geld in irgendeiner Stiftung bunktert.
Die Frage, die man am Tag 2 von #OffshoreLeaks beantwortet haben möchte: Wer hat dieses unglaublich umfangreiche Datenpaket (260 Gigabytes mit ungefähr 2.5 Millionen Dokumenten, inklusive 2 Millionen E-mails) dem International Consortium of Investigative Journalism ICIJ zukommen lassen?
Wer hat ein Interesse daran, die englischen Steuerparadiese und den bis anhin unbehelligte Hort für Steuerflüchtlinge Singapur aufzumischen?
Fakt ist, dass irgendjemand, der das kann, in die Server von Portcullis TrustNet („Asia’s biggest independent group of trust companies for comprehensive wealth administration.“) eingedrungen ist und die Daten „geklaut“ hat. (Deren Website ist übrigens derzeit nicht mehr zu erreichen.)
Spekulieren wir mal und tippen auf amerikanische Behörden, sprich Geheimdienste, welche über Mitarbeiter verfügen, die so was machen können. Dass die Amerikaner grosses Interesse daran haben, die internationale Finanzindustrie aufzumischen, haben sie in den letzten Jahren schon kräftig unter Beweis gestellt.
Man könnte auch über ein Scharmützel im Währungskrieg Dollar gegen den Rest der Welt spekulieren.
Das läuft dann so: Staatliche Behörden klauen Daten (oder stiften zum Datenklau an), übergeben das Material zur Auswertung und zum Aufwirbeln von gehörig Staub an die Medien, am besten über einen einzigen Kanal an handverlesene Medien weltweit. (Alter PR-Trick: spiele die Begünstigten gegen die Habenichtse aus – in der Schweiz Tamedia gegen alle anderen.)
Das schöne an der Sache ist, keine der involvierten Redaktionen wird die Vorgänge hinter den Kulissen aufdecken. Aus Angst, beim nächsten Mal nicht mehr dabei zu sein (und nicht mehr kräftig am inszenierten Hype mitverdienen zu können).
Ich gehe mal davon aus, dass die Naivlinge bei der SonntagsZeitung gar keine Ahnung haben, von wem genau die Daten stammen.
Ist ihnen wahrscheinlich auch völlig schnuppe. Denn sie sind die neuen Helden des Journalismus (in meiner Journalistengeneration waren es die Watergate-Aufdecker). Die Datenjäger steigen in der Hackordnung zu AAA-Journalisten auf.
Die Agentur „Deutsche Wirtschafts Nachrichten“ bringt Kern der Geschichte auf den Punkt: Offshore-Leaks: Die Hexenjagd gegen private Vermögen ist eröffnet
Ehrlich gesagt: Mir ist es schon jetzt egal, wer wieviele Millionen wo gebunkert hat.
Denn was habe ich eigentlich davon, wenn ich das weiss?
Ich meine, es war doch jedem, der ein wenig denken kann, klar, dass die wirklich Reichen ihr Geld nicht wie unsereiner steuerbegünstigt auf einem Säule 3-a-Konto parken. Oder das PS-Papier der Basler Kantonalbank kaufen.
Die wirkliche Geschichte ist also: Wer hat diese Daten geklaut? Warum ist ein Vermögensverwalter in Singapur betroffen? Weshalb wurden das Material jetzt geklaut? Warum sind auffallend wenige Amerikaner unter den Steueroase-Flüchtlingen.
Und dann die Frage der Fragen: Wird die SonntagsZeitung ihr Material schweizerischen Steuerbehörden zur Verfügung stellen?
PS: Nur so nebenbei: In Holland wurde unlängst ein Fall bekannt, wonach sich eine Finanzbehörde bei Zielobjekten illegal Unterlagen beschafft hat (Einbruch!) und sich anschliessend das Material anonym selbst zugestellt hat. Der Umweg über die Medien ist da die geschicktere Variante, weil die sich selbst nicht aufdecken.
Nachtrag 14.17 Uhr: Habe eben in der Papier-BaZ (freitags gratis im Briefkasten) einen Kommentar gelesen, in dem die selben Fragen gestellt werden, wie hier. Und wie ich sehe, haben die den sogar online gestellt: Offshore-Leaks: Wer instrumentalisiert die Medien?
Medien aus 46 Ländern haben gemeinsam die geheimen Geschäfte von Offshore-Gesellschaften veröffentlicht. Wer ist die anonyme Quelle? Wer profitiert von den Enthüllungen?
Nachtrag 16.00 Uhr: Die Süddeutsche Zeitung: Warum die SZ die Offshore-Daten nicht dem Staat geben wird
Finanzminister Wolfgang Schäuble bat über einen Sprecher die „Süddeutsche Zeitung“, die Daten des Offshore-Leaks den zuständigen Behörden zu übergeben. Dieser Bitte kann, darf und wird die „Süddeutsche Zeitung“ nicht nachkommen.
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