Gesetzt der Fall, die Post würde jede meiner E-Mails ausdrucken, in ein Couvert stecken und per Postboten andern Tags so gegen zehn Uhr morgens bei uns in den Briefkasten stecken – wir würden doch glatt sagen: die spinnen bei der Post.
Und der einzige Grund, weshalb die Post das tun würde, uns zwangsverpflichtete, auf Papier zu lesen was wir auch elektronisch empfangen können, wäre, dass sie umsverworgen ihr Geschäftsmodell retten will.
Genau das machen die Druckereibesitzer mit uns.
Sie übernehmen Nachrichten, die sie übers Internet empfangen, in ihr System und drucken sie auf Papier. Dieses wird dann am anderen Tag von Dutzenden von Verträgern frühmorgens in meinen und viele tausend anderer Briefkasten gesteckt.
Sie tun das nur, weil sie teure Druckmaschinen besitzen, die sich noch nicht dem Alteisenhändler überlassen können.
Und wenn man bedenkt, dass an einem Tag wie heute auf dem zugestellten Papier vieles in dieser oder jener Form schon längst online zu lesen war, dann kommt man nicht umhin von einem sterbenden Medium zu reden.
Im Moment haben wir dank der Gratis-BaZ jetzt Sonntagszeitungen, drei auf Papier und eine elektronisch via App aufs iPad geliefert. Sie werden die nächste Aboerneuerung nicht überleben.
Denn jede wirklich wichtige Meldung, welche die bringen, bekomme ich sofort auch auf anderen Kanälen mitgeteilt. Auch sonntags.
Wenn ich meinen Browser starte, dann starten gleichzeitig vier Online-Ausgaben von führenden deutschsprachigen Verlagen. Wenn ich FlipBoard auf meinem iPad starte, dann liefern mir mehrere tausend Quellen via Twitter und RSS-Feeds 24/7 das Neueste aus aller Welt. Und nicht nur aktuelle Schiffsuntergänge sondern über Kunst, Wirtschaft, Stile, Gesundheit, Digital und so weiter und so fort querbeet.
Nein, ich bin kein Digital Native. Manche denken, ich sei ein Digital Pioneer. Ich halte mich für den Durchschnittsinteressierten, der schon in drei, vier Jahren die Mehrheit bilden wird.
PS: Vor zwei Jahren haben wir einen Internetempfänger angeschafft. Die Diskussion um Radio Energy finde ich deshalb absurd. Dank Internet kann ich den ganzen Tag genau die Art Musik hören, die ich jetzt in diesem Moment gerade hören möchte. Sei es Pop, Oldies, Jazz, Blues oder Klassik. Ohne Gerede und Werbung. Gut, dieser Vorstoss im Landrat und im Grossen Rat war ja weniger eine politische Aktion als vielmehr einfach Klamauk von zwei Jungmännern, die sich für die Grössten halten.
merlinx meint
Aktualität und Verfügbarkeit, überall und jederzeit, sind ohne Zweifel das Plus der elktronischen Medien.
Mich hat bis jetzt aber vor allem das Format (Miniatur) und das Material (Kunststoff) davon abgehalten, auf ein entsprechendes Lesegerät umzusteigen.
Eine Zeitung muss ich nur umblättern, das Blickfeld wählen die Augen, ununterbrochen, anstrengungslos. Entspanntes Lesen. Keine Angst, Buchstaben und Text könnten abstürzen …
Dagegen das ständige Fingern an diesen Gerätlein, alles muss zuerst mühsam hervorgefummelt werden. Und dabei die leicht verkrampfte Körperhaltung, überall, im Tram, auf der Strasse, zu Hause, alles weist auf Absorbtion hin, – nur, wer saugt da wen auf …
(Gut, nach der Spracherkennung wird ev. die Erkennung der Pupillenbewegung noch was bringen.)
Wenig diskutiert wird auch, dass im Zuge der jetzigen Entwicklung möglicherweise einige, von allen beherrschte technische Fähigkeiten sukzessiv verkümmern oder ganz verloren gehen werden, oder an ganz wenige Spezialisten abgetreten werden.
(Ich will damit nicht sagen, dass früher jeder eine Papiermühle am rauschenden Bach betrieben hat, – aber wer von uns hat nicht in seiner Jugendzeit noch einen simplen Radioempfänger basteln können …)
Nintendo und Co. bewirken bei den heute (vier) bis vierzig Jährigen ohne Zweifel flinke Daumen und machen sie recht fit für smartes multitouch – und nun wird jeder auch noch ein cleverer Programmierer!
Ein letzter Punkt, auf diesem Blog schon oft thematisiert, ist hochaktuell, nämlich die Ausfilterung der Userprofile durch Facebook und Konsorten: Dies dürfte
letztlich vor allem zu einer «zeitgemässen» Normierung und Steuerung der Menschen führen.
Hotcha meint
Wer einem gruseligen Allerweltsgeschmack aus „Pop, Oldies, Jazz, Blues oder Klassik“ anhängt, braucht natürlich keine Radiostationen mehr. Hören Sie mal eine Woche lang dem exzellenten Informationsprogramm von RSR1 zu (kaum Musik, dafür interessante Gespräche von 5:00 bis 19:00 Uhr) und stimmen Sie schon jetzt in meine vorweggenommene Trauer um sein zwangsläufiges Verschwinden in den nächsten 10 Jahren ein.
Eine Topsendung wie Histoire Vivante z.B. verdiente Artenschutz. http://www.rsr.ch/la-1ere/programmes/histoire-vivante/
M.M. meint
Höre im Auto praktisch immer Deutschlandfunk.Wird auch nur geredet. Eine sprechende NZZ. Und zum Kochen am Mittag DRS4. Mein Französisch ist so lala.
Cornelis Bockemühl meint
Kein Problem: RSR darf doch weiter senden, und Deutschlandfunk und was auch immer! Nur halt nicht mit rigidem „one-size-fits-all“-Programm.
Denn wenn die dann gerade etwas Interessantes diskutieren im Radio, und zugleich kommt jemand in die Küche und will was von mir – ja dann will ich dem Radio sagen können „wart mal einen Moment…“ – und nachher weiter hören!
Das geht nicht mit unserer Steinzeit-Sendertechnik – ginge technisch aber problemlos mit individueller Übertragung via Internet!
Wird ja sicher spätestens in ein paar Jahren auch so sein; bis dahin müssen halt noch ein paar Leute vom alten System Kasse machen – und die Schweizer führen kurz vor dem Ableben dieses Mediums sogar noch eine Zwangsabgabe dafür ein!
Cornelis Bockemühl meint
Den Sinn von Radio- und Fernsehsendern sehe ich im Zeitalter des Internets wirklich nicht mehr ein: Dem PS muss ich also sofort 100% zustimmen! Alles kommt eh auf elektronischem Wege, und auf diese Weise wird es auch konsumiert: Wir brauchen Lautsprecher/Kopfhörer bzw. Bildschirme. Ein Radio/Fernsehprogramm mit festen Zeiten gibt es hingegen ja nur darum weil früher die Bandbreiten der Verteilkanäle noch keine auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittene Verteilung erlaubten.
Gedrucktes hat hingegen trotz allem seine eigene Qualität die ich nicht missen möchte – und ich glaube nicht dass ich damit der letzte Leser bin! Gewiss: Die Schnelligkeit elektronischer Medien wird nicht erreicht, aber… Hmm – jedenfalls drucke ich mir jeden Text den ich lesen will und der länger ist als 2-3 Absätze ist aus und lese ihn auf Papier! Und von einer Zeitung erwarte ich Interessantes jenseits der reinen Aktualität (aber natürlich nicht nur eine vorproduzierte Meinungssosse, die einfach gleichermassen über alles gegossen wird…).