Unlängst habe ich an einem Gymnasium vor Schülern, die kurz vor der Matur standen, einen Vortrag über Public Relations gehalten, also über meine schon langjährige berufliche Tätigkeit. Was an sich ein Problem ist. Für mich ist die Tätigkeitsbezeichnung «Public Relations» lediglich ein Etikett, damit sich potenzielle Kunden zumindest die Richtung vorstellen können, in der ich tätig bin. Es handelt sich um einen der wenigen Berufe, wo es keine festen Normen gibt. Derzeit konzentriere ich mich auf die Krisenkommunikation. Was mehr mit gesundem Menschenverstand zu tun hat, also mit dem, was man nicht unbedingt auf der Universität lernt.
Ich habe meine Agentur und meine Tätigkeit immer wieder neu ausrichten müssen. Wozu keine Marktabklärungen und daraus abgeleitete Zielvorgaben nötig waren. Es war lediglich das Akzeptieren der Erkenntnis, dass etwas, mit dem man bislang gutes Geld verdient hat, vorbei ist. Oder man dazu keine Lust mehr hat.
Nur wer fähig ist, die lieb gewonnene Routine über Bord zu werfen, schafft Platz für Neues. Man muss es einfach aushalten, dass Unsicherheit zu einem Dauerzustand wird. Ich habe noch nie einen Businessplan gemacht. Meine Jahresbudgets bestehen immer nur aus der Ausgabenseite. Die muss ich im Griff haben.
Ich weiss nach bald mal dreissig Jahren Selbstständigkeit noch immer nicht, wie viel Honorarumsatz ich im neuen Jahr machen werde. Die brutale Wirklichkeit für jeden KMU-Inhaber: Am 1. Januar werden alle Zähler wieder auf null gestellt, egal wie erfolgreich das gerade vergangene Jahr war.
Wer sich schon in jungen Jahren nicht vom Urteil von diplomgläubigen Personalern einschüchtern lässt, wer nicht an die Karriereplanung glaubt, wer sich also nicht ins Normenkorsett zwängen lässt, der fängt an, die Dinge anders zu sehen, schärft seine Instinkte für Chancen, die andere nicht auf dem Radarschirm haben. Wichtig ist also nicht, sich zurechtzulegen, was man in fünf Jahren zu erreichen gedenkt, so mit einer Plus- und Minuskolonne. Das tun nur Blödmänner und Personalverantwortliche.
Was man wissen muss, ist, was man nicht mehr tun will.
Ist diese Erkenntnis erst mal gefestigt, kommt der Rest von selbst. Wer sich darin übt, sich von den vorgegebenen Vorstellungen zu lösen, ist in der Lage, sich immer wieder neu zu erfinden. Man muss lernen, loszulassen, was man lieb gewonnen hat und einen gleichzeitig träge macht. Was ziemlich banal tönt, aber verdammt schwierig ist. Doch entweder man tut es aus eigenem Antrieb oder man bekommt einen Tritt ins Hinterteil.
Weil eines für alle gewiss ist: Niemand wird mehr ein Berufsleben ohne Brüche durchleben. Wissen und Fähigkeiten, die heute nachgefragt sind und deshalb gut bezahlt werden, sind schon morgen Ausschuss. Normierte Berufsfelder gehören der Vergangenheit an. Wer sich anpasst, ist austauschbar.
Das und noch ein paar andere Erfahrungen habe ich den angehenden Studenten mitgegeben. Die Wichtigste jedoch ist die, dass es überhaupt keine Rolle spielt, was man studiert. Aus dem einfachen Grund, weil kein Mensch weiss, welche Kenntnisse und Fähigkeiten im Jahr 2025 tatsächlich auf dem Berufsmarkt nachgefragt werden. Es ist auch ziemlich egal, ob man nun ein guter oder ein schlechter Schüler ist (ich war ein besonders schlechter).
Das Einzige, was im Leben zählt, ist, ob man mit Begeisterung und Leidenschaft das tut, was man tut.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 16. März 2016