Von Christoph Meury
Souveränität und ein gesundes Selbstbewusstsein sehen anders aus. Die Baselbieter Politikerinnen und Politiker präsentieren sich bei Kulturfragen seit geraumer Zeit eher wie Kleinkrämer.
Die Mehrheit scheint der Meinung zu sein, dass bei Kulturausgaben das Feilschen um den kleinstmöglichen Einsatz ein Gesetz der Not und ein Zeichen der Stärke ist.
Anders kann ich mir die Debatte um die Theatersubventionen nicht erklären. 4.5 Millionen bezahlt der Kanton Baselland an das Theater. Ob die zusätzlichen 700’000 Franken je in Basel eintreffen bezweifeln viele Skeptiker.
Die Kritiker möchten das Volk darüber befinden lassen. Dies wiederum würde das erbauende Ritual, mit den üblichen unappetitlichen Shitstorms in den lokalen Medien in Gang setzen.
Dabei fühlen sich ältere Herren gemüßigt, öffentlich darauf hinzuweisen, dass sie das Theater nicht mögen und seit Jahren einen Bogen um diese Kunstform machen. Worauf Politiker genüsslich feststellen können, dass ein Beitrag an das Theater nicht opportun, weil vom Volk nicht gewünscht sei.
Gemeinden wie Allschwil und Muttenz sehen sich vorauseilend genötigt die Theaterbeiträge von einigen tausend Franken als Zeichen ihres Sparwillens zu streichen.
Die Beiträge werden als «nice to have» bezeichnet und als großzügige und freiwillige Kulturspenden annulliert. Dieser Diskurs ist also wenig zielführend.
Neuer Ansatz: Wir vergegenwärtigen uns, dass das kulturelle Leben in der Region nicht nur durch das Theater Basel repräsentiert wird.
Um die Sache konkreter werden zu lassen, leisten wir uns eine Aufzählung:
Kunstmuseum Basel und Museum für Gegenwartskunst, Museum der Kulturen Basel, Historisches Museum Basel, Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, Beyeler Museum AG, Stiftung Basler Papiermühle, Sportmuseum Schweiz, Augusta Raurica, Jüdisches Museum der Schweiz, S AM Schweizerisches Architekturmuseum, Ausstellungsraum Klingental, Basler Kunstverein / Kunsthalle Basel, dock: aktuelle Kunst aus Basel, Kunstkredit Basel-Stadt, Cité Internationale des Arts, Paris, Theater Basel, Vorstadttheater Basel, Tanzbüro Basel (IG Tanz), Genossenschaft zur Förderung der Basler Kleintheater GBK, Theater- und Tanzkredit, Stiftung Basler Orchester, Rockförderverein der Region Basel RFV, kammerorchesterbasel, basel sinfonietta, Musikwerkstatt Basel, Musikverband beider Basel, Knaben- und Mädchenmusik Basel, Ensemble Phoenix Basel, Knabenkantorei Basel, Verein Jazz-Live Basel (the bird’s eye jazz club), Internationale Gesellschaft für Neue Musik Basel IGNM, Mädchenkantorei Basel, Freunde alter Musik Basel FAMB, Musikkredit, GGG Stadtbibliothek Basel, Verein Literatur (LiteraturBasel), Literaturkredit, Stadtkino Basel / Landkino, Haus für elektronische Künste HeK, Audiovision- und Multimediakredit, Kulturwerkstatt Kaserne, Kulturbüro Basel, Kaskadenkondensator, Atelierkredit, Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt, Staatsarchiv Basel-Stadt, Education Projekte Region Basel, Triptic (Projekt ‹Dreiecksland› – Trinationaler Kulturaustausch, Kulturpauschale….)
Ich bitte um Entschuldigung, aber die Liste ist endlos lang!
All diese kulturellen Institutionen und Aktivitäten stehen der regionalen Bevölkerung zur Verfügung. Kein Mensch muss sich dabei ausweisen und aufzeigen aus welchem Winkel dieser Erde er kommt. Jedermann ist willkommen.
Die kulturellen Dienstleistungen & Herrlichkeiten kosten den Basler Steuerzahler 118’755’041 Franken (2013).
Via Kulturvertragspauschale leisten die Baselbieter eine jährliche Abgeltung von 9.5 Millionen Franken. Das ist im Verhältnis ein bescheidener Beitrag.
Wir wollen jetzt auch nicht kleinlich werden, aber laut Bundesverfassung könnte der Bund die Kantone per Gesetz zur Beteiligung an interkantonalen Verträgen und Beteiligungen von kulturellen Institutionen verpflichten, wenn diese Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung sind.
Souverän wäre es also, wenn die Landrätinnen und Landräte ihren Widerstand aufgeben, über ihren Zwergenschatten springen und konstruktive & partizipative Beteiligungsvorschläge auf den Tisch legen.
Die Orientalische Basar Mentalität ist wenig zielführend und vergiftet das politische Klima.
A.Schaffhauser meint
Lieber Herr Meury, eine Korrektur zum Thema „Fehde“. Ich sprach in meiner Wortmeldung von Ihrem öffentlich ausgetragenen Disput mit Herrn Wüthrich, also nicht von dessen Kulturbeauftragten. Im übrigen: toben Sie ruhig weiter auf dieser Plattform, das hilft, Ihre künftigen Beiträge besser einzuordnen. Apropos „Ästhetik des Diskurses“: inzwischen an der Seniorenuni eingeschrieben? Aber so was macht sich gut, doch doch.
Beat Hermann meint
Herr Meury, Ihre Aufzählung der in der Stadt erbrachten Kulturleistungen ist beeindruckend, aber vor allem nett. Es gibt in Basel jedoch einige (nicht wenige) Institutionen von herausragender Bedeutung, die wir Baselbieter in unserem eigenen Interesse, als Profiteure dieser wunderbaren Region grosszügig unterstützen sollten (müssten): Kunstmuseum Basel, Stiftung Paul Sacher, Fondation Beyeler, Vitra Museum, Museum Fernet Branca und vielleicht die elektronischen Künste. Ich verstehe nicht weshalb Baselland nicht willens ist, zumindest die Leuchttürme mitzutragen. Der Frauenchor des Kaffs steht uns halt immer noch näher.
away meint
Brechen wir das ganze doch mal ein, zwei soziale Stufen herunter. Die Familie (gutschweizererisch #4 Köpfe) hat ein Einkommen von CHF 6’000.- / Mt. zur Verfügung. Sie muss neben all den Fixposten folglich einteilen. Sie kann aber auch zur Cembra Money Bank gehen (siehe SoZ „Das grosse Geschäft mit den Schulden“). Wo wird die Familie, wenn sie mutmasslich ein Defizit einfährt, wohl zuerst sparen? Beim Kino oder den Riebli? Oder nimmt sie den bequemen Kleinkredit? So. Der Kanton Basel-Landschaft sieht für 2014 ein Defizit von -45 Mio (ex BLKP) vor, für 2015 rund -30 Mio. Geld ausgeben, das man nicht hat. Kann man. Nach welcher Machart bringen Sie das Ihrer 10-jährigen bei?
Meury Christoph meint
Ganz pragmatisch: Man kann auch in Zeitfenstern denken und Perspektiven für die Zukunft skizzieren. RR Anton Laube prognostiziert (Oktober 2014) für das Jahr 2018 einen Ertragsüberschuss von 144 Mio. Franken und einen Selbstfinanzierungsgrad von 100%. D.h. ab 2019 sollten gemäss Laube die Finanzen im Lot sein. Ergo kann dann in Betracht gezogen werden den «Kulturvertrag» mit der Stadt Basel zu erweitern.
Ich schlage vor, dass ab 2019 neu 2% der Steuereinnahmen der natürlichen Personen in den Fonds der Kultur-Vertragspauschale fliessen. Das wäre, je nach Stand der Steuereinnahmen, eine Verdoppelung des Beitrages auf rund 19 Mio. Franken. Damit setzt man ein klares Zeichen und der Vorschlag wäre ab 2019 finanziell tragbar.
A.Schaffhauser meint
Anstelle einer durchaus angezeigten redaktionellen Fussnote noch eine Notiz zu diesem Gastbeitrag: der Autor wurde, was für mich ok ist, a) über Jahrzehnte vom Baselbieter Subventionstopf gefüttert und b) steht seit längerem in halbprivater, jedoch unlängst öffentlich ausgetragener Fehde mit dem noch amtierenden Kulturminister. Seine Dauerschelte auf BL hat also eine leichtes Bei-Geschmäckle.
Schewardnadse meint
Voll geil, Sie sprechen mir aus dem Herzen!
Meury Christoph meint
Nix von Kulturchef-Fehde: http://www.tageswoche.ch/de/2014_49/kultur/675003/Auf-den-neuen-Baselbieter-Kulturchef-wartet-ein-Kamikaze-Job.htm
Eher ein Plädoyer für seine Arbeit.
Nemesis meint
Nehme ich das völlig falsch wahr, wenn ich denke, ich habe anhand dieses Blogs erfahren, weshalb sich der Kulturfan und frühere Leiter des Roxy nicht um die Nachfolge von Niggi Ullrich bewirbt? Keine Lust auf Widerstände… Am Rande sei vermerkt, dass jener vielleicht weniger aus Frust aufhört als weil er rechnen kann. Schon mal was vom Systemwechsel in der BLPK per 01.01.2015 gehört? Meines Wissens konnte sich Niggi Ullrich zu den alten Konditionen frühpensionieren lassen.
Meury Christoph meint
Wer keine Argumente hat geht auf die Person los. Das kommt immer gut!
Es ist aber definitiv falsch: Meury hatte nie eine Privatfehde mit dem Kulturamtsleiter Ullrich.
Ob Meury in einem Baselbieter Kulturbetrieb (Theater Roxy) gearbeitet hat, hat nichts mit der kritisierten Position und der skizzierten Sicht zu tun.
Zudem: Nicht Meury wurde subventioniert, sondern das von ihm geleitete Theater. Analog gilt: Der Staat futtert nicht die Staatsbeamten durch, sondern die Beamten machen einen Job, wofür sie bezahlt werden.
Das ist lediglich ein plumper Versuch von Ihnen die Person Meury zu desavouieren.
Reagieren sie auf die inhaltliche Kritik und outen Sie sich.
PS.: Das Schewardnadse-Echo klingt ebenfalls etwas erzwungen hohl….
Schewardnadse meint
Wissen Sie Herr Meury, ich kann das nicht ganz ernst nehmen, dass Ihre Kritik am BL-Kulturbetrieb nichts mit Ihrer früheren Tätigkeit zu tun hat.
Ich habe auch etwas Mühe damit, wenn jemand jahrelang im Sold eines Unternehmens oder eines Staatswesens gestanden hat und kaum ist er weg, kein gutes Haar mehr daran lässt. Ihr Baselland-Bashing ist ja hier gut dokumentiert.
Und Ich kann nicht nachvollziehen, was erzwungen hohl daran sein soll, wenn ich einen Kommentar gut finde und das auch kund tue.
Meury Christoph meint
Nachtreten ist immer gut!
Aber auch mit dem modischen und etwas abgelutschten Bashing-Begriff kann man kritische Positionen nicht abtun.
Meine kulturpolitischen Positionen können Sie übrigens nachlesen. Ich habe sie bereits während der Tagsatzungsdebatte geäussert (2011). Als Statement auf der Seite der Kulturabteilung.
Sie können es noch so oft wiederholen: Ich stand nie im Solde des Kantons Baselland. Ich habe aber aktiv (insgesamt 18 Jahre) am Aufbau eines der Baselbieter Leuchttürme mitgewirkt (Theater Roxy), ein paar veritable Kulturprojekte mitinitiiert (Tanztage, Treibstoff und Theaterfestival), usw.
Wenn Sie den Text übrigens genauer lesen, sehen Sie was ich kritisiere. Aber das wollen Sie vielleicht gar nicht wissen. Sie verweigern sich dem inhaltlichen Disput und möchten mich mit Unterstellungen mundtot machen.
Schewardnadse meint
Nachtreten? Ah, ich hätte nichts mehr schreiben dürfen, okay. In meinen Statement geht es tatsächlich nicht im Inhalte, sondern um den Stil. Damit habe ich meine Mühe. Sie mundtot machen, wie soll denn das gehen?
eric müller meint
Kann mich da nur anschliessen, wenn jemand für ein Nischenprodukt vom Kanton mit jährlich CHF 550’000 wie die Made im Speck gehalten wurde, dann wäre ein wenig Zurückhaltung (ganz generell) angebracht.
Meury Christoph meint
Wir können gerne & ausführlich über die Ästhetik des Diskurses fabulieren. Dabei müsste allerdings auch das Ungleichgewicht zwischen ihrer Anonymität und meinem Bekenntnis zur Offenheit thematisiert werden. Es ist eine Frage der gleichlangen Spiesse. Persönlich interessiert mich dies aber wenig. Ich bin nur an einer inhaltliche Debatte und einem entsprechend kulturpolitischen Diskurs interessiert.
Deshalb bitte ich doch dringend den Ball flach zu halten und vor persönlichen Diffamierungen Abstand zu halten.
Ich brauche auch keine Erklärungen per Milchbüchlein-Rechnung.
Diskutieren sie doch inhaltlich. Es ist nicht so schwer. Versuchen Sie’s!
Marc Schinzel meint
Als Binninger Freisinniger stehe ich der Kultur, die auf städtischem Boden stattfindet, mit ihrer überregionalen, ja internationalen Ausstrahlung räumlich wie geistig nahe. Binningen leistet als Gemeinde einen Beitrag von mindestens 100’000 Franken an kulturelle Institutionen in der Stadt Basel (Budget 2015). Die hochstehende Kultur im Raum Basel ist ein Standortfaktor von ganz besonderer Qualität, der auch (aber natürlich nicht nur) volkswirtschaftlichen Nutzen hat. Deshalb hege ich auch viel Sympathie für eine höhere finanzielle Beteiligung von BL am Basler Theater. Doch bitte dabei etwas nicht vergessen: Wer zahlt, soll immer auch mitsprechen können. Die Chancen, Volksabstimmungen zur Partnerschaft mit BS gewinnen zu können, steigen deutlich, wenn BL geregelte Mitspracherechte hat. Im Verkehrsbereich klappt dies momentan nicht immer so gut. Da präsentiert man BL gerne einmal die Rechnung, ohne den Landkanton vorher in die Planung einbezogen oder auch nur in time informiert zu haben. In der Kultur mag das Problem weniger akut sein, da es interkantonale Vereinbarungen gibt. Ich habe diese allerdings nicht näher studiert, da ich gerade daran bin, den Koran mindestens drei Mal zu lesen, um mit Andreas Thiel auf Augenhöhe diskutieren zu können …
Beat Hermann meint
Ich freue zu sehen wie Frau Bildungsdirektorin Treuhänderin Gschwind die Interessen des Landkantons in der Planung von Kulturleistungen der Stadt einbringen wird. Pauken und Trompeten! … andere sagen Soll und Haben.
Marc Schinzel meint
@Hermann: Monica Gschwind würde, sollte sie Bildungsdirektorin werden, sicher darauf achten, dass die Baselbieter Mitsprache in den dafür vorgesehenen Gremien rechtzeitig wahrgenommen wird oder – wenn noch nicht aufgegleist – rechtsgültig vereinbart wird. Wie die anderen drei bürgerlichen Kandidierenden übrigens auch. Wenn möglich mit Harfe und Cello, wenn nötig mit Pauken und Trompeten. Schalmeienklänge haben wir genug, vor allem dort, wo Geld verteilt wird …
Städter meint
Dass BL zuwenig bezahlt, das sollte allen klar sein. Aber: Die Aufzählung der Kulturinstitutionen ist etwas exemplarisch dafür, dass man Plätze, wo eben auch Kultur stattfindet, die aber keinen Subventions-Segen erhält wie altehrwürdige Häuser, hier nicht gleichwertig einstuft. Ich nenne mal Kultur-Veranstalter wie Kuppel oder das Floss, oder Hinterhof. Da wäre auch mal Anerkennung nötig von denjenigen, die jahrelang profitiert haben, dass die Beiträge fliessen vom Kultur-Etat.
Meury Christoph meint
Als kleine Ergänzung: Die aufgezählten Nischenplayer im Kulturbereich bekommen alle öffentliche Gelder. Entweder über den Swisslos Fonds, die Kulturpauschale, oder von einer der vielen Stiftungen: CMS, GGG, Binding Stiftung, usw.
Für kontinuierliche Subventionen muss man länger anstehen und den politischen Circuit durchlaufen. Nur dann wird man in den Kreis der Erlauchten aufgenommen und kann auf regelmässiges Manna hoffen.