Herr Dr. zu Guttenberg ist ein interessanter Fall, er ist gar ein exemplarischer Fall.
Ich meine nicht die Sache mit dem Abschreiben, sondern was rund um das Abschreiben medial geschieht.
Zum einen kann man festhalten, dass es nicht mehr recherchierende Journalisten sind, welche sich durch die zu Guttenbergsche Doktorarbeit wühlen, um plagiatsfündig zu werden, sondern hunderte interessierter Bürger.
Man nennt das Schwarmintelligenz. Oder neue Freizeitbeschäftigung.
Den Medien bleibt lediglich die Rolle der Empörten – und der Vermarkter der Geschichte. Sie sind die Einzigen, die mit dem Guttenbergdokorat derzeit Geld verdienen. Empörung verkauft sich gut.
Zum anderen Herr zu Guttenberg selbst. Er schwieg (mediale Empörung), er wiegelte ab (mediale Empörung), er dementierte (mediale Empörung).
Jetzt gibt er den Doktortitel zurück mit einem Satz, der das Zeugs zum geflügelten Wort hat:
Blödsinn, den ich geschrieben habe.
Und dabei hat er gedacht, was soll der Quatsch. Das „zu“ reicht mir allemal. MEDIALE EMPÖRUNG!
Grandios.
Damit ist die Sache weitgehend erledigt. Die Medien können nicht auf einen wie zu Guttenberg verzichten. Die CSU kann nicht auf den zu Guttenberg verzichten. „Das Volk“ will nicht auf seine Durchlaucht Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg verzichten. Besonders jetzt, wenn er eingesteht:
Ich bin ein Mensch mit Fehlern und Schwächen und stehe auch öffentlich zu meinen Schwächen.
Herr zu Guttenberg ist ein exemplarischer Fall. Er zeigt auf, wie Kommunikation 2.0 funktioniert. Er zeigt, dass die Wirkung von Leaks-Seiten geringer ist, als man gemeinhin denkt.
Markus Heiniger meint
Schwarmintelligenz
wird in der Verhaltensforschung gegenwärtig untersucht, bei Vögeln etwa oder bei Ameisen. Wie kommt es, dass die kleinen Arbeitstiere aus verschiedenen ihnen angebotenen Wegen innert kürzester Zeit den kürzesten herausfinden und die anderen sogleich links liegen lassen? – Und schon sind die Computerprogrammierer daran, die Erkenntnisse der Verhaltensforscher umzusetzen. „Schwarmintelligenz“ als Synonym für tumbes „Kesseltreiben“ zu verwenden (meine Interpretation der Aussage des verwendeten Begriffs „Schwarmintelligenz“) ist also wohl noch einmal zu überdenken.
bugsierer meint
ok, nochmal ich… aber ich kann ja nix dafür, dass @gutjahr ausgerechnet heute seine sehr spannenden 5 thesen zur zukunft des fernsehens gemacht hat… 😉
http://gutjahr.biz/blog/2011/02/5-thesen-zukunft-fernsehen/
bugsierer meint
öhm… nochmal ich… bin gerade bei turi2.de über einen sehr aufschlussreichen back stage bericht zum guttenberg wiki in der süddeutschen gestolpert:
http://www.sueddeutsche.de/digital/jagd-auf-plagiate-im-internet-wir-sind-der-gegendruck-1.1063242
freizeitbeschäftigung? oder doch eine form von citoyen 2.0?
bugsierer meint
na ja, man sollte die wirkung von social media nicht unterschätzen UND nicht überschätzen, schon klar.
die „schwarmintelligenz“ als neue freizeitbeschäftigung abzutun, halte ich für mumpitz, mit verlaub. das guttenberg wiki ist ein paradebeispiel für erfolgreiche bürgerbeteiligung und es ist nur eines von vielen (und diese seite ist qualitativ sehr hochwertig, es wurde dort noch kein einziger fehler gefunden).
und immerhin erleben wir gerade eine zeit, in der die social media tools täglich mehrmals in den mainstream medien erwähnt oder zitiert werden, fast täglich sind bilder auf youtube die einzig verfügbaren.
auch ihre einschätzung, leaks seiten würden überschätzt, ist nur die halbe wahrheit, denn diese seiten resp. diese tools sind noch sehr jung, da ist noch sehr viel luft gegen oben. aus davos hört man, dass die wef gnomen noch selten so beunruhigt waren wie beim vortrag von daniel domscheit berg über openleaks.org.