René Kamm ist für Basel ein Glücksfall. Unter seiner Leitung hat sich ein Kleinbasler Messeunternehmen zunächst national hochgearbeitet und danach zu einem internationalen Unternehmen entwickelt, das mit dem Art-Brand eine Weltmarke im Portfolio hat.
Während die Vorvorgänger Kamms aus dem abgehobenen diplomatischen Dienst ins Basler Messegeschäft herabgestiegen waren und diesem mit ihrer beruflichen Vergangenheit zu Glanz und Glamour verhalfen, worin sich die lokale Politik sonnen konnte, hat der Ökonom Kamm – von unten kommend und mit hochgekrempelten Ärmeln – das Unternehmen aus der lokalen Sackgasse geführt.
Beharrlich und mit Engagement. Und auch mit Spass an der Sache.
Das ist eine Leistung, die ihm so schnell keiner nachmacht.
Keine Frage: Wer derart erfolgreich ist wie René Kamm, dessen Ego muss weitaus stärker entwickelt sein als das des Durchschnitts. Doch das Ego eines erfolgreichen CEO kann sich mit der Zeit zu einem Junkie entwickeln, der täglich seinen Schuss Erfolg fordert.
Mit zunehmend höherer Dosierung. Erfolg macht süchtig.
Doch in Krisensituationen kann ein derart aufgeputschtes Ego den Blick auf die Realität verstellen. Man ist nicht mehr fähig, mit Distanz und deshalb überlegt zu agieren. Man tritt auf als «Group Chief Executive Officer und Head of Exhibitions». Ein Rang und Titel, auf den in einer Unternehmenskrise jeder Journalist pfeift.
Wenn also die Umgebung aus nichtigem Grund und deshalb unerwartet in den Krisenmodus schaltet, dann muss als Erstes das Ego des Chefs in den Ruhemodus heruntergefahren werden. Sonst verliert man, wie René Kamm letzte Woche auf Telebasel und im Interview mit der Basler Zeitung, die Contenance.
Was dazu führt, dass man mit einem Satz wie diesem den Journalisten in den Senkel stellt: «Das Problem ist, dass Sie leider – und Sie haben sich ja auch noch gar nie für die Baselworld akkreditiert – nicht wissen, über was Sie schreiben.»
Was verkürzt heisst: Sie sind ein Idiot.
Das ist ein Schuss fürs Ego. Und beleidigt damit gleich noch die Leser, die ja auch keine Ahnung haben.
Wer derart emotional kommuniziert, gibt am Ende viel mehr preis, als er sich vorgenommen hat. René Kamm, der mit der Absicht in die Medienoffensive ging, kurz und bündig festzuhalten, dass alles rechtens sei «mit Millionenaufträgen, die der Ehemann der Baselworld-Chefin erhält» (BaZ), deckte stattdessen in überlangen Interviews eine bemerkenswerte geschäftliche Verflechtung zwischen der Messe und einem Architekturbüro auf.
Dies ist der eigentliche Grund, weshalb die Geschichte solche Wellen wirft.
René Kamm zeigt nämlich auf, dass das Problem gar nicht die Frau und der Ehemann sind. Vielmehr ist, was man mit grossem Erstaunen zur Kenntnis nimmt, die Messe (Basel) existenziell abhängig von einem einzigen Unternehmen: «So einen Auftrag können Sie nicht einfach einem Dritten übergeben. Das ginge nur, wenn ein Konkurrent quasi alle Mitarbeiter der Dany Waldner AG abwerben würde.»
Ich will ja Herrn Kamm nicht ins Geschäft dreinreden.
Aber aufgrund seiner Äusserungen kann man zum Schluss kommen, dass es völlig egal ist, wer die Aufträge vergibt und wer die Rechnungen visiert («obschon das für einen CEO einer Gruppe unüblich ist, visiere ich die Rechnungen»). Es wird ja jedes Jahr ein neuer Vertrag unterzeichnet («… jedes Jahr ein neues Angebot, über welches wir dann verhandeln …»). Der Rahmen und die Konditionen sind fixiert und damit auch das Auftragsvolumen.
René Kamm auf die Nachfrage leicht enerviert: «Wie betont: Sie können nicht einfach mit einem anderen Anbieter zusammenarbeiten.»
Eine Aussage, die das Scheinwerferlicht auf die strategische Führung, sprich den Verwaltungsrat, richtet, zumal der CEO diesen im Interview mit der BaZ in Mithaft nimmt: «Der Verwaltungsrat war sich der Liaison mit Frau Ritter vollauf bewusst.»
Als dieser ebenfalls einen Auftrag an deren Ehemann vergab.
Das Problem bei diesem auch persönlich haftenden Aufsichtsorgan ist, dass es noch immer so zusammengesetzt ist wie damals, als man noch klein und lokal war. Im Verwaltungsrat sind fünf der elf Mitglieder Exekutivpolitiker.
Zwei weitere wurden von Regierungen eingesetzt, darunter alt Regierungsrat Ulrich Vischer als Präsident.
Der Verwaltungsrat der MCH Group kann auf gerade mal drei Führungspersönlichkeiten zählen, denen man aufgrund ihrer aktuellen Tätigkeit bescheinigen kann, dass sie vom internationalen Geschäft etwas verstehen.
Wenn man sich bei den Kantonalbanken von Lokalpolitikern verabschiedet hat, weil man selbst für diese lokal tätige Unternehmen mehr branchenspezifischen Sachverstand einfordert, dann haben Regierungsräte in einem international aufgestellten und weltweit agierenden Unternehmen nun gar nichts mehr verloren.
Die Überzahl der Politikergruppe im Verwaltungsrat muss auch deshalb zu denken geben, weil die Kantone Baselland, Basel-Stadt und Zürich sowie die Stadt Zürich «nur» 49 Prozent des Aktienkapitals besitzen.
Auf dem Papier.
Diese Zahl ist derart auffällig, dass man daran erinnern muss, dass es sich um eine juristische Spitzfindigkeit handelt, die unter SP-Regierungsrätin Barbara Schneider ausgetüftelt worden war.
Man wollte verhindern, dass das aus der Fusion mit der Zürcher Messe neu geschaffene Unternehmen zum politischen Zankapfel zwischen Zürich und Basel wird. Die Limite von weniger als 50 Prozent schaffte man, indem der Kanton Basel-Stadt der Messe auf alle Ewigkeit einen zinslosen und unversteuerten 20-Millionen-Kredit gewährte.
Den kann man juristisch als Fremdkapital ausweisen, obwohl er wirtschaftlich dem Eigenkapital zuzurechnen wäre.
Soll man René Kamm nun vorwerfen, dass es ihm in Sachen Lokalpolitik an politischem Fingerspitzengefühl mangelt wie damals, kurz nach Amtsantritt, als er von allen KMU-Betrieben, die von seinem Unternehmen profitieren, forsch eine Sondersteuer zugunsten seiner Messe verlangte? Will man es ihm verargen, dass es ihm, der die Welt im Blick hat, eher lästig ist, sich in die Niederungen der Basler Medien zu begeben?
Nein.
Die von René Kamm forcierte Internationalisierung birgt Risiken, die unter Umständen von den hiesigen Steuerzahlern ausgebügelt werden müssen.
In der Verantwortung stehen der Verwaltungsrat und dessen Präsident Ulrich Vischer. Sie müssen wissen, dass eine zeitgemässe Corporate Governance ein solches Auftragsverhältnis zwischen privat Liierten nicht zulässt. In international tätigen Konzernen ist es Usanz, dass bei innerbetrieblichen «Liaisons» der eine Partner das Unternehmen verlassen muss.
Das ist das eine.
Das andere ist, dass der Verwaltungsrat in der Verantwortung steht, vom CEO also einen Bericht einfordern muss, wie man die existenzielle Abhängigkeit des Unternehmens von einem einzelnen Architekturunternehmen zurückfahren kann.
Und zum Dritten müssen sich die Parlamente in Stadt und Land ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, ob die Beteiligung an einem auf vielen Kontinenten agierenden Unternehmen noch opportun ist, zumal die von René Kamm forcierte Internationalisierung Risiken birgt, die unter Umständen von den hiesigen Steuerzahlern ausgebügelt werden müssen.
Glaubt der Verwaltungsrat, diese Geschichte einfach aussitzen zu können, dann hat die Messe Basel ein Führungsproblem. Und zwar nicht auf Stufe CEO, sondern auf Stufe Verwaltungsrat.
Manfred Messmer ist Unternehmensberater für Kommunikation und war von 1986 bis 2002 bei diversen Projekten als externer Berater für die Muba-Direktoren Frédéric Walthard, Philippe Levy und Jürg Böhni tätig. Daneben unterstützte er die Presseabteilung der Messe bei der Kommunikation einzelner Messen. Seine aktuellen Schwerpunkte sind die Strategieberatung und die Krisenkommunikation.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 16. Mai 2017
G. Koller meint
Klingt vernünftig und weist den Weg zur Lösung.
Also: Mangel an guter, zeitgemässer Beratung durch spätere, intensivierte Beaufsichtigung und Richtigstellung wettmachen.