Noch ein letztes Wort zu Hans-Ruedi Gysin, der dieser Tage im Alter von 82 Jahren verstarb.
Unsere Wege haben sich erstmals 1980 im Pratteler Einwohnerrat gekreuzt.
Ich war damals Baselland-Redaktor bei der BaZ und sie hatten mir Pratteln aufgebrummt.
Damals gab es noch Ratsberichterstatter wie Urs Hobi und Markus Jost, die beim Protokollieren des Geschehens sichtlich aufblühten.
Mein Ding war das nicht.
Ausser mal kurz die Traktandenliste durchzulesen, habe ich mich nicht weiter vorbereitet.
Mal schauen, was da abgeht und dann sehen wir weiter.
Gysin war in der FDP-Fraktion unübersehbar das Asphaltier Alphatier.
Und auch sonst stark präsent.
Doch neben Gysin sorgten noch ein Sozialdemokrat, dessen Namen mir entfallen ist, und der POBL-Mann Adrian Müller für Betrieb im Rat.
Und stritten sich mit Gysin auf Augenhöhe.
Damals wurde ihm wohl klar, dass es seinen Ambitionen wohl besser dient, die Linken einzubinden, anstatt sie zu bekämpfen.
Obwohl es „nur“ um lokale Themen geht, debattiert man in Pratteln wie bei den Grossen, dachte ich.
Doch dann, es war während der dritten Ratssitzung, über die ich zu berichten hatte, Gysin war auf alle Fälle gerade in die Gänge gekommen, wurde mir klar: Was ich hier sehe, ist die Blaupause für den Parlamentsbetrieb an sich.
Wenn du das hier verstehst, was hier vor und hinter den Kulissen abläuft, verstehst du den Parlamentsbetrieb an sich.
Denn ob Einwohnerrat Pratteln, Landrat oder Nationalrat – die Themen mögen verschieden sein, doch die Mechanismen des Ratsbetriebs sind die selben.
Von da an war es spannend.
Und Gysin fand ich toll.
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Ein paar Jahre später, Gysin als Politiker und ich als Inhaber einer Kommunikationsagentur hatten inzwischen auf die nationale Bühne gewechselt.
Anfangs der 90er Jahre hatte ich unter anderen ein Beratermandat beim Theater Basel.
Krisensituation.
Der damalige VR-Präsidenten Armin Stieger holte mich zur Unterstützung.
Wir haben uns gut verstanden.
Zur angespannten Lage kam hinzu, dass in Baselland einmal mehr über die Theater-Subvention diskutiert wurde. Ich sagte, das beste wäre, Hans-Rudolf Gysin in den Verwaltungsrat zu wählen.
Stieger war skeptisch, ob der das überhaupt machen würde.
Also traf ich mit Hans-Ruedi – wir waren schon lange Duzis – zum Mittagessen im Restaurant St. Jakob, quasi auf neutralem Boden.
Ich erklärte ihm, was Sache sei und fragte, ob er deshalb nicht Lust hätte, Verwaltungsrat beim Theater zu werden.
Wäre nicht nur gut für das Theater, sondern auch für ihn. Er hätte dann mal ein anderes Thema, die Leute wären wahrscheinlich ziemlich erstaunt.
Gysin antwortet mir, dass er und seine Frau schon seit Jahren ein Theaterabo hätten, kein Premierenabo, sondern ein ganz normales.
Klar würde er sich als Verwaltungsrat im Baselbiet fürs Theater einsetzen.
Ich war baff. Soviel zu meinen Vorurteilen gegenüber Gysin.
Ich übermittelte die meiner Meinung nach frohe Botschaft an Stieger. Nach drei Wochen oder so kam seine abschlägige Rückmeldung.
In Basel gäbe es massiven Widerstand gegen Gysin.
Welch ein kapitaler Fehler. Das hatte Gysin nun wirklich nicht verdient.
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Das mit der Macht ist so ein Sache. Sie steigt einem früher oder später zu Kopf.
Gysin war in den 90ern so mächtig geworden, wie niemand sonst in der Baselbieter Politik. Und das will in unserem politischen System durchaus etwas heissen.
Niemand, der in die Regierung wollte, kam an ihm vorbei. Die FDP musste machen, was er wollte.
Selbst die Sozialdemokraten sonnten sich in ihrer öffentlich zur Schau getragenen Opposition zum Wika-Direktor, um sich kurze Zeit später im Hinterzimmer zu vernünftigen Gesprächen zu treffen.
Seine Wirtschaftskammern hatte sich als lähmende Qualle übers Baselbiet gelegt.
Weil er praktisch alle kantonalen und nationalen Abstimmungskampagnen federführend mitbestimmte, gründete er in den 90ern eine Wirtschaftskammer eigene PR-Agentur.
Konsequenter Entscheid.
Warum sich mit Externen rumstreiten, wenn man intern sagen kann, was Sache ist.
Das Meisterstück lieferte er ab, als er die Gewerkschaften einspannte, zusammen mit der Wirtschaftskammer die Arbeitsmarktkontrolle vom Kanton zu übernehmen.
Gegen Bezahlung, versteht sich.
Die beiden Organisationen hatten von da an die totale Kontrolle übers Gewerbe und deren Aufträge.
Was als gelungener Coup daherkam, war der Beginn vom Ende von Hans-Ruedi Gysin. Ein paar Jahre und Skandale später, musste er wegen der ZAK-Affäre 2016 den Abgang von Politik und Wirtschaft durch den Hinterausgang nehmen.
In Bern blieb er als Nationalrat auch nach Jahren ein Hinterbänkler ohne Einfluss.
Wie bei Männern in Machtpositionen üblich, hatte Hans-Rudolf Gysin den richtigen Zeitpunkt für den eleganten Abgang verpasst.
Sowohl in als Nationalrat als auch als Direktor der Wirtschaftskammer.
Aber was soll’s. Schwamm drüber.
U. Haller meint
Das Asphaltier ist wohl der Hitze geschuldet…
Franz Bloch-Bacci meint
…oder ein Freudscher Vertipper.