Übers Wochenende habe das 52-Seiten-Buch „Das Recht auf Faulheit“ des Sozialisten und Arztes Paul Lafargue gelesen.
Er hat es 1880 veröffentlicht.
Das Buch ist ein Abtauchen in eine Welt, die (zumindest in Europa) weit hinter uns liegt, dessen Grundthese jedoch noch immer gilt: Die Masse kann sich Faulheit – oder positiv „Müssiggang“ – nicht leisten, weil sie als Konsumenten im kapitalistischen Wirtschaftshamsterrad gefangen ist.
Und über zuwenig Mittel verfügt, um sich daraus zu befreien.
Schon damals war, wie Lafargue feststellt, das eigentliche Problem der Produzenten nicht die Produktion, „sondern Konsumenten zu entdecken, ihren Appetit zu reizen oder ihnen solchen anzuerziehen.“
Was man heute mit Psycho-Marketing perfektioniert.
Wichtig ist, dass man den angehenden Konsumenten schon im Kindesalter beibringt, Arbeiten ist gut und Müssiggang schlecht.
Folgerichtig denn der erzieherische Leitsatz des deutschen Elementarschulunterrichts von 1849, der noch immer gilt: „Der Mensch ist hier, um zu leiden und nicht um zu geniessen.“
Woraus sich, zur Freude der Bourgeoisie, der Proleten-Kampfruf entwickelte: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“
Ausser man hat sich heutzutage als Rentner – dank bedingungslosem Einkommen – aus dem Hamsterrad befreit.
Obwohl.
Die aktuelle Diskussion um die Rentenfinanzierung wandelt – unterschwellig – den alten Kampfruf zeitgeistig in „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht geniessen“ um.
Berthold Brecht setzte Ende der 30er Jahre mit einer Erzählung das Thema.
In seiner Kurzgeschichte beschreibt die beiden Lebensabschnitte einer 72jährigen Frau, nämlich vor und nach dem Tod ihres Gatten.
Als dieser stirbt, ändert die Mutter von fünf Kindern radikal ihr Leben.
Statt sich weiter als Hausfrau abzurackern, kostet sie die letzten Jahre ihres Lebens in vollen Zügen aus. Sie isst auswärts, geht eine Beziehung mit einem Flickschuster ein, besucht die Pferderennbahn und so weiter.
Kurz: Zum Entsetzen der Verwandtschaft verpulvert sie nicht nur ihr Erspartes, sondern lebt ein Leben, das so gar nicht ins Bild der Nachkommen über eine Siebzigjährige passt.
Der Titel der Erzählung: „Die unwürdige Greisin“.
Meine Lieblingsstelle in Lafargues Schrift ist by the way die mit Gott, dem Grossmeister der Faulheit.
Jehova, der bärtige und sauertöpfische Gott, gibt seinen Verehrern das erhabenste Beispiel idealer Faulheit: Nach sechs Tagen Arbeit ruht er auf alle Ewigkeit aus.
Übrigens: Gemässe der Volkszählung von 1861 arbeiteten in England mehr Menschen als Dienstboten (1,2 Mio.) als in der Industrie und im Bergbau (1 Mio). Es gab damals eine breite und sicherlich gottesfürchtige Schicht, die es sich leisten konnte, zu geniessen.
Arlesheimreloadedfan meint
Wenn Du weiter so Zeugs zusammen schreibst,kommen in Baselland nächsten die Anarchokommunisten an die Macht
.