Brighton, gestern
Okay, ich sehe es ein, dass eine politische Kolumne diesen Mittwoch nicht drinliegt. Deshalb wäre es wohl am besten, ich würde was zur Fasnacht schreiben.
Zum Beispiel über mein Problem, überhaupt über die Fasnacht schreiben zu können. Denn wenn ich ein Thema in meiner gut zwölfjährigen journalistischen Karriere umschifft habe, dann waren es Berichte über die drey scheenschte Dääg.
Dafür fehlten mir die Worte, um die der Sache angemessenen Sätze zu bilden.
Allerdings hatte ich als junger Redaktor beim Basler Volksblatt als Blattmacher zusammen mit dem Metteur die vier, fünf Lokalseiten mit der Fasnachtsberichterstattung zu gestalten. Im Bleisatz.
Es galt schon damals, mit den Bildern der Fotografen und den Texten der Reporter attraktive Seiten zu gestalten. Und dazu noch Bildlegenden und Titel zu schreiben. Und den Text auf der Front und den Text zur Bildseite.
Was also macht man, wenn einem Worte und Sätze fehlen, um dieses dreitägige Hochamt der Fasnachtsfreude in Wort und Satz zu fassen, dass die geneigte Leserschaft, die als passive Fasnachtsbegeisterte an den Strassenrändern und abends beim Gässlen die noch viel mehr begeisterten Aktiven bestaunen, nicht merken, dass da einer Titel, Bildunterschriften und einen Kurztext für die Front schreibt, der erstens des Baseldeutschen nicht mächtig ist und zweitens von der Basler Fasnacht nur wenig Ahnung hat?
So einer geht hin und holt sich die letzten drei, in dicken Büchern gebundenen Zeitungsjahrgänge aus dem Archiv, schlägt die jeweiligen Seiten mit den Berichten zum Morgestraich, Cortège und übers Gässle auf.
Und schreibt ab.
Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte ich den Band des vorangegangenen Jahres nicht rauf in die Redaktion genommen, weil ich dachte, vielleicht erinnert sich doch noch jemand daran, was wir letztes Jahr geschrieben haben.
Neben den Sujets, die wechseln, muss man nur noch aufs Wetter achten. Aus «Grauer Himmel, aber kein Regen und nicht allzu kalt» wird dann «Strahlender Sonnenschein und Temperaturen, bei denen das Piccolo einzufrieren droht», den Rest kann man übernehmen.
Immerhin kann ich noch beifügen, dass damals, in den 70ern des letzten Jahrhunderts noch alle Texte mit der Schreibmaschine geschrieben wurden, man also die vorjährigen Versatzstücke nicht einfach wie heute «copy-pasten» konnte, sondern abtippen musste.
Beim Basler Volksblatt hatten sie 1976 gerade eben ein Faxgerät angeschafft – welch ein Fortschritt gegenüber dem ratternden Telefax, wo man ständig mit seinen Fingern in den Tasten hängen blieb.
Es wurde eine gute Ausgabe, und als ich am anderen Morgen die Ausgabe durchblätterte, war ich mir sicher, dass niemand gemerkt hat, welch ein fasnächtlicher Analphabet am Werk war.
Ich könnte jetzt noch kurz darüber berichten, wie ich Jahre später bei der BaZ am Sonntag als Dienstredaktor für Lokales ein Archivbild vom letzten Morgestraich plus einen wettermässig passenden Text auf die Frontseite der Fernausgabe gesetzt habe.
Weil ich dachte, dann müssen Heimwehbasler in Arosa oder Rom nicht bis Dienstag auf die Nachricht warten, dass der Morgestraich auch dieses Jahr stattgefunden hat.
Blöderweise standen die Paletten mit Zeitungen just dort im Bahnhof, wo kurz nach ein Uhr die ersten Heimwehbasler aus Zürich zum Morgestraich eintrafen. Damals riefen die Leute noch an, um zu reklamieren.
Herzliche Grüsse aus London.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 8. März 2017
Michael Przewrocki meint
Telefax dürfte Telex gewesen. Das tat noch lange im Militär ihren Einsatz, inkl. Verschlüsselung. Einfach Zeitlupen-Versand, aber dafür sicher! Zum Glück nicht mehr in neue Technik eingeschult da bald nicht mehr dabei.
M.M. meint
Stimmt, Telex. Die Korrektoren bei der BaZ, respektive die zuständige Redaktorin sind offensichtlich so jung, dass denen das auch nicht aufgefallen ist.